Wolfgang Röhl / 30.06.2019 / 06:25 / Foto: Bundesarchiv / 38 / Seite ausdrucken

Fünf-Sterne-Journalismus. Die FAZ auf den Malediven

Konferenz im Ressort Freizeit und Reise einer großen deutschen Qualitätszeitung.

Ressortleiter: „Ich hab hier das Angebot für eine Pressereise auf die Malediven. Wollen Sie da hin, Kollegin? Sie knipsen doch auch immer so hübsche Fotos.“

Redakteurin: “Sehr gerne! Allerdings... Direkt klimaneutral sind solche Trips ja nicht. Frankfurt-Malé und zurück, macht fast 16.000 Flugkilometer. Und die ‚Zeit’ hatte doch gerade das Thema ‚Reisen ohne Reue’ auf dem Titel...“

Ressortleiter: „Keine Sorge, wir quälen das Stück ein bisschen auf Klimakrise. Ansteigen des Meeresspiegels, Meerwassererwärmung, Korallensterben und so. Titel: ‚Das bedrohte Paradies’, da kann keiner meckern.“ 

Wir von der Achse wissen nicht, ob sich das Ganze irgendwo so abgespielt hat. Was wir wissen, ist dies: Am 5. Juni erschien in der FAZ ein reich bebildertes Stück unter der Headline „Das fragile Paradies“. Darin besingt Redakteurin Andrea D. die ewige Schönheit der „Inselchen und die Atolle, die ringförmigen Riffe, die sich himmelblau bis tieftürkis um dunkelgrün bewucherte Landflecken ringeln, die von grellweißen Stränden gesäumt werden.“

Frau D. schwärmt speziell vom Luxushotel „Amilla Fushi“ auf einer Insel im Baa Atoll, wo man bunt & vielfältig urlauben und futtern kann: „Italienisch im ‚Barolo Grill’, mit Salat- und Dessertbuffet im ‚Emperor Beach Club’, panasiatisch im ‚Wok’, fischlastig im ‚Fish & Chips. Im ‚Feeling Koi’, dem feinen japanischen Restaurant, ist gerade ein Gastkoch aus Hokkaido am Werk und hat ein Degustationsmenü zusammengestellt. Außerdem gibt es an der Bar mehr Sorten Gin aus aller Welt, als man auch als ambitioniertester Trinker in einer Woche verkosten kann.“ 

Da möchte man Gast sein in den „großzügigen weißen Gästevillen“, die „im Gegensatz zu den meisten anderen Resorts nicht im Strohdach-Bambus-Look daherkommen, um sich an eine einheimische Architektur anzubiedern, die es so nicht mehr gibt.“

Wunderschöne Fotos aus der Kamera der Redakteurin säumen ihren enthusiastischen Text; Aerial Views, gestylte Bilder von Edelbungalows und im Wind schaukelnden Hängematten. Erstklassige Reisekatalogfotografie, komplettiert durch zugekaufte Agenturbilder, welche quietschbunte Tropenfische zeigen.

Aber halt, da muss doch noch ein Tröpflein Wasser in den Gin-Tonic! Was ist denn jetzt mit der Bedrohung des Paradieses? Ja, die Andrea hat leider auch abgestorbene Korallen gesehen, Opfer der weltweiten Korallenbleiche von 2016. Zum Glück wächst so ein Riff immer wieder nach, weiß sie, „doch was, wenn es die Gelegenheit dazu nicht bekommt? Derzeit deutet alles darauf hin, dass sich das Meer immer häufiger kritisch erwärmt, dazu kommen weitere Stressfaktoren wie Überfischung oder Giftstoffe.“

Gottlob sind die Leute auf den Malediven total umweltbewusst. Andrea jedenfalls hat in ihrem fragilen Paradies „in einer Woche kein Einwegplastik gesehen.“ Ähnlich begeistert äußerte sich kürzlich auch die niedliche Influencerin Jodie C., die von der Insel Laamu melden konnte, dass dort Altplastik zu Ziegelsteinen recycelt wird. Auch beschäftigen – so liest man es wiederum in der FAZ – manche Resorts Meeresbiologen, die Gutes für die Umwelt bewirken. Zum Beispiel zählen die taffen Jungs Schwarzspitzen-Riffhaibabys und leiten die Daten an Universitäten weiter. Nicht auszudenken, würde dieses Material der Forschung fehlen! 

Kurz, der Tourismus im Fünf-Sterne-Sektor ist möglicherweise gar nicht so übel für unseren überhitzten Planeten. Maldives for future! Da ist ein kleines Dankeschön fällig am Artikelschluss, wo Resorthotel, Fluggesellschaft, Reiseveranstalter und Preise aufgeführt werden (1 Woche ab 3.500 Euro in der Nebensaison).

