Thilo Schneider / 02.07.2022 / 14:00 / Foto: Timo Raab / 27 / Seite ausdrucken

Hölle Männerparadies

Diese Zeilen, die ich jetzt schreiben werde, fallen mir sehr schwer. Sie werden Illusionen zerstören, sie werden Frauenherzen brechen, und die Leser werden sich fragen, wie ich dies all die Jahre verheimlichen konnte.

So sehr ich gegen meine eigene Überzeugung schreiben konnte. Aber wenn ich auf den richtigen Zeitpunkt warte, wird es immer nur falsche Zeitpunkte geben, daher ist dieser Zeitpunkt jetzt: Ich will mich outen. Ich hasse nämlich Baumärkte. 

Gerüchten zufolge ist der Baumarkt für den Mann das, was ein Schuhgeschäft für Frauen ist: ein Hort voller Mysterien, eine Verheißung des Glücks, ein Land voller wunderbarer Dinge, der Endpunkt alles Strebens und Seins, der Sinn des Lebens, der so manche Kreditkarte zum Glühen bringe. Eine Religion, die Männern im Jenseits einen Baumarkt und Frauen ein Schuhgeschäft verspräche, würde quasi über Nacht sämtliche Weltreligionen inklusive Klimapanik pulverisieren. Nur nicht bei mir. 

Diese angebliche Faszination, die von Aufsitzrasenmähern, Falttüren, 8er-Dübelpackungen oder Toilettenschüsseln ausgeht – ich habe sie nie gespürt. Sicher, ich muss manchmal zum Baumarkt, weil der Schatz irgendwas mit der Dachlatte erledigen will oder weil Geranien und Begonien im Sonderangebot sind, dann gehe ich eben hin, aber ich habe mich noch nie zwischen den Regalen dieser Städte von Heimwerkern für Heimwerker verirrt. 

Schaufeln, Spaten und Stripper

Es ist nicht so, dass ich es nicht versucht hätte: Einmal wollte ich einen Hammer kaufen, weil ich den nicht vom Nachbarn leihen und unglücklich sein wollte, aber ich stand dann vor einem Metallregal und es gab sage und schreibe acht Sorten von Hammern. Oder Hämmern. ICH wollte ja nur ein paar Nägel in die Wand donnern, aber da gibt es dann so Hämmer mit so Spitzen, mit denen man Nägel auch wieder herausziehen kann und andere Hämmer aus Gummi, bei denen es vielleicht nicht so weh tut, wenn man den Daumen trifft. Dann gab es Hämmer, die wie sehr große Hämmer aussehen, die heißen dann „Schlage“, als ob man mit einem dämlichen Hammer etwas anderes tun könnte, als zu schlagen.

Die Dinger waren richtig sauschwer und ich sah mich einen Moment, wie ich in unserem Garten einen zünftigen Weidezaunpfahl in den Boden ramme, dabei haben wir gar keine Kühe. Niemand hat Kühe, in der Stadt nicht und auf dem Land auch nicht. Und wenn jemand welche hat, dann hat er mit Sicherheit bereits eine Schlage, sonst hätte er die Kühe nicht, und die sehen ja auch nicht so aus, als würden sie nach dreimal Benutzen kaputt gehen. Also, die Schlagen. Nicht die Kühe. Wozu, in Teufels Namen, sollte also irgendjemand eine Schlage brauchen? Stand aber da. Direkt neben den Pickeln. Nur falls jemand angeseilt an einer Hochhausfassade hinaufklettern möchte. Ebenfalls eher übersichtliche Kundschaft. 

Und es gab da Schaufeln. Ich hatte schon im Sandkasten mehr Spaß an diesen kleinen Plastikwassermühlen als an Schaufeln. Die Mühlen drehten sich lustig mit Sand oder Wasser oder Urin. Eine Schaufel kann gar nichts, außer zu schaufeln. „Klappspaten“ verstehe ich zur Not noch. Mein Ururopa hat damit wohl Gräben in Flandern ausgehoben und den Klappspaten vielleicht einem Franzmann über den Schädel gezogen, aber was soll an einer Schaufel schon toll sein? Man kann Dreck damit in eine Schubkarre befördern, die wohl ein ebenso bronzezeitliches Relikt wie mein Hammer ist. Und trotzdem gibt es Schaufeln, die vorne rund sind und solche, die gerade sind. Haben die Schaufeln nur ein gerades Blatt, sind es Spaten. Ist dieses Blatt stark invertiert, ist es eine Schneeschaufel. Ist es breiter als lang, ist es ein Stripper. Ein Stück Holz mit Metall vorne dran, in jeweils leicht abweichenden Ausführungen. Gähn. 

