Gedenkfeiern: Merkels Spaltungs-Rhetorik

Die ewig selbe Phrasendrescherei vom „Nationalismus“ erhält inzwischen die Qualität eines täglichen Stundengebets. Merkel benutzte jetzt die Gedenkfeier zum Ende des Ersten Weltkriegs, um vor der Gefahr für das „europäische Friedensprojekt“ wegen angeblichem „nationalen Scheuklappendenken“ und „Rückfall in den Nationalismus“ zu warnen.

„Nationale Selbstherrlichkeit“ ignoriere die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Ländern: „Wir sehen doch, dass internationale Zusammenarbeit, friedlicher Interessenausgleich, ja selbst das europäische Friedenswerk wieder infrage gestellt werden“, beklagte die Bundeskanzlerin. 

Merkel und ihre Hofpresse schüren mit ihren destruktiven Erzählungen irrationale Ängste und falsche Geschichtsschreibung. Tatsächlich stellt kein Mensch das europäische Friedenswerk infrage. Das ist eine – im Sinne eines vereinten Europa – hochgradig ärgerliche Falschdarstellung. Wenn Österreich, Visegrad-Staaten und zunehmend weitere EU-Länder im Dienste ihrer Bevölkerung von ihrer Souveränität Gebrauch machen, dann sind sie es, die sich um den – weiter von Merkel plattitüdenartig beworbenen – Erhalt der Regeln der Vereinten Nationen bemühen.

Man erinnere sich etwa an die von der Generalversammlung 1999 verkündete „Erklärung über eine Kultur des Friedens“ mit ihrer Forderung nach uneingeschränkter „Achtung der Grundsätze der Souveränität, der territorialen Unversehrtheit und der politischen Unabhängigkeit der Staaten und der Nichteinmischung in Angelegenheiten, die ihrem Wesen nach zur inneren Zuständigkeit eines Staates gehören“. 

Eine kindische Diffamierungskultur

Der außerdem erforderliche partizipatorische und dialogfördernde Prozess, um „Konflikte in einem Geist des gegenseitigen Verständnisses und der Zusammenarbeit“ beizulegen, wird gerade von Merkel und ihrem „Freund“ Macron konterkariert, wenn sie eigenständig agierenden Staaten „nationale Selbstherrlichkeit“ unterstellen und damit diplomatische Wege zugunsten einer kindischen Diffamierungskultur aufgeben. Solche Spaltungsrhetorik können höchstens noch die aggressiv an die europapolitische Allmacht strebenden Grünen toppen: „Nationalisten können nicht solidarisch sein.“ Ein hinterher geworfenes „Europa bedeutet miteinander, nicht gegeneinander“ veranlasst den mitdenkenden Leser maximal dazu, sich an die Stirn zu tippen.

Die selbstherrliche Entscheidung der Bundeskanzlerin, den Gedenktag am 11. November künftig jedes Jahr für eine „Art Messe des Multilateralismus“ zu instrumentalisieren, geht ebenfalls völlig an der Sache vorbei. Während nämlich Deutschland und Frankreich lediglich dem Bilateralismus frönen und nur dann zum Multilateralismus bereit sind, wenn sich andere Länder ihren machtpolitischen Egoismen andienen und unterwerfen – was letztlich wegen des Prinzips der Verhandlung auf Augenhöhe auch kein Multilateralismus wäre –, sollten sich die verantwortlich regierten EU-Länder bereit halten, bei fortschreitender Aggression seitens der beiden großmannssüchtigen EU-Piraten und ihrer Hofpresse im Sinne tatsächlichen Multilateralismus tätig zu werden: In einem System kollektiver Sicherheit „wird die Aggression eines Staates gegen einen anderen als Aggression gegen alle aufgefasst und erfordert somit eine kollektive Antwort“.  

