Annette Heinisch / 06.06.2021 / 12:00 / Foto: Ich / 35 / Seite ausdrucken

Jenseits von Eden

In der leider wahren Geschichte „Das Tribunal“ berichtete ich davon, dass nach Auffassung einer anonym gebliebenen Mutter behinderte Kinder nicht mehr in einem Verein therapiert werden sollten, weil angeblich ein AfD-Mitglied im Vorstand säße. Damit war ich gemeint. Konkrete Grundlage der Schlussfolgerung über meine vermeintliche Parteizugehörigkeit war, dass ich die „Gemeinsame Erklärung 2018“ mitunterzeichnet hatte. Der Verlauf der Vereinssitzung erinnerte mich an Kafkas „Prozess“, ich zitierte in meinem Beitrag den Kernsatz des Protagonisten: “Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“

Da es vor Ort kaum andere Therapiemöglichkeiten gibt – deshalb ist der Verein überhaupt gegründet worden – wären die Folgen für die betroffenen Kinder fatal. Offensichtlich war dieser Mutter aber die Zukunft ihres und anderer Kinder weniger wichtig als die Gefahr, dass die Kinder in den Dunstkreis des Teufels in Parteigestalt kommen könnten. 

Chaim Noll hat in seinem Artikel „Die Rückkehr zum Menschenopfer“ beleuchtet, dass Menschenopfer in der gesamten Menschheitsgeschichte nicht selten, in der Antike sogar durchaus üblich waren. „Das Opfern von Kindern war alltäglich. Die Juden wurden, indem sie es verboten, zu unbeliebten Außenseitern.“

Danach waren es dann die Christen, die aufgrund derselben Grundeinstellung Menschenopfer ablehnten und ihrerseits den Löwen zum Fraß vorgeworfen wurden. Es war ein langer Weg aus dieser Barbarei, er war weder leicht noch verlief er geradlinig, wie die Hexenverfolgungen belegen. Letztlich führte er zur „Erfindung“ von unveräußerlichen Menschenrechten. Die Würde des Menschen ist mittlerweile aber durchaus wieder antastbar, bei der Bekämpfung von Kritikern, Andersdenkenden, nicht dem Zeitgeist Folgenden ist jedes Maß und jedes Ehrgefühl abhanden gekommen. Noll schildert die Methode sehr präzise:

Wichtig ist der öffentliche Rahmen des Vorgangs. Die Opfer verhalten sich in irgendeiner Weise auffällig, werden denunziert, ziehen allgemeine Wut auf sich, dann durch anerkannte Institutionen vorgenommene Untersuchungen wie juristische Ermittlungen oder Ausschluss-Verfahren in Parteien oder anderen Institutionen, denen sie angehören. Darüber wird – wegen der abschreckenden Wirkung im Sinne der Volkserziehung – in den Medien der Zeit genauestens berichtet.

Auch über die soziale Demontage des oder der Betreffenden, in möglichst großer Detailtreue: der sich steigernde Boykott durch die „Anständigen“, politisch Korrekten, der Entzug der Lebensgrundlagen, die unvermeidliche soziale Isolation. Allmählich entsteht ein Klima von Anzeige und Verfolgung. Der öffentliche Diskurs wird anklägerisch, von der Mehrheit abweichende Meinungen werden nur noch als Gefahr empfunden, Ironie und Scherz als verletzend und unanständig. Dafür gilt plötzlich das Denunzieren – in sicheren, stabilen Zeiten eher verpönt – als notwendige Tugend und wird vom Staat gefördert und demonstrativ belohnt.

Das biblische Verbot des Menschenopfers ist Verbot geblieben, nicht, wie man sich gewünscht hätte, zur Therapie geworden. Die Sucht nach dem Blutopfer scheint unsterblich. Die Moderne ist eine dünne Folie, all die Hochherzigkeiten wie Demokratie, Menschenliebe, Solidarität, darunter dämmern die alten Atavismen. Europas Kultur zerbröselt, vielleicht waren Christentum und Zivilisation nur eine Episode, man kehrt erleichtert zum Faustrecht zurück, zum Einander-Auflauern und Übereinander-Herfallen in Gruppen, zu den Opfern im Moor, den blutigen Ritualen des Heidentums.

Sieht so eine freie Gesellschaft aus?

