Herbert Ammon, Gastautor / 14.08.2020 / 12:00 / Foto: Martin Kraft / 64 / Seite ausdrucken

Franziska Giffey und ihre Doktorarbeit als Ungeheuer von Loch Ness

Rein physiognomisch betrachtet, eignet sich keine der in der Quotendemokratie erfolgreichen Politikerinnen besser für das ihr zugeeignete Amt einer Familienministerin als die stets mütterlich dreinblickende, liebevoll und gütig lächelnde Franziska Giffey. Nur vorübergehend, vor etwa eineinhalb Jahren, drohte ihrer Politkarriere Schaden. Sie kam durch die von „Vroniplag“ aufgedeckten Plagiatsstellen in ihrer am Otto-Suhr-Institut der FU mit magna cum laude bewerteten Doktorarbeit – zum demokratietheoretisch hoch bedeutsamen Thema "Europas Weg zum Bürger – die Politik der Europäischen Kommission zur Beteiligung der Zivilgesellschaft" ins Gerede kam (erstellt anhand teilnehmender Beobachtung in ihrer Funktion als mit Europapolitik – Geldbeschaffung aus Brüsseler Töpfen – in Berlin-Neukölln befasste Bezirksstadträtin).  

Sie begab sich auf einen gefährlichen Pfad, als sie ankündigte, im Falle der Aberkennung der akademischen Würde aus dem Amt, vielleicht gar aus der Politik, zu scheiden. Der gute Geist der Berliner Alma mater rettete Mutter Giffey vor dem Absturz ins langweilige Familienleben. Die mit dem Fall befasste FU-Kommission erteilte der Ministerin eine Rüge, ließ mit diesem Novum in der deutschen Universitätsgeschichte die Dissertation – offenbar immer noch magna cum laude, wenngleich cum vituperatione – durchgehen. Damit war Giffeys politische Karriere gerettet.

Es bleibt zu fragen, ob Mutter Giffey mit ihrer Rücktrittsdrohung die Kommission, welche wiederum die Doktormutter Tanja Börzel und deren Exzellenzzentrum "The EU and its citizens" vor Unbill zu bewahren hatte, in ein politisches, nicht etwa moralisches Dilemma brachte, aus dem jedoch die „Rüge“ einen Ausweg bot. 

Es geht um die Nachfolge von Berlin-OB Michael Müller

Auch familiäres Ungemach – ihr Gatte wurde wegen zweifelhafter Einnahmequellen aus dem Beamtendienst im Berliner Gesundheitsamt entfernt –, konnte die Karriere der Familienministerin nicht beschädigen Schließlich gibt es bei uns keine Sippenhaft. (Anders lag die Sache im Falle der Gattin von Thilo Sarrazin, die angesichts allgemeiner Empörung über den „Rassisten“ Sarrazin aus ihrem Amt als Lehrerin an einer Schule in Berlin-Wedding gemobbt wurde.) So verfolgt Giffey, als strahlend gütige Mutter für die auch auf kleinbürgerliche Restwähler zielende SPD ein politischer Segen, weiterhin ihre familienpolitischen Aufgaben im Familienministerium. Auf Formularen im schulischen und sonstigen Schriftverkehr soll die reaktionäre Schreibweise „Vater / Mutter“ durch „Partner I / Partner II“ ersetzt werden.

In der Hauptstadt Berlin geht es derzeit um die Nachfolge von Michael Müller – dieser strebt in den Bundestag, rivalisierte zunächst mit Kevin Kühnert um den Listenplatz für Schöneberg-Tempelhof, jetzt mit Sawsan Chebli für Charlottenburg-Wilmersdorf – im Amt des Regierenden Bürgermeisters. Vorgesehen für dieses Amt ist Franziska Giffey. Nun aber ist Mutter Giffey erneut in eine missliche Lage geraten. Ausgerechnet auf Anfrage der AfD befasste sich der Wissenschaftliche Dienst des Abgeordnetenhauses noch einmal mit ihrem plagiatreichen Opus. Das Urteil fiel verheerend aus.  

Man darf spekulieren: Wiederholt sich die Giffey-Geschichte, und diesmal nicht als Farce? Sieht sich die FU genötigt, den – lateinisch ungegenderten – Doktorgrad der SPD-Hoffnungsträgerin doch noch zu kassieren? Erinnert sich dann Giffey voller Schmerzen ihres vor eineinhalb Jahren geleisteten Gelübdes? Und wie fallen danach die Berliner Wahlen aus? Zu Rot-Rot-Grün wird’s im Berliner Senat immer reichen. Aber wer schützt die Stadtregierung vor weiteren Anfragen der Opposition im Abgeordnetenhaus? Der Fall der Bausenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) ist nur ein weiteres Beispiel.

