Thomas Rietzschel / 17.10.2014 / 15:55 / 18 / Seite ausdrucken

Hurra, wir haben einen Staatsfeind!

Wer gestern Yasmin Fahimi in der FAZ las, konnte für den Moment annehmen, er habe versehentlich nach dem Neuen Deutschland des vorigen Jahrhunderts gegriffen, wenn nicht gar nach einem Schmierblatt aus noch dunkleren Zeiten. Was die SPD-Generalsekretärin da in der Rubrik „Fremde Federn“ absudelte, war Propaganda der schlimmsten Machart: dumm, verlogen und anmaßend.

Nachdem sie erst unlängst auf n-tv aufgetreten war wie weiland Karl-Eduard von Schnitzler im „Schwarzen Kanal“ und den politischen Gegner, die AfD, als „braune Suppe im spießbürgerlichen Gewand“ angepöbelt hatte, setzte sie nun noch eins drauf. Mit Wolfgang Schäuble nannte sie die Partei „eine Schande für Deutschland“, verunglimpfte ihre Mitglieder als „Demagogen im Schlafrock“ und bezichtigte sie abermals des „tumben Populismus“. Mit „Taschenspielertricks” würden sie „unser Land in den Ruin treiben“.

Fakten, die ihre Sorge hätten belegen können, blieb Frau Fahimi schuldig. Woher hätte sie sie auch nehmen sollen, da die Partei bisher noch gar nicht in der Lage war, „unser Land“ überhaupt irgendwohin zu führen. Auch der Bericht, der in der selben Ausgabe der FAZ wenige Seiten später darüber informierte, dass immer mehr Unternehmer, „namhafte Mittelständer“, sich der neuen Partei annähern, weil sie den wirtschaftlichen Sachverstand ihrer führenden Köpfe schätzen, dürfte die Wut der Genossin kaum dämpfen. Für sie ist die AfD von vornherein ein „Ärgernis“, das es auszumerzen gilt.

Statt mit sachlichen Argumenten aufzuwarten, schürt sie blanken Hass, wie das die geschulten Propagandisten seit jeher tun. Und wie diese versicherte sie dem Leser zum Schluss der Suada, nachdem alle Mistkübel ausgekippt sind, dass es ihr natürlich fern läge. die Besudelten zu „dämonisieren“. Auch die Nationalsozialisten wollten nur über das bedrohliche Wesen der Juden aufklären, als sie ihnen alle denkbaren Verbrechen nachsagten; die Kommunisten diffamierten das Bürgertum, um das Proletariat vor den Raubtieren des Kapitalismus zu warnen: Business as usual in der Propaganda und nicht sonderlich originell, sogar ziemlich dämlich, mit Verlaub Frau Fahimi.

Wie es im Oberstübchen der Dame aussieht, wollen wir uns nach alle dem lieber nicht so genau vorstellen - wahrscheinlich wie bei Hempels unterm Sofa. Jedenfalls scheint sie manches nicht mitzubekommen, wenn sie etwa schreibt: „Mich stört vor allem die Ignoranz, mit der auf die Wahlerfolge der AfD reagiert wird.“ Welche Ignoranz bitte schön? Man müsste Tage der kostbaren Lebenszeit opfern, wollte man alle die Attacken, die Anwürfe, die Kassandra-Rufe nachlesen, alle die Nachrichtensendungen anschauen, in denen rote, grüne, gelbe und schwarze Politiker, lautstark unterstützt von dem Kommentatoren des ersten und des zweiten Staatsfernsehens, nach den Wahlerfolgen der neuen Partei Zeter und Mordio schreien, als sei der Fuchs unter die Hühner gefahren.