Was sagt das aus über den Zustand des heutigen Deutschland? Schon in den letzten Jahren passierte es häufig, dass mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit (und der Schweigepflicht) Gedanken anvertraut wurden, welche die Betreffenden nicht wagten offen zu äußern. So sehr mich das Vertrauen ehrt, so sehr bestürzt mich diese Entwicklung, die durch Umfragen bestätigt wird. Nur 18 Prozent der Bürger trauen sich, in der Öffentlichkeit ihre Meinung zu sagen. 

Und tun sie es doch, nehmen sie ihre Grundrechte in Anspruch, ergeht es ihnen schlecht. Beispielsweise dem Lehrer, der sein Recht auf Demonstrationsfreiheit auch oder gerade im Interesse der Schüler in Anspruch nimmt oder dem Journalisten, der seine Arbeit macht, dafür aber bestraft wird und sich gleichfalls an Kafkas „Prozess“ erinnert fühlt. 

Sieht so eine freie Gesellschaft aus? Nein, definitiv nicht. Nichts gelernt? Vorgeblich schon. Es sind ja angeblich die Erfahrungen aus dem Dritten Reich und die daraus folgende Einordnung einer Position als „rechts“, mit welcher der öffentliche Diskurs erstickt wird. Das Problem ist, dass alles rechts ist, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Nahezu jede Kritik an herrschenden Ansichten wird als „rechts“ bezeichnet und gleichgesetzt mit „Nazi“ oder neuerdings „Antisemit“. Eine der aus meiner Sicht erschreckenden Folgen der Inflationierung der „Nazis“ ist die damit einhergehende Bagatellisierung des Holocaust.

„Am Ende ist dieses ritualisierte Diffamieren aller abweichenden Standpunkte als „rechts“ ein Schlag ins Gesicht aller Opfer von Nazis und rechter Gewalt“, sagte Dieter Nuhr treffend, wenngleich hinter der Bezahlschranke.

Die Bagatellisierung des Leidens durch politische Instrumentalisierung offenbart die grausame, herzlose Einstellung derjenigen, welche die Menschheit retten wollen, obgleich ihnen die Menschen egal sind.

In atemberaubendem Tempo verschwindet die Menschlichkeit, es gibt keine Mitmenschen mehr, sondern nur „die Guten“ und „die Bösen“. Böse ist mittlerweile jede Form der Kritik. Die Bezeichnung von Kritikern als „Leugner“ ist nicht nur sachlich inadäquat, sie ist entlarvend: Sie entspricht der Gottesleugnung, die Kritiker vertreten eine Irrlehre, sind ergo moderne Häretiker. Auch „Querdenker“ wird zum Synonym einer Irrlehre. All diese Ketzer werden aus der Gemeinschaft der neuen, selbsternannten Heiligen ausgeschlossen, Exkommunikation ist noch das mildeste Mittel. Existenzvernichtung liegt nahe oder erfolgt teilweise bereits.

Die Masse wird nicht von Vernunft geleitet

Ein berühmtes Zitat des Schriftstellers G. K. Chesterton, dem Autor der Pater Brown-Detektivromane, lautet:

„Wenn Menschen aufhören, an Gott zu glauben, glauben sie nicht an nichts – sie glauben an alles Mögliche.“ 

Wie zutreffend diese Feststellung ist, zeigt sich im realen Leben. Dass politische Parteien eine zunehmende Ähnlichkeit mit religiösen Sekten haben und ihre Themen sakralisieren, wird mittlerweile häufiger thematisiert. Die Erkenntnis ist nicht neu, vielmehr hatte bereits 1895 der französische Psychologe Gustave Le Bon in seinem Grundlagenwerk „Psychologie der Massen“ empirisch nachgewiesen, dass die Überzeugungen der Massen stets religiöse Züge annehmen. Die Masse wird nicht von Vernunft geleitet, sondern ist von Bildern und Suggestionen leicht zu beeinflussen. Und: „Ganz gleich, wofür die Massen sich begeistern, die Begeisterung nimmt immer Kennzeichen einer religiösen Haltung an: Sie ist mit blinder Unterwerfung, unkritischem Denken, übertriebener Hingabe und Fanatismus verbunden.“ 

Le Bon hatte eine historische Analyse vorgenommen und konkret auch den damals aufkommenden Kommunismus/Sozialismus als säkulare Religion eingestuft. Offenbar hatte Karl Marx seine Ideologie ebenfalls so eingeschätzt, sonst hätte er das Christentum nicht so vehement als Konkurrenz bekämpfen müssen. Der Nationalsozialismus gehört ebenfalls in die Kategorie säkularer Religionen. Dass beide Ideologien vergleichbar totalitären Charakter haben, zwei Seiten einer Medaille sind, zeigte schon Hannah Arendt in ihrem Buch „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ (1951/1955) auf.