Wir haben noch ein paar weitere Infos im Reisegepäck. Erstens, die Malediven denken gar nicht daran, unterzugehen. Dieses Horrorszenario hatten Malediven-Politiker vermeintlich clever ausgeheckt, um schon mal Geldforderungen an die Klimaschurken im Westen vorzubereiten. Der nach Knast und Exil kürzlich wundersam an die Macht zurückgekehrte Präsident Mohamed Nasheed war es, der schon vor zehn Jahren mit seinem Kabinett buchstäblich auf Tauchstation ging und ein medienwirksames Spektakel namens „SOS von der Front“ veranstaltete. 

Doch davon ließ man bald wieder ab. Denn die „Weltgemeinschaft“ („Spiegel“) zeigte sich nicht sonderlich zahlungswillig, und das Alarmgeschrei des „Unterwasser-Obama“ („Spiegel“) drohte Investoren zu vergraulen. Der Luxustourismus auf den Malediven brummt ja nur, solange ausländische Hotelkonzerne ihn mit Know-how und qualifiziertem, importiertem Hotelpersonal in Gang halten. Aus sich heraus stemmt der streng islamische Inselstaat nichts, abgesehen von etwas Fischerei und dem – gemessen an der Einwohnerzahl von ca. 350.000 – zeitweise stärksten Kämpferkontingent auswärtiger Terroristen im Nahen Osten. Malé, die grotesk überfüllte Hauptstadt des Archipels, beherbergt auch viele Judenhasser. Grafitti gegen Israel zieren so manche Wand.

Zweitens. Der Müll, den die FAZ-Autorin in ihrem Touri-Resort zu ihrer Freude nicht fand, ist nicht weg, er ist bloß woanders. Auf den sogenannten Einwohnerinseln zum Beispiel, wo keine Luxushotels stehen. Ein paar von den local islands sind seit einigen Jahren für Touristen geöffnet. Welche die „echten“ Malediven preiswert bereisen können, dafür allerdings auf Alkohol und Komfort verzichten müssen. 

Maafushi, eine Drehscheibe für Backpackers, zerfällt, wie die meisten Einwohnerinseln, in drei Zonen. Hinter dem Hafen und den penibel aufgeräumten Wohnquartieren, wo schwarzverschleierte, keineswegs scheue Frauen auf ihre Samsung-Handys gucken, gibt es einen Äh-Bäh-Bereich am Meer. Dort wummert der Dieselgenerator, qualmt der Müll vor sich hin. Und selbst auf dem winzigen Fulidhoo – 400 Einwohner, in 45 Minuten zu umrunden – türmen sich unter Palmen am türkisblauen Wasser Plastiktüten, Zigarettenpackungen, Wasser- und Cola-Flaschen, ausgediente Flip-Flops. Gelegentlich gehen die nicht eben überarbeiteten Einheimischen auf Müllpatrouille, sagen sie. Aber wohl nur ganz gelegentlich.

Drittens. Es wirkt, liebe FAZ-Redaktion, ebenso verdruckst wie verlogen, wie ihr eure Fernreisetipps für Bestverdiener in grüner Verpackung anbietet – „fragiles Paradies“ und derlei Schmonzes. Wer nämlich der Church of Global Warming angehört und somit auch festen Ernstes glaubt, weniger Flugverkehr hülfe die Welt retten, der nimmt euch den Quatsch eh nicht ab. Wie kommt man denn auf die Malediven? Im knallroten Gummiboot? Oder besser mit einem Aeroplan der Gesellschaft Condor, die ihr am Ende eures Stückes freundlicherweise erwähnt? 

By the airway: Wir haben die FAZ am 12. Juni per Mail gefragt, ob die Traumreise ihrer Redakteurin gänzlich oder teilweise von Fluggesellschaften, Hotelbetreibern oder Reiseveranstaltern gesponsert wurde. Die Londoner „Sunday Times“ praktiziert eine derartige Transparenz seit vielen Jahren. Influencer wie die erwähnte Jodie sowieso. Sogar manche deutsche Blätter tun das, sofern sie noch auf etwas Seriosität Wert legen. Sie merken dann zum Beispiel irgendwo kleingedruckt an: „Die Reise wurde unterstützt von XY.“

Leider erhielten wir keine Antwort. Vielleicht ist die FAZ gerade schwer damit beschäftigt, ein anderes Paradies in all seiner ökologischen Zerbrechlichkeit vorzustellen? Die Seychellen? Die Bahamas? Die Hallig Hooge? Wir sind gespannt.

