Ramin Peymani, Gastautor / 10.06.2021 / 06:25 / Foto: Pixabay / 91 / Seite ausdrucken

Grünes Licht für neue Notstands-Verlängerung

Als sich der Bundestag im vergangenen Frühjahr daran machte, das zwei Jahrzehnte zuvor zu ganz anderen Zwecken erschaffene Infektionsschutzgesetz zu ändern, schwante vielen Beobachtern nichts Gutes. Einige Verschärfungen später sehen die Kritiker ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt: Die Regierenden haben Gefallen am Notstand gefunden. Nun soll die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ erneut verlängert werden. Der bis zum 30. Juni geltende Notstand wird damit mindestens bis Ende September 2021 fortbestehen. Dazu muss der Bundestag abermals die Notlage feststellen. Zwar erhebt sich aus den Oppositionsreihen zunehmend Widerspruch, doch wird dies am Ende nichts nutzen. Eine Regierung verfügt per Definition über die nötigen Stimmen.

Dabei ist es grotesk, dass es zwar einer Zweidrittelmehrheit bedarf, um Änderungen des Grundgesetzes zu beschließen, aber nur der einfachen Parlamentsmehrheit, um per Infektionsschutzgesetz tiefgreifende Grundrechtseingriffe zu legitimieren. Dass sich diese Einschränkungen ausgerechnet auf jene Artikel des Grundgesetzes beziehen, die Ewigkeitscharakter haben, macht deutlich, wie weitgehend sich die Regierenden bereits unserer Demokratie bemächtigt haben. Das Infektionsschutzgesetz ist bewusst so gefasst, dass es keiner wissenschaftlichen Fakten bedarf, um sich an den verfassungsmäßig verbrieften Rechten der Bürger zu vergehen. Es reicht bereits die pure Annahme, dass „eine dynamische Ausbreitung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit über mehrere Länder in der Bundesrepublik Deutschland droht oder stattfindet“. Dies muss das RKI, das dem Bundesgesundheitsminister untersteht und ebenso gut von einem Zimmermann geleitet werden könnte wie von einem Tierarzt, lediglich behaupten.

Dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) überdies im Januar 2020 eine „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite“ ausgerufen hat, spielt den Notstandsfetischisten zwar in die Karten, ist für das Regieren per Dekret jedoch nicht einmal gesetzlich notwendig. Theoretisch könnte die WHO morgen die Notlage für beendet erklären, ohne dass dies Konsequenzen für den deutschen Notstand hätte. Fünfmal hatte die oberste Weltbehörde für Gesundheitspolitik übrigens vor Corona von ihrem schärfsten Schwert Gebrauch gemacht – und fünfmal handelte es sich um einen Fehlalarm. Neuester Grund für die Politik, die abflauende Pandemie zu befeuern, ist die indische Corona-Variante, die nun nicht mehr so heißen darf. Nachdem Südafrika, Brasilien und Großbritannien sich ein Jahr lang mit Mutationen in Verbindung bringen lassen mussten, deren behauptete Gefährlichkeit sich als falsch herausstellte, sind nun also die Inder dran. Die verbaten sich die Unverfrorenheit der Stigmatisierung durch dieselben polit-medialen Moralisten, die sich noch vor Jahresfrist auf Donald Trump gestürzt hatten, weil dieser vom „chinesischen Virus“ sprach.

Ein paar Wochen Öffnung?

Dass Indiens Variante ansteckender sein soll, fällt angesichts der fortschreitenden Immunisierung allerdings nicht besonders ins Gewicht, weil mit der höheren Infektiosität offensichtlich keine höhere Hospitalisierungs- oder Sterberate verbunden ist. Das zeigt auch der Blick in das Land, das als Rechtfertigung für den neu aktivierten Panikmodus gilt. Dort fallen die Zahlen der Neuinfektionen so schnell, wie sie gestiegen waren. Nur noch gut 100.000 Menschen pro Tag wurden zuletzt positiv auf das Virus getestet – bei einer Gesamtbevölkerung von 1,4 Milliarden. Die Quote der positiven Tests liegt dabei nur knapp über dem deutschen Niveau.

Ebenso rasant fällt in Indien die Zahl der an oder mit Corona Verstorbenen. Nach einer kurzen Phase schärferer Maßnahmen ist man im Riesenstaat schon wieder zu ersten Lockerungen übergegangen. So weit zur „hochgefährlichen Delta-Variante“, die bei nüchterner Betrachtung zur Panikmache nicht viel taugt. Dies interessiert die Lockdowner hier und anderswo natürlich herzlich wenig. Schon bastelt man an neuen Schimären, denen man das griechische Alphabet aufzwingen kann. Sich vereinigende Mutationen dürften bald die Nachrichten bestimmen. Doppelvarianten wären die logische Steigerung des Wahnsinns, nachdem die singulären Erregermutationen nicht halten konnten, was man sich von ihnen versprochen hatte.