Nach dem sozialpsychologischen Modell des US-amerikanischen Psychologen Abraham Maslow haben Menschen typischerweise verschiedene Grundbedürfnisse und Motivationen. Diese hat er in eine hierarchische Struktur gebracht, der nach ihm benannten Maslowschen Bedürfnispyramide. Sie besteht aus acht Stufen, basierend auf den physiologischen Bedürfnissen, dann folgen das Sicherheitsbedürfnis, die sozialen und individuellen sowie die kognitiven und ästhetischen Bedürfnisse. Kurz vor seinem Tod 1970 fügte er noch das Bedürfnis nach Transzendenz hinzu, also das Bedürfnis nach etwas Größerem, das über das eigene Dasein Hinausragende. 

Neue Forschungen sind teils zu ähnlichen Ergebnissen gekommen, wenngleich die klare Abgrenzung zwischen den einzelnen Bedürfnissen als fraglich gilt, also nicht zwingend erst ein Bedürfnis vollständig erfüllt sein müsse, bevor ein weiteres erwacht. Unabhängig von dieser konkreten Ausgestaltung scheint es aber so zu sein, dass Menschen ein Bedürfnis nach Selbstverwirklichung und auch nach Transzendenz haben. Religionen erfüllen mithin neben der ethischen Komponente als notwendige gemeinsame Grundlage des Zusammenlebens ein weitergehendes Grundbedürfnis nach Spiritualität, was dazu führt, dass man sie – vereinfacht gesagt – nicht abschaffen kann. Es funktioniert nicht. Es wäre, also wolle man die Sexualität verbieten, auch das funktioniert nicht.

Säkulare, radikal fanatisierende und missionierende Religionen

Vergewaltigung kann und muss man verbieten, ein solches Verhalten auch ahnden, aber das Bedürfnis nach Sexualität als solches zu eliminieren, gelingt nicht. Grundbedürfnisse suchen sich ihre Erfüllung, entweder auf dem einen oder auf dem anderen Weg. Die Illusion, man könne einen Staat ohne das Fundament einer verbindenden Religion führen, hat daher nicht zur Vernunft, sondern im Gegenteil zu säkularen, radikal fanatisierenden und missionierenden Religionen geführt: Die Vergewaltigung des Andersdenkenden ist üblich, er hat die jeweilig herrschende Religion der Masse anzunehmen. Bestenfalls wird er ausgegrenzt und seiner wirtschaftlichen Existenz beraubt, die Version des „Rübe ab“ ist dann der nächste, nicht ferne Schritt.

Es scheint eine Art Rundreise durch die Zeit gewesen zu sein, nun kehren wir zum Ausgangspunkt zurück. Religionen, auch wenn nicht als solche bezeichnet, kämpfen um die Macht – der Diskurs auf der Sachebene ist zur Illusion geworden. Dann aber sind wir jenseits von Eden, Willkommen im Zeitalter der Glaubenskriege.

Der sogenannte Dreißigjährige Krieg begann als Religionskrieg, der Streit der Konfessionen und der Verfall der politischen Ordnung im Reich waren der Nährboden. Aber: „Der Dreißigjährige Krieg war mehr als nur der Religionskrieg, als der er oft verkürzt dargestellt wird. Die Religion wurde weitgehend für die Machtpolitik instrumentalisiert (was ja auch heute Ursache mancher Konflikte ist)“, wie der frühere Bundespräsident Roman Herzog in seiner lesenswerten Rede 1998 zum 350. Jahrestag des Westfälischen Friedens ausführte.

Am Ende waren weite Teile des Landes verwüstet, geschätzt 20 bis 45 Prozent der Reichsbevölkerung waren tot. Die Niederlande und die Schweiz wurden unabhängig, wichtige Ostseehäfen fielen an Schweden, was den Handel stark beeinträchtigte. Die deutschen Staaten hatten nur noch wenige Hochseehäfen und waren dadurch vom überseeischen Handel weitgehend ausgeschlossen. „Frankreich, England, Schweden und die Niederlande konnten sich nach dem Dreißigjährigen Krieg zu Nationalstaaten entwickeln. Mit dem aufblühenden Handel ging in diesen Ländern ein Aufschwung des liberalen Bürgertums einher.“ 

