Der 38. Evangelische Kirchentag in Nürnberg bot dem politischen Zeitgeist eine große Bühne. Und eine bizarre Schlusspredigt setzte dem woken Wahn die Krone auf. Eins steht fest: Grüner wird’s nicht.
Um Gott ging es nur am Rande, auch wenn die rot-grünen Veranstaltungen hin und wieder unangenehm durch Gottesdienste, Gebete und Andachten unterbrochen wurden. „Wenn Kirche sich hochpolitisch zeigt“, jubelte das ZDF. Auf den Podien saßen Aktivistinnen wie Luisa Neubauer von „Fridays for Future“ und Carla Hinrichs von der „Letzten Generation“ sowie Politiker wie Scholz, Habeck, Baerbock, Schwesig, Göring-Eckardt, Gauck und Kretschmann, und sie alle brachten ihre Argumente für ihre politischen Anliegen vor: „Klimaschutz“ und „Gerechtigkeit“, „Antirassismus“ und „Willkommenskultur“ und natürlich „trans“ und „queer“ – allein zu den letztgenannten Themen zählte die NZZ satte 35 Veranstaltungen und „mehr Gendersternchen als Teilnehmer mit Migrationshintergrund“.
Selbstredend durfte auch der Ukraine-Krieg nicht fehlen, wobei der Pazifismus früherer Tage inzwischen einer freudigen Bereitschaft zur Lieferung von Waffen gewichen ist – dafür warben unter anderem Kanzler Scholz und der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer. „Frieden schaffen ohne Waffen“ war gestern.
Insgesamt pilgerten etwa 70.000 Besucher nach ihrem vegetarischen Frühstück (die Veranstalter des Kirchentags hatten zum ersten Mal in den Gemeinschaftsquartieren ein ausschließlich fleisch- und wurstloses Frühstück angeboten) in Klettsandalen zu der fünftägigen Veranstaltung, um sich einmal mehr das anzuhören, womit sie vom Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk rund um die Uhr genudelt werden – und zahlten sogar Eintritt dafür. Sie erlebten unter anderem einen salbungsvollen Vortrag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und einen Gottesdienst, bei dem die Predigt von einer künstlichen Intelligenz geschrieben und von einem Avatar vorgetragen wurde – wobei wahrscheinlich nicht der geringste Unterschied zum Steinmeier-Auftritt festgestellt werden konnte.
„Gott ist queer!“
Einem Pastor aus dem ostfriesischen Wiesmoor war es beschieden, beim Abschlussgottesdienst einen bizarren Schlusspunkt unter den als Kirchentag getarnten Grünen-Parteitag zu setzen. Der in Südafrika aufgewachsene, leicht an Whoopi Goldberg gemahnende Geistliche und Aktivist (Eigenbezeichnung) mit dem klingenden Namen Quinton Ceasar fasste noch einmal alle grünen Anliegen zusammen. Die Gläubigen sollten sich von Traditionen, Herkunft und „Hetero-Normativität“ lösen. Es sei „Zeit, sich an die befreiende Liebe von Jesus zu kleben“. „Wir sind alle die Letzte Generation!“, rief der Pastor, der bei seiner absonderlichen Predigt überraschenderweise keine orangefarbene Warnweste trug, den rund 18.000 Kirchentags-Besuchern auf dem Nürnberger Hauptmarkt zu.
Es gelte, sich für die Rechte von Behinderten einzusetzen und gegen die Diskriminierung von Homosexuellen zu kämpfen, meinte der Tor des Monats, der offenbar immer noch annimmt, dass es Behinderte und Schwule hierzulande richtig schwer haben. Gott sei immer auf der Seite derer, die am Rand stehen und nicht gesehen werden, was man als bemerkenswerte Solidarisierung mit der AfD und ihren Wählern interpretieren könnte, aber so wird es Quinton Ceasar nicht gemeint haben. Außerdem rief er zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer auf beziehungsweise dazu, diese zwecks lebenslanger Vollversorgung nach Europa zu verbringen.
Auch die letzten woken Anliegen adressierte der Pastor noch: „Jetzt ist die Zeit zu sagen: Black lives always matter!“ (white lives nicht?), und, noch besser: „Jetzt ist die Zeit zu sagen: Gott ist queer!“ Jedoch – wenn Gott queer ist, warum steht dann in der Bibel (1. Buch Moses, 1,27): „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.“? Wäre interessant zu wissen, ob Quinton Ceasar die Bibel überhaupt gelesen hat und nicht nur das grüne Parteiprogramm und „Der kleine Prinz“.
Hier drängt sich die Frage auf, was Jesus zum 38. Evangelischen Kirchentag gesagt hätte. Für dieses durch und durch politisierte Happening der Selbstgerechten ist er gewiss nicht am Kreuz gestorben. Wahrscheinlich hätte er das Podium gestürmt wie weiland die Esplanade des Tempelbergs.
Der nächste Evangelische Kirchentag findet 2025 in Hannover statt. Aber grüner wird’s nicht mehr. Niedersachsens Landeshauptstadt wirbt dafür übrigens mit dem Slogan #hannoverlieben – und das ist nun wirklich auch für duldsame Christenmenschen zu viel verlangt.
Claudio Casula arbeitet als Autor, Redakteur und Lektor bei der Achse des Guten.