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Susanne Baumstarks Luftwurzel 

Foto: Bundesregierung/Bergmann

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P.Steigert / 13.11.2018

Prahlerische Schlangenölverkäufer erfinden ominöse Krankheiten und machen den naiven Großstadthippies (und nicht den Dorfbewohnern) Angst vor Pestilenz und Verdammnis. Die EU ist auch schon fast wie Scientology. Oder eine Kirche der Heiligen der letzten Tage des großen Europas. Es widert einen nur noch an.

Rolf Lindner / 12.11.2018

Das Phrasengedresche der Bekenntnissen zu Multikulti, offenen Grenzen, Multilateralismus und sonstigen Multis erinnert sehr an die Bekenntnisse, die man in der DDR zu Frieden, Sozialismus und Völkerverständigung abzugeben hatte, bei analoger Inhaltsleere. Kein Land ist zur Zeit nationalistischer als Deutschland an dessen Wesen wieder einmal die Welt genesen soll.

W.Schneidet / 12.11.2018

Mir fällt jedenfalls auf, dass der Präsident der französischen Republik ein, wenn auch dezentes, aber doch deutlich sichtbares Abzeichen seiner nationalen Herkunft trägt. Ein Abzeichen, das ich bei der Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland nicht erkennen kann. Ein Präsident, der deutlich und selbstbewusst seine Nation vertritt, redet von Entnationalisierung? Haben die deutschen Medienvertreter doch etwas in ihrem Wahn nicht richtig mitbekommen?

Anders Dairie / 12.11.2018

Frankreich hatte nach der gescheiterten Nivelle-Schlacht 1917 den I. Weltkrieg faktisch verloren.  Dutzende französische Regimenter meuterten, demoralisiert, mit der Waffe in der Hand.  Die französische Heeresleitung erwog Massenerschießungen.  Ähnliches gab es im deutschen Heer nicht.  Amerika hat nach Landung von US-Truppen und Kriegsmaterial unter Gen. Pershing noch 1917 neue Hoffnung gebracht.  Amerika hat vorfristig, man rechnete erst 1919 fertig zu sein,  unter schweren eigenen Verlusten die franz. Armee   (die britische gleich mit)  wieder stabilisiert.  Sodass der deutschen Frühjahrsoffensive 1918   (die letzte große)  standgehalten wurde.  Amerika hat Frankreich auch im II. Weltkrieg den nationalen Bestand gerettet.  Es ist eine Frechheit und Geschichtsvergessenheit son-dergleichen den Presidenten der USA im Jahr 2018 über Nationalismus belehren zu wollen—und zur Gedenkfeier als Zaungast zu behandeln.  Es ist der Versuch dem Mann zuhause politisch zu schaden.  Das gerät zur Mißachtung amerikanischer Kriegsopfer.  Merkel + Macron haben damit ohne Not ihren Staaten Scha-den zugefügt.  Die deutsche Öffentlichkeit hat den Vorgang offenbar nicht bemerkt.  Das wird Folgen haben.

Christa Blessing / 12.11.2018

Jöööh. herzig, die zwei, wie sie sich da Händchen haltend trösten und sich gegenseitig versichern wie grundschlecht alles ist, was die Buchstaben N-A-T-I-O-N beinhaltet. Frankreich trauert zwar immer noch dem Zustand nach, eine oder sogar DIE Grand Nation gewesen zu sein. Aber nur im stillen Kämmerlein. Denn es nützt alles nichts, die Zeiten Napoleons sind vorbei. Nie wieder “Frankreich über alles,” Herrscher über ganz Europa.! Trotzdem stellt Frankreich ganz selbstverständlich vor allem französische Interessen ins Zentrum seiner Politik. Aber solange Merkel brav mittut, können die beiden ja von “Multi-” was auch immer reden und die Europäer als “Nationalisten” abtun und tadeln, die weniger heuchlerisch ganz offen AUCH nationale Interessen vertreten. Merkel ist da eisern: So etwas gibt es bei ihr nicht. Auch in Punkto Symbolik bleibt sie eiskalt konsequent: bei ihr würde niemand jemals eine kleine nationale Flagge im Knopfloch sehen, wie Trump sie trägt oder auch Macron und viele andere. In DE ist das unerwünscht. Soll man nun darüber lachen oder weinen?