Jeder sollte nach seiner Façon selig werden

In den Staaten des Deutschen Reiches brachte der Westfälische Frieden wieder Ruhe. Neben der neuen Austarierung des Machtsystems zwischen Kaiser und Reichsständen, welche allerdings zu keinen gravierenden Änderungen führte, standen religiöse Fragen im Mittelpunkt. Mit dem Westfälischen Frieden wurde der erste Grundstein der Religionsfreiheit gelegt, die verschiedenen Konfessionen wurden als gleichberechtigt anerkannt, damit (um einen späteren Kaiser zu zitieren) jeder nach seiner Façon selig werden konnte. Die Friedensordnung bedeutete aber noch weit mehr:

Sie machte es vor allem aber auch möglich, daß Glaubensfragen und Bekenntnisse fortan von politischen Verhandlungen getrennt werden konnten. Nicht zufällig brachten die letzten Jahre des Dreißigjährigen Krieges Denker hervor, die zu den Klassikern der modernen europäischen Philosophie werden sollten. Ich spreche von dem Franzosen René Descartes, dem Engländer Thomas Hobbes und dem Holländer Hugo Grotius. Sie alle standen unter dem Eindruck der Maßlosigkeit des Krieges, und sie alle trugen durch ihr Denken zum Entstehen eines neuen Staats- und Rechtsverständnisses bei, das in den kommenden Jahrhunderten zu einem Geschenk Europas an die Welt werden sollte und das wesentlich auf der Idee der Vernunft aufbaute.

Vernunft war aber nur das eine Leitmotiv des Westfälischen Friedens, die Organisation des Friedens das andere. Von nun an gab es völkerrechtliche Grundsätze zwischen den Staaten, die die Rechtmäßigkeit von Kriegen, die Erhaltung des Friedens und die Fragen staatlicher Souveränität regelten. Es gab Prinzipien, die Verhaltensregeln für Militärs und Diplomaten begründeten, und es wurden ethische Grundsätze formuliert, die unser tägliches Zusammenleben auch heute noch bestimmen.

Der enorme Blutzoll und die traumatischen Ereignisse scheinbar nicht enden wollender Kriege führten zum säkularen Staat, der nicht von Religionen, sondern von Vernunft beherrscht wird. Oder genauer: beherrscht werden sollte. Denn das ist graue Theorie, die den Praxistest nicht bestanden hat.

Wenn die Begeisterung der Massen stets religiöse Züge annimmt und die jeweiligen „Religionen“ nicht kompatibel sind, steht Deutschland (zurückhaltend gesagt) vor erheblichen Verwerfungen. Auch im Mittelalter hatten die Konfessionen zunächst einen Pakt geschlossen:

„Zwar verhinderten die Regelungen des Augsburger Religionsfriedens für 60 Jahre den Ausbruch eines großen Religionskrieges, aber es gab Auseinandersetzungen um seine Auslegung, und eine konfrontative Haltung einer neuen Herrschergeneration trug zur Verschärfung der Konfliktlage und dem Verfall der politischen Ordnung bei.“

Absolut typisch für religiösen Wahn

Klingt das nur in meinen Ohren wie eine Beschreibung der aktuellen Situation? Schwer wird es für diejenigen, die einen säkularen Staat wünschen, der sich der Vernunft und der Rationalität verpflichtet fühlt. Wird dann noch geschickt Todesangst geweckt, gehen die Mitglieder der säkularen Sekten über Leichen. In einer Lage, in welcher ein Mensch um sein Leben fürchtet, sei es Corona oder Klimawandel, die ihm als Duell des „Er oder ich“ präsentiert wird, wird er den Abzug drücken. Wenn er meint, sein Leben sei bedroht, weil die Person X 160 km/h fährt oder die Person Y in ein Konzert geht, dann ist das zwar rational für halbwegs intelligente Menschen nicht nachvollziehbar, aber absolut typisch für religiösen Wahn. Wahn und Panik machen blind, rationales Denken und vernunftgeleitetes Handeln wird gezielt ausgehebelt. 

Chesterton hat Pater Brown auch noch folgende Sätze in den Mund gelegt: 

„It's the first effect of not believing in God that you lose your common sense. It's drowning all your old rationalism and scepticism, it's coming in like a sea; and the name of it is superstition.”

(Die erste Folge davon, nicht an Gott zu glauben, ist, dass du deinen gesunden Menschenverstand verlierst. Es ertränkt all deine frühere Rationalität und Skeptizismus, es kommt wie das Meer über dich; und sein Name ist Aberglaube.).