PS: Ein FAZ-Leser, dem die Malediven offenbar piepegal sind, kommentierte den Artikel herzlos so: „Die Malediven gehen sowieso unter. Entweder weil die Touristen aus aller Welt dorthin jetten und deshalb das Klima wärmer wird (das wäre die grüne, verkürzte Argumentation), oder weil das Fliegen verboten wird und ohne Touristen ist dort Sense mit Arbeitsplätzen und man geht weg, so wie man wegen des Tourismus herkam.“

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Leserpost

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Julian Schneider / 30.06.2019

Schon in den 90er jahren sollte es einen Prozess geben, weil ein Inselstaat die USA wg. Untergangs verklagen wollte. Zu dem Prozess kam es nie. Auch der Inselstaat ist in den vergangenen 30 Jahren nicht untergegangen. Mein Lesetipp: “Welt in Angst” von Michael Chrichton. Der hat nämlich (wie immer) akribisch recherchiert, wissenschaftlich in Fußnoten dargelegt und alles in einen Thriller verpackt. Wikipedia schreibt dazu: “Tatsächlich zeige die Lektüre deutlich, dass Crichton auf gängige Pseudoargumente von Klimaskeptikern reingefallen sei.” Also eine glatte Leseempfehlung.

H.Milde / 30.06.2019

Es gibt auf YT einen Beitrag, in dem ein Paar aus der CH bei einer “Paar/Trauunungs/Zeremonie” auf den genannten Mal (franz. = schlecht!)-ediven von den rechtläubigen Veranstaltern/Zeremonienmeistern mit “passenden” -nur leider nicht für sie verständlichen- Worten, bedacht werden. Guckstu, kotzdu.

Gerald Schwetlik / 30.06.2019

Die gute alte FAZ versinkt immer tiefer in der Bedeutungslosigkeit. Kritische Journalisten werden wohl am Tor abgewiesen, wie bei all den anderen gleichgeschalteten Medien auch. Man folgt der einfachen Formel: kritisch = rechts! Die Malediven versinken nicht, aber die eine oder andere Milliarde der EU wird dort laufend versenkt. Für einen islamischen Terrorstaat und eine Umweltsauerei vor dem Herren. Aber wen kümmert das, außer ein paar rechte (kritische) Journalisten! Die Korallen versauern und werden nicht totgetrampelt, für den Flug kaufen wir ein Zertifikat und Müll wird dort zu Parkbänken. Die glauben das alle wirklich. Die Malediven haben mittlerweile zwei Müllinseln, weil man die erste nicht weiter vergrößern konnte. Den sieht man genauso wenig wie den Abraum und die Dürre, die Lithium Minen für den Bau der klinisch sauberen Batterien hinterlassen. Schon die Bibel kritisiert den Menschen für seine Verlogenheit und ist damit fortschrittlicher als die FAZ.

Jan Kandziora / 30.06.2019

Interessant ist doch eigentlich nur die Frage, wer zuerst untergeht: Die Malediven oder die FAZ? Ich tippe ja auf letzteres.

Sepp Kneip / 30.06.2019

Was soll man eigentlich viel dazu sagen. Man muss sich nur das Buch von Udo Ulfkotte „Gekaufte Journalisten“  zu Gemüteä führen. Übrigens eine vorzügliche Urlaubslektüre. Sie werden bald merken, welchem Betrug Sie als Konsument der Mainstream-Medien aufsitzen. Aber es gibt ja Gott sei Dank auch Alternativen. Sagen Sie es weiter.

Claudia Maack / 30.06.2019

Ich amüsiere mich schon lange über die Klimmzüge moralisch herumschwadronierender Journalisten, wenn es um die Rechtfertigung ihrer Luxuspressereisen geht, auf die sie alle so heiß sind.  Unvergesslich ein FAZ Starautor, der erst 500 Zeilen auf die angeblich unrentable Palm Island von Dubai eingedroschen hat, um als kritischer Journalist durchzugehen. Damit hatte er den Freibrief, sich im zweiten Teil des Artikels vor Begeisterung einzunässen, dass er in einem 5-Sterne-Wüstenresort behandelt wurde wie der Emir himself, natürlich zum Nulltarif, complementary, wie es in der Reisejournalistenbranche heißt. Auch die “Zeit” mit ihrem heuchlerischen Titel, wohin wir denn überhaupt noch reisen dürften, amüsierte mich sehr. Jahrelang hat man da die dicksten Pressereisen abgegriffen, und jetzt redet man den blöden Lesern,  die sich die Malediven im Gegensatz zur Journaille selbst bezahlen müssen, ein schlechtes Gewissen ein. Verlogener geht es kaum. Der olle Heinz Horrmann von der Welt stand wenigstens noch dazu, dass er jeden Luxus annahm, der sich ihm zum Nulltarif bot.

Robert Jankowski / 30.06.2019

Um ins Paradies zu kommen rate ich zu dem knallroten Gummiboot. Die Chance besteht, dass in dem Archipel irgendwo ein Sea Shepherd Schiff kreuzt und einen aus Seenot rettet. Bloß auf die freundliche, nach Menschenrechts-Standards zugeschnittene Begrüßung durch die islamische Bevölkerung, würde ich nicht unbedingt bauen.

Regina Dexel / 30.06.2019

Die Frage nach der Seriosität der FAZ ist doch schon längst beantwortet, Herr Röhl. Herzlichen Dank für diesen sauber recherchierten, informativen und seriösen Artikel.

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