Journalisten lieben Texteinstiege mit einer symbolischen Szene. Mir wurde eine solche heute gleich beim Eintreten in den Park des Schlosses Bellevue serviert. Dort trifft sich zwei Tage lang die Elite des deutschen Umweltschutzes. Daimler, Deutsche Bank, Lufthansa und 197 andere Ökobetriebe haben im Schlossgarten ihre Zelte aufgebaut, um zu zeigen, wie sie den Planeten retten. Als ich also durch die Sicherheitskontrolle gehe, kommt mir ein Fuchs entgegen. Das schmale Tier im kurzen Sommerpelz ist von dem Geschehen im Park offensichtlich genervt. Diese Metapher kann ich mir nicht verkneifen: Die Öko-Industrie kommt, die Natur geht.
Die Feier beim Bundespräsidenten zur Woche der Umwelt hat sich trotz dieses Jahrmarkts der grünen Lobby und Subventions-Abzocker gelohnt. Schon wegen der Rede von Gauck. Es war eine der vernünftigsten Ansprachen zu diesem Thema, die ich von einem Politiker bisher gehört habe. Keine apokalyptischen Szenarien, keine kitschige Öko-Prosa, dafür ein paar Sätze, die dem Publikum im Halse stecken blieben. Ein Aufruf, auch mit Umwelt- und Klimafragen vernünftig und sachlich umzugehen.
Gauck bezeichnete die „Energiewende“ als „ein ehrgeiziges Projekt, das sich Deutschland als führende Industrienation vorgenommen hat.“ Er fuhr fort: „Es wird uns nicht gelingen allein mit planwirtschaftlichen Verordnungen. Schon gar nicht mit einem Übermaß an Subventionen…Es gibt keinen besseren Nährboden für neue Ideen und Problemlösungen als eine offene Gesellschaft mit offenen Märkten und freiem Wettbewerb … Marktwirtschaftliche, wachstumsfreundliche Umweltpolitik heißt für mich, dass Kosten für Umweltbelastungen und Umweltrisiken den Verursachern in Rechnung gestellt werden und nicht den Steuerzahlern.“
Auch folgender Satz wird vielen Zuhörern nicht sonderlich gefallen haben: „Nachhaltigkeit bedeutet nicht Beschränkung oder Verzicht, sondern Verantwortung und Vernunft.“ Gauck schloss seine Ansprache mit einem Aufruf zum „nachhaltigen Fortschritt“.
Bemerkenswert auch, dass er bei einer Aufzählung derer, die für eine bessere Umwelt gebraucht werden „Wissenschaftler und Ingenieure“ an erste Stelle setzte. Das Thema „Klima“ tauchte im hinteren Teil der Rede kurz auf, mit einem erstaunlich vorsichtigen Satz: „Führende Klimaforscher warnen, dass eine folgenschwere Erderwärmung kaum mehr zu bremsen ist.“
Vermutlich lag dieser zurückhaltende Hinweis auf das Klima nicht nur daran, dass die Menschen im Schlosspark bei 12 Grad Mittagstemperatur im Juni froren und teilweise in Daunenjacken gekleidet waren.
Noch vor einem Jahr war der Klima-Sound im Berliner Polit-Sprech ein ganz anderer. Da hieß es unentwegt „DIE Klimaforscher“ oder sogar „DIE Klimaforschung“ lasse „keinen Zweifel“, dass die große Erwärmung komme. Jetzt sind es nur noch die „füh-renden Klimaforscher“, die „warnen“. Ein diplomatischer Rückzug vom Allparteien-Dogma.
Interessant auch, dass Hubert Weinzierl (Deutsche Bundesstiftung Umwelt) in seiner Rede ebenfalls nicht das Klimathema in den Mittelpunkt rückte, wie noch vor Kurzem bei solchen Veranstaltungen üblich. Er erwähnte es lediglich in einer Reihe von vier großen globalen Problemen. Die anderen waren Ressourceneffizienz, Naturverlust und die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung.
Das riecht nach einem Abschied vom Klima als beherrschendem Öko-Thema. Ein Schelm, wer dabei daran denkt, dass Deutschland bei der Energieversorgung nun wieder vermehrt auf fossile Brennstoffe setzt, da der hastige Atomausstieg keine andere Wahl lässt.
Die Wiese hinter dem englischen Rasen, auf dem man feierte, ist übrigens sehr schön und reich an Wildblumen. Übermorgen wird sich auch der Fuchs wieder dorthin zurück trauen. Vielleicht findet er noch ein paar Zipfel von der Öko-Currywurst.