E. Thielsch / 12.11.2018

Frankreich ist kein bilateraler Partner. Frankreich ist unilateral. Deutschland darf Frankreich unterstützen, doch nicht die Führungsrolle gefährden. Da ist Macron nicht anders als Mitterand, der der vehementeste Gegner der deutschen Wiedervereinigung war (Neben Margareth Thatcher, nebenbei bemerkt) weil er fürchtete, Deutschland könne vereint Frankreich den Rang der ‘natürlichen’ europäischen Führungsmacht streitig machen. Da steckt tief in den politischen Genen noch die ‘Grande Nation’ Napoleons. Das äusserlich gute Verhältnis zu Frankreich hat sich Deutschland teuer erkauft, mizt dem Euro beispielsweise, denn der war eine Bedingung für die Zustimmung zur Einheit, das erklärte Ziel war Deutschland zu knebeln. Frau Merkel ist der ideale Partner eines hegemonialistischen Frankreichs, denn ihre Europa-Politik beschränkt sich aufs Zahlen der Rechnungen, aber Impulse gehen von Deutschland nicht aus. Sie ist keine Konkurrenz. Und nun, da Großbritannien ausgetreten ist, steht Frankreichs Grandeur überhaupt nichts mehr im Weg.

Wiebke Lenz / 12.11.2018

Ich bin der Auffassung, dass der Mensch als soziales Wesen soziale Strukturen benötigt. Sei es in der Familie im kleinen Maßstab oder eine Nation im größeren, da Nationen identitätsstiftend sind und deshalb eine bedeutende Rolle spielen. Rein hypothetisch nehme ich jetzt jedoch als Fakt an, dass die EU (nicht Europa - wer von Europa redet, meint entweder den Kontinent oder die mythologische Figur) unabdingbar ist. Nun wird darauf hingearbeitet, dass in der EU alle eine politische Marschrichtung verfolgen und die Souveränität der Staaten nicht nur eingeschränkt, sondern abgeschafft wird. (Was seltsamer Weise bei Steuern nicht möglich ist, was ich sogar gutheiße, bei der “Flüchtlingsproblematik” jedoch unabdingbar sein soll.) Wenn es also im Endeffekt den großen EU-Staat - oder auch die “Europäische Republik” - gibt, stehen wir genau wieder am Anfang: Es ist nationalistisch. Ebenso wird der wirtschaftliche positive Effekt gerne in den Vordergrund gerückt, da eine starke EU eine starke wirtschaftliche Kraft bedeutet. Jedes Land könne sich nicht einzeln durchsetzen. (Hier möchte ich nicht falsch verstanden werden - wirtschaftliche Zusammenarbeit halte ich für unwahrscheinlich wichtig.) Dies wäre dann im großen Stile protektionistisch, dies wird bei den Vereinigten Staaten (man beachte den Föderalismus dabei!) angeprangert. Nicht zuletzt wurde auch gerade von den Schöpfern des Grundgesetzes auf den Föderalismus und die Gewichtung von Bundestag und Bundesrat geachtet. Der große starke “Staat” EU kann neben viel Segen auch viel Leid bringen. Und in dieser Größenordnung und den unterschiedlichen Auffassungen in den verschiedensten Dingen zwischen den Regionen wird es umso schwerer für den Einzelnen und auch für die hypothetisch angenommene Regierung. Auch hier spielen unterschiedliche Kulturen eine Rolle, wenn auch nicht so gravierend wie anderweitig allgegenwärtig.

Horst Ziegler / 12.11.2018

Herr Macron muss noch viel lernen. Er hat bei der Rede Merkels nicht aufgepasst und trägt daher immer noch die Nationalfarben seines Landes am Revers. Wann werden die Franzosen endlich schlauer?

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