Archi W. Bechlenberg / 25.11.2020 / 16:00 / Foto: Pixabay / 9 / Seite ausdrucken

Gut und Böse war gestern

Es kommt nicht oft vor, dass ich ein Buch einfach nicht aus der Hand legen kann. Wie geht es weiter? Nur noch ein Kapitel! Nur noch eine Seite!

Mit Frank Jordans neuem Thriller war es nach langer Zeit wieder einmal so weit, und das bei rund 630 Seiten und durchaus komplexem Geschehen. „ARES“ heißt der vierte Roman des Autors, und dass dieser wie die vorigen – „Die Ministerin“, „Der Fonds“ und „Das Attentat“ – bei Lichtschlag erschienen ist, kommt nicht von ungefähr: „ARES“ ist ein durch und durch politischer Thriller, der Aufklärung und Freiheit verpflichtet.

Frank Jordan – das ist kein Geheimnis mehr – heißt eigentlich Monika Hausammann, stammt aus der Schweiz und lebt heute in Frankreich. Mit „ARES“ ist ihr ein Roman gelungen, der den Leser immer und immer wieder verblüfft: Die Story spielt in allernächster Zukunft, und manches von dem, was darin erzählt und beschrieben wird, kommt uns so aktuell vor, dass man glauben könnte, die Autorin besäße hellseherische Kräfte. Dem ist nicht so – sie weiß einfach nur, das Weltgeschehen zu beobachten, zu analysieren und zu bewerten.

Es gibt keine Gewissheit, wie die Sache ausgehen wird

„ARES“ spielt an einer Vielzahl von Orten rund um den Erdball, und obwohl die Geschichte von Kapitel zu Kapitel zwischen diesen Schauplätzen wechselt, verliert man beim Lesen an keiner Stelle den Überblick. Und so geht es von abgelegenen schottischen Inseln über Städte wie Marseille, Basel und Konstanz über einsame Orte in Spanien und den französischen Vogesen bis nach Las Vegas und Berlin. Alle diese Orte sind wesentliche Stationen bei der Entwicklung der Ereignisse, bei denen es um eine geheime Armee, islamische Terroristen und Verschwörungen innerhalb von Regierungen und Finanzgiganten geht. Allen voran die der Berliner Republik. (Ehe besorgte Fragen auftauchen: Nein, Merkel kommt nicht vor)

Eine Figur in „ARES“ kennen Leser der früheren Romane bereits: Carl Brun, Schweizer Nachrichtendienstler und seit den Geschehnissen in „Das Attentat“ im eher erzwungenen Ruhestand. Abgefangene Telefonate alarmieren die Schweizer Behörden; es geht, so vermutet man, um weitestreichende Aktionen interessierter Seiten, damit freiheitliche Rechte der Bürger in Europa weiter eingeschränkt werden, wenn nicht ganz beendet. Brun lässt sich überreden, bei den Ermittlungen mitzuarbeiten, zudem einige vertraute Mitstreiter aus früheren Aktionen dabei sein sollen. Es dauert nicht lange, bis die Gruppe um ihn zum einen in Spanien eine brisante Entdeckung macht, zum anderen ereignen sich wenig später europaweit brutale Anschläge, die im Vorgehen an islamischen Terror denken lassen.

Immer wieder führen Fäden nach Berlin. Dorthin begeben sich bald auch Brun und seine Leute, sie versuchen, unentdeckt recherchieren und gegebenenfalls handeln zu können, was in der Jetztzeit allerdings so gut wie unmöglich ist.

Eine Handvoll Leute, allesamt mit allen Wassern gewaschene Experten in Technik, Logistik, Planung und Nahkampf, nimmt den Kampf auf gegen eine weltweit betriebene Machtübernahme durch Kreise, die ohne jeden Skrupel – selbst den eigenen Mitspielern gegenüber – konspirieren und handeln. Die komplexen Geschehnisse über 620 Seiten erlauben dem Leser keine Ruhe, es gibt keine Gewissheit, wie die Sache ausgehen wird. Falls sie überhaupt entschieden werden kann. Denn die gegnerischen Kräfte sind absolut ungleich verteilt.

ARES ist überall

Ich habe mich beim Lesern immer wieder bei dem Gedanken erwischt: So fiktiv diese erdachten Geschehnisse auch sein mögen – was daran ist eigentlich nicht real vorstellbar? Was von dem Geschilderten dürfte man leichtfertig abtun als Verschwörungsgeschichte? Sind „ARES“ und die darin erzählten Ereignisse wirklich noch weit hergeholt? Man bedenke mal: Im vorhergegangenen Roman „Das Attentat“ geht es um ein Virus, dessen Auftauchen weltweite, katastrophale Auswirkung haben kann. Erschienen vor anderthalb Jahren! Da dümpelte Covid-19 noch in einem chinesischen Reagenzglas oder meinetwegen im Darm einer Fledermaus. Und wer hat's „erfunden“? Die Schweizerin ...