Wenn sie im Befehlston erklärt, die AfD „darf … für niemanden als Koalitionspartner in Frage kommen - nicht im Bund, nicht in den Ländern und nicht in den Kommunen“, dann rennt die Genossin Fahimi auf ihrem politischen Gutshof doch nur offene Scheunentore ein. Den Schulterschluss des politischen Establishments, den sie sich im Kampf gegen den Parvenü „wünscht“: „ein breites gesellschaftliches Bündnis, von der SPD und anderen politischen Parteien, über die Gewerkschaften, die Kirchen, Industrie- und Sozialverbände, Stiftungen und NGOs“, diese Volksfront unseligen Angedenkens, gibt es doch längst. Erstens. Und zweitens brauchen wir die AfD auch nicht, um „unser Land“ zu ruinieren. Das hat bereits das Kartell der etablierten Parteien getan.  Gemeinschaftlich haben sie die Demokratie bis auf ihre letzten Werte ausgeplündert. Ohne Bedenken kungeln sie die Macht unter sich aus, wenn es sein muss sogar mit der PDS, den abgehalfterten Kommunisten.

Die Verhältnisse sind auf den Kopf gestellt. Das Volk, der Souverän, geht an der Leine der Parteien. Ihre Bonzen merken gar nicht mehr, wie sie sich selbst entlarven. Als sei es das Selbstverständlichste von der Welt, schreibt Ysamin Fahimi: „Natürlich müssen wir uns fragen, ob wir unsere (!) Politik immer verständlich genug erklärt haben.“ Ja du lieber Himmel, vielleicht sollte sich die SPD-Generalsekretärin erst einmal fragen, was die Bürger überhaupt wollen, bevor sie sie in den Dienst ihrer parteilichen Interessen stellt. Wir brauchen keine Politiker, die uns schulen, sondern Volksvertreter, die für unsere Interesse einstehen, die diese oder jene Schichte, das eine oder das andere Milieu repräsentieren. So sind die Spielregeln der repräsentativen Demokratie.

Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass wir eine „Anti-Parteien-Partei“ brauchen, dann hat ihn Frau Fahimi jetzt mit ihrer dummdreisten Einlassung selbst erbracht. Ob das die AfD sein muss, bleibt fürs erste dahingestellt. Ihr Erfolg hat allerdings schon gezeigt, dass es die Bürger, Merkels „Menschen“, leid sind, sich länger noch von den selbst ernannten Vormündern an der Nase herumführen zu lassen. Und die Wut, mit der sie, die bezahlten Politiker, darauf reagieren - Ysamin Fahimi nicht anders der Lügen-erprobte Pharisäer Wolfgang Schäuble - gibt Anlass zu der Vermutung, dass sie allesamt langsam das große Fracksausen bekommen. Die Felle drohen ihnen davon zu schwimmen. Sind sie doch von Rechts wegen nichts anderes als unsere bezahlten Angestellten, Gewächs des politischen Betriebs, die in vielen Fällen Not hätten, ihr täglich Brot draußen im Lande zu verdienen.

Sicher, auch Ysamin Fahimi hat einen Berufsabschluss. Nach immerhin elf Jahren Ausbildung hat sie die Universität als Diplomchemikerin entlassen. Danach ist sie schnell unter den Schirm der Gewerkschaft gekrochen, um schließlich in dem sicheren Hafen des Parteibetriebs der SPD festzumachen. Dass ihr deren Erhalt am Herzen liegt, ist menschlich verständlich, bis zu einem gewissen Grad mag es sogar die panische Reaktion auf das Auftauchen eines politischen Konkurrenten erklären.

Die gute Frau hat eben nicht mehr als ihr Parteibuch auf der hohen Kante. Damit sind freilich schon andere Propagandisten vor ihr grandios gescheitert, die Kommunisten zuletzt.

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Julian S. Bielicki / 17.10.2014

Was dem einen Populismus, ist dem anderen Basisdemokratie.

Thomas Schlosser / 17.10.2014

Herr Rietzschel, wir schreiben heute den 17. Oktober und ich konstatiere: Dies ist der mit Abstand beste politische Kommentar, den ich in diesem Jahr gelesen habe, und da ich ein leidenschaftlicher Leser von Blogs und Zeitungen bin, dürfen Sie mir glauben: Das will was heißen….! Deswegen, ohne unnötige Worte zu verlieren: Danke dafür….!

Markus Miller / 17.10.2014

Auf Propaganda folgt Gegenpropaganda. Na ja, warum auch nicht. Die AfD als Public Enemy No1. Na ja, warum auch nicht. Etwas street credibility hat noch nie geschadet. Werden sich Gegner und Anhänger nun am Hermanns-Denkmal gegenseitig mit Leitz-Ordnern bewerfen?