Foto: Martin Kraft CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Richard Loewe / 14.08.2020

Annette Schavan ist nach Aberkennung des Doktorgrades auch befoerdert worden und sitzt im schönen Rom und verdient als Botschafter mehr als sie als Minister verdient. Ich gebrauche ‘verdienen’ zynisch. Und Doktor Giffey und ihr korrupter Gatte blicken in die gleiche Zukunft. Und man kann ja an einer englischen Fachhochschule auch nochmal promoviert werden, wie Herr von und zu.

Karla Kuhn / 14.08.2020

, Sebastian Weber,  “...sie könnte Kinder-Hörbücher für die 2 bis 5-Jährigen Kinder (m/w/d) besprechen.” Ich krieg mich gar nicht mehr ein, sollen diese Bücher dann statt Schlaftabletten verwendet werden ? Na ja immerhin,weniger Nebenwirkungen hätten sie eventuell. “... als strahlend gütige Mutter….” ich hab mich immer noch nicht von meinem Lachkrampf erholt. Da war ja meine sehr kluge Mutter mit 80 Jahre noch flotter als die - für mich- betuliche Frau Giffey.  Ich könnte sie mir allerdings bei der Heilsarmee gut vorstellen, wenn sie nachts die Obdachlosen in den Schlaf wiegt. Die würden sich wahrscheinlich ganz schnell schlafend stellen, damit die ” strahlend gütige Mutter” klingt wie aus einer Courts Mahler Schnulze, schnell wieder verschwindet. Also mit der “strahlend gütigen Mutter” haben Sie sich ein Denkmal gesetzt, Herr Ammon und toppen jeden Witz. Wenigstens kann ich herzlich lachen, danke.

Boris Kotchoubey / 14.08.2020

Was passiert mit einem Politiker, wenn in seiner Doktorarbeit Plagiatstellen gefunden werden? Das hängt von seiner Parteizugehörigkeit ab: AfD - sofortiger Rücktritt; CSU - erst Entschuldigung, dann Rücktritt; CDU - ein paar trickige Ausweichmanöver, am Ende Rücktritt; SPD - ein unangenehmes Gespräch, bald vergessen und gegessen; SED (die selbsternannte Linke) - ein Karrieresprung; Grüne - ach ja, Grüne! Da kann natürlich gar nichts passieren, denn um eine Dissertation abzuschreiben, müßte man zuerst schreiben lernen.

Horst Jungsbluth / 14.08.2020

In Berlin ist eben alles noch ein bisschen verrückter als anderswo, aber wir erleben, dass andere Bundesländer gerne von dem Berliner Irrsinn lernen. Frau Giffey wird wahrscheinlich das Amt der Regierenden Bürgermeisterin genauso auf dem Silbertablett serviert wie der Doktortitel. Im Zweifel gilt eben die Quote und sonst gar nichts. Und alle werden ihr Respekt zollen, so wie sie der Bau-verhinderungs-senatorin Respekt gezollt haben, als endlich öffentlich bekannt wurde, dass sie über Jahre Steuern hinterzogen und Vergütungen nicht an die Staatskasse abgeführt hatte. Der amtierende Regierende Bürgermeister tritt zurück, weil er ein Mandat als Hinterbänkler im Deutschen Bundestag anstrebt. In seinem ureigenen Wahlkreis kann er das aber nicht, weil dort der Langzeitstudent Kühnert das verhindern konnte und in Charlottenburg-Wilmersdorf muss er sich mit einer “Dauerprozessziererin” um den Platz streiten, die vor lauter Anzeigen gar keine Zeit hat, sich um ihren Wahlkreis zu kümmern. Und die bürgerliche Opposition? Die führen ab und an mal im RBB ihre Maßanzüge vor,  wenn man sie mal ran lässt.

Alexander Schilling / 14.08.2020

Soll sie—als unterdrückte Frau—doch ihren Namen mit einem rein akademischen Titel länger machen: spätestens vor der (neuerdings in Mode gekommenen) Beförderung zur Afro-Amerikanerin, pardon: -Germanin ist für Giffey Ende Gelände——diese Stufe auf der SPD-Karriere-Leiter scheint nervtötenden Sprechpuppen vorbehalten zu sein…

Johannes Schuster / 14.08.2020

Genderkonform heißt das Loch Nass nicht Loch Ness.

Claudius Pappe / 14.08.2020

Berichtigung: ” Die Rolle der….weiblichen…...Stubenfliege im urbanen, westdeutschen, kapitalistischem Haushalt im ausgehenden 20. Jahrhundert. ” sollte der Titel der Doktorinnenarbeit heißen.

Johannes Schuster / 14.08.2020

Kann man unsere Politiker nicht durch elektrische Zahnbürsten ersetzen ?

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