Hochregal mit 112.321 Arten von Gips, Mörtel, „Raco Fix“, „Rotband“ und Fliesenklebern

Ich ging dann etwas weiter, meine Betrachtungen über die stille Erotik und Vielfältigkeit von Handspachteln erspare ich Ihnen. Was will ich mit einem Spachtel? Wenn ich nichts zu spachteln habe? Kurz hat mich dann ein Hochdruckreiniger fasziniert, aber seit ich das Moos von unserer Gartenmauer auf den Nissan vom Nachbarn gekärchert habe, lässt mich der Schatz sowieso nicht mehr an schweres Gerät. Er sagt, ich mache damit nur Blödsinn. Natürlich hätte ich auch Spaß an etwas Bauschaum gehabt, beispielsweise um die Türschlösser des besagten Nissan einer Schaumkur zu unterziehen, aber das ist wohl strafbar? Der Kollege Steinhöfel kann mich ja nicht dauernd raushauen. 

Als nächstes kam ein Hochregal mit 112.321 Arten von Gips, Mörtel, „Raco Fix“, „Rotband“, Fliesenkleber und Fliesenkleber für große Kacheln, mittelgroße Kacheln und kleine Kacheln. Als ob die alle unterschiedliche Kleber bräuchten? Das ist doch Verarschung? Wozu gibt es Unterschiede zwischen Schnellzement, Renovierspachtelmasse, Haftputzgips und Flächenmasse? Dem verdammten Loch in der Wand dürfte es egal sein, ob ich Gips, Renovierspachtelmasse oder Flächenmasse reinschmiere? Hauptsache, es ist zu? Stand jemals ein Fliesenleger auf seiner Baustelle und dachte sich: „Whatdafugg, ich habe nur den Kleber für die mittelgroßen Kacheln, aber das sind ja kleine Kacheln“? Ich finde das sehr verwirrend und seltsam. 

Danach kam ich an den Sonderangeboten mit Japanspachteln vorbei. Ja, was jetzt? Spachteln sie in Japan anders als im Rest der Welt? Sind die Japaner Spachtelweltmeister? Das Ding war einfach nur irgendwie geriffelt! Nein, ich habe im Baumarkt keinen Spaß. Im Baumarkt werde ich auf die grundlegenden Fragen meiner Existenz zurückgeworfen und habe den Satz aller Handwerker inklusive Schatz im Kopf, den sie mir wie auf einer CD ins Gedächtnis gebrannt haben, wen ich mal wieder „helfen“ wollte: „Naja, du hast eben andere Qualitäten“, was sich dann in meinen Ohren ungefähr so wie „naja, du bist eben behindert“ anhört… Da gehe ich echt lieber ins Schuhgeschäft. 

(Weitere verblüffende Artikel des Autors unter www.politticker.de)  

 

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

Foto: Timo Raab

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Horst Girmann / 02.07.2022

Lieber Herr Schneider, wenn ein Tag dunkel und lang ist oder beides, dann genügt ein Artikel von Ihnen, um es hell und kurzweilig werden zu lassen. Danke. Gute Zeit!

Bertram Scharpf / 02.07.2022

Auch mich langweilen Baumärkte. Aber an meinem Linux gibt es immer was zu tun.

Dr. Armin Schmid / 02.07.2022

Verehrter Herr Schneider, Ihren Hang zu Baumärkten kann ich nicht teilen. Ich wollte unseren großen Philosophen (was hätte Platon für eine Freude gehabt!) Habeck widerlegen. Der hat bekanntlich verkündet, dass es für die noch laufenden AKW keine Brennstäbe mehr gibt. Ich war nun in sämtlichen Baumärkten des Rhein-Main-Gebiets und muss nun sagen: Minister Habeck hat recht! Ob Toom, Globus, OBI, Bauhaus etc.: Keine Brennstäbe erhältlich, ich kann und muss Habecks gründliche Recherche nur bestätigen.