Am Ende dürfte aber ebenfalls beim nächsten griechischen Buchstaben und beim übernächsten und auch danach wieder klar werden, dass die geschürte Panik ohne Grundlage war. So sind sie, die Viren: Sie mutieren, um leichter einen Wirt zu finden. Der Tod ihres Wirtes nutzt ihnen auf Dauer nichts. Zusammen mit der immer weiter fortschreitenden Immunität werden Viren also ungefährlicher. Die Bundesregierung ist dennoch fest entschlossen, den Notstand zu verlängern. Hauptgrund für das Vorhaben dürfte die Tatsache sein, dass sie ihre repressiven Maßnahmen ohne epidemische Lage nicht länger gesetzlich begründen könnte. Die Pandemie müsste in Deutschland folglich für beendet erklärt werden. Das will natürlich niemand in den Elfenbeintürmen der Koalition, und daher bleibt der Notstand auch ohne Notlage. Gut, dass zwischendurch Bundestagswahl ist. So dürfen wir uns in den nächsten zwölf Monaten wenigstens auf ein paar Wochen kompletter Öffnung freuen. Direkt vor dem Urnengang will man es sich mit dem Stimmvieh ja nicht verderben.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Ramin Peymanis Liberaler Warte

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Leserpost

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Martin Holzinger / 10.06.2021

@Klaus Müller, sind Sie doch tatsächlich ein Lockdown Fan. Seltene Spezies auf der Achse. Abgefahren. Es fühlt sich für mich schon fast wie ein Anachronismus an - Lockdown. Dies ist wahrscheinlich meiner Lektüre abseits von Lanzette & Co geschuldet. Ich finde es auf jeden Fall fantastisch, dass Sie den Weg auf diese Seite gefunden haben. Hoffentlich haben Sie ihre zweite Injektion noch nicht erhalten - überlegen Sie es sich doch noch mal! Reine Nächstenliebe. Gott schütze Sie.

T. Schneegaß / 10.06.2021

LOCUS online: die Abrissbirne lügt ihre Freude über die zurückgehende PLANdemie in die Mikrofone und prophezeit, dass im Sommer “Einiges” möglich sein wird. Aber Vorsicht, die Mutanten. Corona ist noch da. Weiß sie es nicht besser oder lügt sie bewusst auch hier? Corona-Viren sind Zoonosen, sie sind immer da und unausrottbar. Ich nehme auch hier das Zweite an.

S.Müller-Marek / 10.06.2021

Tut mir leid, mir sind die Superlativen, die meine Verachtung für dieses kriminelle Regime beschreiben sollen, ausgegangen! Alle schon aufgebraucht!

T. Schneegaß / 10.06.2021

@Klaus Müller: Es ist natürlich fatal, dass sich der Rest der Menschheit nicht nach Ihren Befindlichkeiten richten will und nicht Sie fragt, wie er leben darf. Sie Erzegoist scheinen der Ansicht zu sein, die Menschen haben ihr Leben nach Ihrer Vorerkrankung auszurichten. Wissen Sie, was ich glaube: Ihre schlimmste Vorerkrankung ist ein ins Absurde gesteigertes ego in Verbindung mit einer ausgeprägten Paranoia.

dr.goetze / 10.06.2021

@ Herr Nitsche: Chapeau für Ihre jedem einleuchtenden Worte - und das vierte “G” des Gruselkabinetts für den Zutritt muss ich mir merken: Gesund!

Thomas Brox / 10.06.2021

Das GG ist eine miese, obrigkeitsstaatliche Verfassung. Strickmuster: Zuerst wird ein Grundrecht pompös verkündet, danach wieder direkt ausgehebelt (Beispiel: Eigentum ist sozialpflichtig) und/oder durch Gesetzesvorbehalt ausgehebelt (Näheres regelt eine Gesetz). Weiterhin gibt es spezielle Artikel zur universellen Annullierung der Grundrechte. Insgesamt schwammig, inkonsistent, aufgedunsen. Bisher 63 Änderungen von 253 Artikel - das stinkt zum Himmel. ++ Zum Vergleich diesmal nicht die US-Verfassung, sondern die japanische Verfassung. Eingabe Google: “Änderung Verfassung Japan”. Ergebnis: “Die japanische Verfassung lässt sich nur schwer ändern. Nach Artikel 96 wird eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Oberhaus und Unterhaus benötigt sowie eine Volksabstimmung, bei der eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen notwendig ist. Daher ist die Verfassung seit ihrem Erlass noch nie geändert worden.” In Japan ist also u.a. eine VOLKSABSTIMMUNG notwendig. Sind die Japaner intelligenter?

Klaus Müller / 10.06.2021

@Steffen Huebner offensichtlich konnte ich Ihnen nicht rüberbringen, was ich meine: wenn ich Abstand halten *will*, Sie aber denken es sei nicht nötig, wann wird für mich alles nur noch schwieriger. Ich *will* Abstand halten weil ich es für meine Gesundheit für nötig halte, nicht wegen irgendwelcher Verordnungen. Die sind mir ehrlich gesagt Wurscht. Ich will mich selbst und meine Verwandtschaft schützen, die sich derzeit nicht selbst so schützen kann. Das wird mir aber durch diese - wie ich meine frühzeitigen - Lockerungen schwierig bis unmöglich gemacht. Das hat nicht mit Merkel oder sonstwem zu tun. Ich erwarte ja nicht, dass Sie Abstand halten, wenn die Verordnung das nicht sagt, aber es wäre schön, wenn Sie anerkennen könnten, das es für manche Mitmenschen schwieriger wird. PS. Vermutlich habe ich im letzten Jahr mehr im Lancet &Co; gelesen als die meisten hier. Ich medizinisch nicht ungebildet und habe mich selbst informiert. Drosten & Co sind mir in diesem Zusammenhang egal.

T. Schneegaß / 10.06.2021

@Jochen Schmidt: Genau so ist der Plan, da kann man sein Vermögen als Wetteinsatz bieten. Wegen den 3 Monaten Juli, August und September lohnt der Abstimmungsaufwand unserer Volksverräter nicht. Immer wenn ich Familien mit kleinen Kindern sehe, was früher schöne, hoffnungsvolle Momente bedeuteten, frage ich mich heute, ob die Eltern auch nur annähernd ahnen, dass ihr Nachwuchs ein Leben, nein, eine Existenz, im Notstand führen wird? Die regierenden Verbrecher jedenfalls werden ihn nicht beenden, ob es irgendwann einmal das Volk tut, ist wohl kaum anzunehemen. Es wird immer neuen Apokalypsen glauben.

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