Klaus Schneider / 17.10.2014

Sehr geehrter Herr Dr. Rietzschel, herzlichen Dank für diese wahren Worte. Die Debattenkultur in Deutschland ist zwischenzeitlich völlig marode. Umso erfrischender ist es, Ihren gelungenen Beitrag zur Stärkung Demokratie zu lesen. Mit freundlichen Grüßen Klaus Schneider Frankfurt/Main

Peter Merbt / 17.10.2014

Herr Rietzschel, danke für diese großartige Analyse. Auch Ihr Tonfall ist angemessen, der Zorn über die Politklientel nachvollziehbar. Aber in einem grundsätzlichen Punkte irren Sie sich: “Ihr Erfolg hat allerdings schon gezeigt, dass es die Bürger, Merkels „Menschen“, leid sind, sich länger noch von den selbst ernannten Vormündern an der Nase herumführen zu lassen. “ Meinen Sie das wirklich? Glauben sie im Ernst, dass es die Bürger sind, die verstanden haben, wie sie manipuliert werden, wie eine Politkaste im Stile eines “L’État, c’est moi!” ein ganzes Land am Nasenring führt? Oder ist es nicht eher ein kleines, verzweifeltes Grüppchen, ein Häuflein Aufrechter, die sich ihre geistige Unabhängigkeit bewahrt haben, ansonsten aber im Weltenlauf nur eine marginale Fußnote darstellen? Das Volk, der große Lümmel, hat keine gemeinsame Basis mehr. Zu spät, Herr Rietzschel. Mene mene tekel upharsin.

Karl Krähling / 17.10.2014

Eigentlich hatte ich schon genug Gründe, die AfD zu wählen. Als ehemaliges SPD-Mitglied, der noch das „mehr Demokratie wagen“ seiner Zeit im Ohr hat, als die Partei noch nicht von im Berufsleben ziemlich chancenlosen BerufspolitikerInnen dominiert wurde, schaue ich mit Interesse auf die Selbstdemontage einer Partei, die einmal zu weiland Bebels Zeiten selbst gegen das ankämpfte, was ihre ErbInnen nun mit großem Eifer selbst betreiben. Dass die FAZ dieser Frau auch noch eine Bühne liefert zeigt, wie sehr das ehemalige Flaggschiff der klugen Köpfe ebenfalls in schwere Seenot geraten ist.

Aaron Gal / 17.10.2014

Ein schöner Text. Als undressierter Mensch bekommt man eigentlich immer mehr Sympathien mit der AfD, schon weil sie überall so unter der Gürtellinie angegriffen wird. Wenn man den anderen Parteien glaubte, könnte man denken, bei der AfD sitzt irgendwo das personifizierte Böse, ganz geschickt im Versicherungsvertreter -Outfit getarnt, damit wir Dummen es nicht merken. Ich betrachte den Umgang mit der AfD als Prüfstein für Glaubwürdigkeit. Im selben Maße, wie die Politiker dort grundlos verunglimpfen, so illoyal unaufrichtig- korrupt sind sie in Wahrheit auch gegenüber der Bevölkerung.

Thorsten Haupts / 17.10.2014

???? Es ist vollkommen normal im politischen Spiel, dass ein Generalsekretär einer (potentiellen) Regierungspartei alles daran setzt, einen Neuankömmlinmg in der Politik erst runterzumachen und - bei Gefahr von dessen Etablierung - alles daran setzt, ihn als potentiellen Koalitionspartner einer anderen partei madig zu machen. Und sei es nur, um den harten Kern der eigenen Anhänger zu befriedigen. Wo genau hat der Autor mit diesem sattsam bekannten politischen Grundprinzip ein Problem? Und ein wenig bösartiger gefragt - seit wann? Hat oder hätte er dasselbe gesagt, als Unionsgranden mit Verweis auf die dubiose Herkunft einiger ihrer Führungsfiguren exakt dasselbe Spiel mit den GRÜNEN spielten? Ich mag ja wirklich gerne echte Prinzipien und verankerte Standpunkte. Künstliche Moral allerdings ... Gruss, Thorsten Haupts

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