Michael Müller / 02.07.2022

Nee, ins Schuhgeschäft gehe ich auch nicht gerne. Da bin ich immer froh, wenn ich nach 20 Minuten etwas gefunden habe - dann schnell raus aus dem Laden. Dauert es länger, hab ich das Gefühl, schwer gearbeitet zu haben, und mach an dem Tag eigentlich nix mehr. Mit Baumärkten kann ich zwar auch nichts anfangen, aber ich bewundere die Leute, die das können. Manche Leute haben einen Garten und haben da alles Mögliche selbst gemacht, von der Holzhütte bis zur Bewässerungsanlage für das selbst angebaute Obst und Gemüse. Die haben da auch ständig zu tun und widmen sich der Angelegenheit wie andere einer Religion. Ich finde es schön, wenn Leute bei einer Sache so aufgehen können.

Markus Knust / 02.07.2022

Nachtrag: Bei Schuhen, aber auch Handtaschen, scheint sich das Klischee bei mir voll zu bestätigen, zumindest seitens der holden Weiblichkeit. Da herrscht eine besondere Affinität, vor allem zu den Schuhen, mit der roten Sohle, die kleine Vermögen kosten und meiner unerheblichen Auffassung auch nicht anders sind, als die Folterinstrumente anderer Marken. Bei Handtaschen gilt dasselbe, auch was das Preislevel angeht. Da prangt dann halt irgendein Designer Logo drauf, was die Dame des Hauses völlig um den Verstand zu bringen scheint. Was die neue Kollektion besser macht als die alte oder jeweilige Tasche von normalpreisigen Modellen abhebt, konnte ich bisher nicht ergründen. Ich bekomme nur zu hören, ich hätte eben keine Ahnung von diesen Dingen und solle mich raushalten. Nur bei der Bezahlung ist meine Unterstützung natürlich gern gesehen. Ich liebe Frauen, sie sind schwer zu durchschauen, herrlich irrational und müssen alles emotionalisieren. Einige dieser Züger verorten sie genauso bei uns Männern, ist das nicht wunderbar? Was sind da schon ein paar Schuhe, oder zehn oder zwanzig davon - wie große Löcher sie auch in Kreditkarten Abrechnung reißen? ;)

Markus Knust / 02.07.2022

Geht mir genauso. Wenn ich etwas gemacht haben will, interessiert mich vor allem das Ergebnis. Deshalb beauftrage ich Profis, egal ob Maler, Gärtner oder Installateure, die ich nachher bezahle. Die erledigen auch gleich die Besuche in Baumärkten oder wo immer sie das Zeug herholen.  Ich liebe die Dienstleistungsgesellschaft, wo jeder das macht, was er am besten kann. Mein Brot backe ich schließlich auch nicht oder kaufe mir einen Auto Bausatz, bevor ich losfahren möchte. Natürlich könnte ich Dinge selbst erledigen, aber mir fehlen sowohl Veranlagung, wie auch das Interesse daran. Rein Hobby technisch fielen mir auf Anhieb auch zwanzig Dinge ein, die ich lieber machen würde, als am Haus herum zu renovieren oder irgendwas zu basteln. Dafür kann ich andere Sachen, für die mich Leute bezahlen oder die ich zum Gefallen erledige. Damit bin ich immer gut gefahren und so bleibt es auch. Wer Spaß daran hat, der soll das gerne machen, aber mir persönlich würde es nicht mal auffallen, wenn morgen alle Baumärkte schließen.

R. Reiger / 02.07.2022

Bach, Haydn, Mozart, Beethoven, E. T. A. Hoffmann, Sterne, Schopenhauer, Nietzsche, Schrödinger, Einstein, Boltzmann, Gödel, ... .. . alle waren sie verrückt nach Baumärkten.

Christian Feider / 02.07.2022

tja,schön,das Sie Ihren Schatz haben….solles ja auch geben,diese Form der “Praxis”-Verteilung… ein Traum ist ein Baumarkt nun nicht,aber zumindest das Grundzeug sollte man als Bewohner einer beliebigen Wohnung schon haben. aber die Zugehörigen zur FDP-Fraktion habe ich eh in die Richtung eingeschätzt :)

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