„Literarische Fiktion nimmt oft mögliche bedrohliche Realitäten vorweg“, schreibt Robert Nef, Publizist und früherer Chefredaktor der Schweizer Monatshefte, in seiner Rezension von „ARES“ für die Wirtschaftswoche. Genau diesen Gedanken hatte ich beim Lesen ebenfalls. Denn mal abgesehen von der großartigen Unterhaltung, die der Thriller bietet: Er ist durchaus dazu geeignet, darüber nachdenken, wo – gedanklich und örtlich – man sich selber angesichts der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen der letzten Jahre positionieren möchte. Eine schottische Insel mag eine Option sein, aber so richtig weit weg ist das inzwischen auch nicht mehr. ARES ist überall.

Wie am Anfang erwähnt: Ich konnte ARES nur schwer aus der Hand legen, trotz verschachtelter – aber stets überschaubarer – Erzählweise, trotz zahlreicher handelnder Figuren – bei denen man lange braucht, um zu bewerten, wer die Guten und wer die Bösen sind – und trotz des Fehlens einer wirklich sympathischen Figur, mit der man sich identifizieren könnte, so wie früher mit James Bond. Immerhin: Carl Brun ist eine ehrliche Haut, seine Motivation ist ganz und gar ehrenwert, und seine Mitstreiter verdienen sich auch im Laufe der Dinge manchen Pluspunkt. Der Leser muss sich einfach davon frei machen, eine unkomplexe Welt zu erwarten, in der eindeutig zwischen Gut und Böse unterschieden werden kann. Bei Frank Jordans Thriller „ARES“ gibt es hingegen keine Zweifel: Das Buch ist nicht nur gut, es ist großartig.

„Ares: Kein Fall für Carl Brun“ von Frank Jordan, 624 Seiten, Paperback, 2020, Lichtschlag Medien und Werbung: Meerbusch, 24,90 Euro, hier bestellbar.

Foto: Pixabay

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Manfred Haferburg / 25.11.2020

Gleich bestellt, Danke

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Archi W. Bechlenberg / 05.03.2023 / 10:00 / 32

Comeback von „Fawlty Towers“?

Im englischen Badeort Torquay, sorgte ein gewisser Basil Fawlty als Hotelbesitzer, zuverlässig dafür, dass aus kleinstem Anlass ein größtmögliches Chaos entstehen konnte. Die Serie wurde…/ mehr

Archi W. Bechlenberg / 21.07.2022 / 14:00 / 21

Viva Carlos Santana!

In einer Zeit, als das Radio so gut wie nichts spielte, das uns interessierte, hörten wir im dunklen Keller die erste Platte von Carlos Santana.…/ mehr

Archi W. Bechlenberg / 20.07.2022 / 12:00 / 42

Die Gedanken sind Brei

Ich bin Passagier auf der Titanic. An Bord befinden sich eingeschleuste Piraten, im Osten hat ein riesiger Eisbär eine Insel plattgemacht. Nur die Passagiere der…/ mehr

Archi W. Bechlenberg / 25.04.2022 / 12:00 / 46

Nachhaltiger Montag!

Sie müssen wissen: der Begriff „Nachhaltigkeit“ in allen denkbaren Zusammenhängen ist zwischen Joshi und mir längst zu einem Running Gag geworden, und manchmal mailen wir…/ mehr

Archi W. Bechlenberg / 20.03.2022 / 10:00 / 52

Konflikte, Kasperle und Kokolores – Lauter Knall in Wuppertall 

Freund Joschi versteht es meisterhaft, Konflikten aus dem Weg zu weichen. Um nichts in der Welt wollte er mit mir essen gehen. Jedenfalls nicht dort,…/ mehr

Archi W. Bechlenberg / 13.03.2022 / 06:15 / 101

The lunatics are in the grass

Im Spätherbst 1972 zog ich auf einen alten Bauernhof, fernab jeglicher Hektik. Ich hatte ihn entdeckt bei einem Ausflug mit meinem ersten Motorrad, einer Dürkopp MD…/ mehr

Archi W. Bechlenberg / 09.01.2022 / 10:00 / 75

„O Gottogottogott!“ Donald Ducks Sprachwitz wird getilgt

So lange ich mich zurück erinnern kann, bin ich ein begeisterter Anhänger von Donald Duck. Zu meinen ersten Spielsachen in den 50er Jahren gehörte ein…/ mehr

Archi W. Bechlenberg / 12.12.2021 / 12:00 / 68

Handreichung für Unbotmäßige: Raymond Ungers „Impfbuch”

Spätestens jetzt, wo der Druck zunimmt (Stichwort Impfpflicht), ist es unerlässlich, umfassend informiert zu sein. Dazu sollte man „Das Impfbuch“ von Raymond Unger lesen. Wollte…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com