Nun sind aber Rationalismus und Skeptizismus fester Bestandteil meiner Persönlichkeit. Es scheint ein familiäres Problem zu sein, wir können offenbar nicht einmal dann konformistisch einem säkular-religiösen Wahn frönen, wenn Dissens tödlich sein kann. Eine der frühesten und prägendsten Kindheitserinnerungen meiner Mutter war ein Spaziergang mit ihrem Vater zum Hamburger Stadtpark. Er zeigte ihr marschierende Männer in Uniform mit hohen schwarzen Stiefeln und schärfte ihr eindringlich ein, dass sie sofort und ohne Zögern ganz schnell weglaufen sollte, wenn sie Männer mit solchen Stiefeln in der Nähe ihrer Wohnung sehen sollte. Meine Mutter war zu klein, um zu wissen, was die Gestapo war, aber dass ihr Vater es todernst meinte, war unmissverständlich. Sie vergaß den Tag nie, den Anblick von marschierenden Uniformierten ertrug sie zeitlebens nur schwer.

Letztes Jahr nach dem Tribunal dachte ich an die Schilderungen meiner Mutter aus ihrer Kindheit im Dritten Reich. Die Ähnlichkeit der heutigen Verhaltensmuster (natürlich nicht des Ausmaßes!) mit diktatorischen Regimen ist den Mitbürgern in unserem Land, die eigene Diktaturerfahrung haben, schon weit früher aufgefallen. Wie so ein Staat real funktioniert, beschreibt Wulf Bennert in seinem Roman „2054“ in unglaublich eindringlichen Szenen, eine deutsche Variante von Michel Houellebecqs „Die Unterwerfung“. Bennert ist der Mann, der aus der Zukunft kommt, daher weiß er, wie sie aussehen könnte.

Dass das Verhaltensmuster der Ausgrenzung unschöne Assoziationen weckt, war am Abend des Tribunals ja bereits einigen Anwesenden aufgefallen. Ich erwähnte mein Erlebnis einige Wochen später gegenüber der einzig noch lebenden Verwandten, welche die Nazi-Herrschaft miterlebt hatte.

Teil 2 folgt

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Leserpost

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Jürgen Spork / 06.06.2021

Fakt ist,das dieses Regime wieder ein völlig zerstörtes Deutschland hinterlassen wird.Im Namen des Gutmenschen.Doch dies mal wird es so zermalmt,das ein Aufbau nicht in 20-30 Jahren möglich ist.Es werden magere Jahrzehnte folgen,Hunger und Seuchen,und nur wenige werden die Selbstzerstörung überleben. Nichts gelernt aus der Geschichte.Deutsche brauchen eben einen Führer oder Führerin.

Mike Höpp / 06.06.2021

Liebe, sehr geehrte Frau Eden, das stimmt so nicht. Es gibt Menschen, die denken, fühlen und handeln und somit anders entscheiden. Ganz herzliche Grüße, Ihr Mike Höpp

Peer Munk / 06.06.2021

@Thorsten Beyer: Es stimmt leider nicht, dass Diktaturen nach wenigen Jahren stets in Schutt und Asche liegen. Das Sowjetreich gab es rund 70 Jahre, China ist immer noch eine Diktatur, Kuba auch. Was die Zitate von Chesterton angeht, widerspreche ich: Ich selbst glaube nicht an Gott, aber trotzdem nicht an alles mögliche. Ich bin überzeugt, dass nur kritischer Rationalismus eine freie und gerechte Gesellschaft möglich machen kann. Von der Denkweise des k.R. haben wir uns allerdings weit entfernt. Auch vom Gedanken des modernen, demokratischen Rechtsstaates, bei dem das Individuum im Zentrum steht und der Staat die Aufgabe hat, seine Rechte zu schützen. Mittlerweile ist es wieder andersrum: das Individuum soll dem Staat dienen, das ist sein Sinn und Zweck - siehe das Gerede von “impfen, um andere zu schützen”, Impfung sei Solidarität, “wir müssen zusammenstehen” etc. Das ist Kollektivismus.

Uta Buhr / 06.06.2021

Ein sehr guter Artikel, liebe Frau Heinisch. Ich habe mich als Jugendliche eingehend mit dem Dreißigjährigen Krieg und seinen Folgen beschäftigt und fühle mich durch Ihre Einlassungen in meinen Einsichten bestätigt. Das drei Jahrzehnte währende Abschlachten begann zwar als Streit zwischen den beiden rivalisierenden Konfessionen, endete jedoch als reiner Kampf um Macht, Geld und Privilegien. Er hat die Machtverhältnisse in Europa total verschoben. Eine kleine Anmerkung: Nicht ein Kaiser, sondern Preußenkönig Friedrich II. - genannt der Große oder auch der Alte Fritz - hat jedem eingeräumt, nach seiner Facon selig zu werden.

margit-kaestner / 06.06.2021

Wir befinden uns auf dem Irrweg einer erneuten , diesmal spiegelverkehrten Meinungsdiktatur. Erfolg einer gesellschaftlichen Umerziehung nach dem letzten Krieg , einhergehend mit dem Schuld und Sühne Verhalten, doch im Endergebnis eine wiederum gefahrenbesetzte Ideologie .

Boris Kotchoubey / 06.06.2021

Homo homini rattus est. Jahrtausende lang quälten sich die Philosophen, wie man den Begriff “Mensch” definiert. Aber jetzt wissen wir: Mensch ist ein Virenträger.

Dieter Kief / 06.06.2021

1) Dieter Nuhr ist irgendie eine ehrliche Haut. Wenn er sagt, nicht alle Rechten seien Faschisten, hat er recht. Vermutlich auch, wenn er sagt, er selber habe solchen Blödsinn selber früher gerne behauptet und jeden beliebigen CDUler als hitlerverseucht hingestellt. Ok. Asche auf Dieter Nuhrs Haupt. Er ist ein nun offiziell anerkannter Antifa-Sünder. Auch ok. - Ob ihm klar ist, dass es in Deutschland keineswegs verboten ist, faschistsische Positionen zu vertreten, wage ich zu bewzeifeln, spielt aber auch keine große Rolle. Im Grunde liegt er schon richtig. 2) Das Zitat oben ist freilich nochmal eine andere Sache, weil er da in der weLT was sagt, was man ihm in einer besseren Zeitung rausgestrichen hätte. Er sagt nämlich, wer ihn als rechts kritisiere, verhöhne dadurch die Opfer echter Nazis. - Das ist unsinnig. Jemand kann sehr wohl denken, Dieter Nuhr sei im Grunde ein lupenreiner Vertreter des internationalen Monopolkapitalismus und insofern - nach Horkheimer/Adono, nedwahr, ein verkappter Faschist, nedwahr, ohne dadurch wirkliche Opfer echter Faschisten zu beleidigen. Die gute Annette Heinisch oben hat nun ausgerechnet diese verunglückte Nuhr-Stelle als beispielhaft hingestellt. Ich zitiere sie in Gänze. Dieter Nuhr sagt: “Auch ich wurde ja schon als rechts oder als Rassist bezeichnet. Das war ein Versuch, meine Haltung zu diffamieren und mich dadurch aus dem Diskurs auszuschließen. Am Ende ist dieses ritualisierte Diffamieren aller abweichenden Standpunkte als „rechts“ ein Schlag ins Gesicht aller Opfer von Nazis und rechter Gewalt” - Nochmal: Dieter Nuhr als Kryptofascho, wie das früher hieß, zu beleidigen, ist was anderes, als tatsächliche Opfer von Faschos (oder der Antifa…) zu beleidigen. Viele Antifas z. B. unterscheiden hier penibel und unterstützen die Opfer von Faschisten UND sind zugleich gegen “Kryptofaschos” wie Dieter Nuhr. - Das ist ziemlich unsinnig, stimmt, aber unmenschlich ist es nicht. Dumm? - Ja.

Thorsten Beyer / 06.06.2021

Ja, die Ächtung, Ausgrenzung, Zersetzung und Zerstörung von Menschen mit eigenen Gedanken ist in dieser Gesellschaftsehr weit verbreitet, und sie geht auf viele Jahrhunderte alte Strukturen in unserem Denken und Fühlen zurück. Die mediale Posse rund um #allesdichtmachen hat ja nur mal mehr gezeigt, wie gut diese Beißreflexe sitzen, bei allen Mächtigen udn Ohnmächtigen. Allein: sie werden ohne die selber denkende Minderheit nicht über dei Runden kommen, weil der schöbige Geist der Mächtigen gerade dazu reicht, ihre Macht zu zementieren - zu mehr aber auch nicht. Darum liegen Dikaturen ja auch schon nach wenigen Jahren in Schutt und Asche. Wären sich die “Mächtigen” ihrer Sache wirklich so sicher, dann müssten sie Kritik oder Opposition nicht fürchten… Zudem: Ist es nicht schon ein wenig erschreckend, dass wir, wie Chesterton schrieb, glauben können müssen, um sicher und klar denken zu können?

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