Susanne Baumstark / 18.05.2020 / 11:30 / Foto: Thomas Riehle / 9 / Seite ausdrucken

Fortschreitend obskur: Die Finanzierung der Parteienstiftungen

Endlich mal eine gute Idee: Der Kandidat für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, will wegen der Corona-Krise die Ausgaben des Staates überdenken. "Wir sollten nach der akuten Krise alle staatlichen Leistungen von Bund, Ländern und Gemeinden auf den Prüfstand stellen.“ Da weiß man ja gar nicht, wo man anfangen soll. Vielleicht bei den parteinahen Stiftungen, an die sich offenbar niemand herantraut? Dabei teilte die Welt schon im Februar 2018 mit: 

„Die Abgeordneten des Bundestags haben parteinahen Stiftungen 2017 so viel Geld wie nie zuvor bewilligt. Der Steuerzahlerbund rügt eine Finanzierung ‚in einem rechtsfreien Raum‘.“ Von Jahr zu Jahr heimsen diese immer noch mehr Steuergelder ein; es ist ja nie genug.

„Bewilligt werden die Zuwendungen für die Stiftungen von Bundestagsabgeordneten, die diesen Parteien angehören: Gewissermaßen entscheiden die Parlamentarier also in eigener Sache. Und eine Obergrenze für diese Alimentierung existiert bisher nicht.“

Allein in 2017 verbuchten sechs Stiftungen einen Rekordbetrag: 581,4 Millionen Euro. Seit dem Amtsantritt von Angela Merkel (CDU) als Bundeskanzlerin im Jahr 2005 hätten die politischen Stiftungen 5,6 Milliarden Euro erhalten. Der Vorgang im „rechtsfreien Raum“ genügt noch nicht mal dem demokratischen Transparenzgebot:

„Im Bundeshaushalt gibt es bislang keinen Titel, mit dem sich sämtliche Ausgaben für die Stiftungen auf einen Blick erfassen ließen. Denn die Mittel fließen aus den Töpfen mehrerer Bundesministerien.“

Riesige Apparate im In- und Ausland mit mehreren tausend Angestellten seien dank der Zuflüsse entstanden. Es ist ein riesiges Versäumnis der etablierten Medien, dass sie an dieser Sache nicht dran geblieben sind und nachgehakt haben.  

Herrn Müllers verdienstvolles Wirken

Ach ja, nebenbei erfährt man noch:

„Auf Druck des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) waren für die Parteienfinanzierung 1994 Obergrenzen eingeführt worden. Das Gericht hätte 2014 Gelegenheit gehabt, auch das Stiftungssystem zu ändern.“

Die Klage der ÖDP wies das BVerfG aber ab.

„Berichterstatter für das Verfahren im Zweiten Senat war Richter Peter Müller, einst Ministerpräsident des Saarlandes. Der CDU-Politiker war der Konrad-Adenauer-Stiftung ein Leben lang verbunden. Schon während seines Studiums war Müller ihr Stipendiat; später nahm er an Seminaren der KAS im In- und Ausland teil.“

Noch mehr Aspekte zur Personalie aus dem politisch berühmt-berüchtigten Saarland sind Wikipedia zu entnehmen: Er war von 1999 bis 2011 Ministerpräsident und von 2009 bis 2011 auch Justizminister des Saarlandes. Seit Dezember 2011 ist er Richter des Bundesverfassungsgerichts. 

Zu Müllers Ausbildung: „Es folgte von 1983 bis 1986 das Rechtsreferendariat. Zeitgleich war er als wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht II der Universität des Saarlandes tätig. Eine in dieser Zeit begonnene Doktorarbeit blieb unvollendet.“ Nach dem zweiten juristischen Staatsexamen war er bis 1990 als Richter tätig und ist seitdem beurlaubt. Politisch war Müller ab 1990 Mitglied der CDU-Landtagsfraktion. 1995 folgte der Landesvorsitz der Saar-CDU, von dem er 2011 zurücktrat. „Als Nachfolgerin wurde seine Wunschkandidatin Annegret Kramp-Karrenbauer gewählt … Am 17. August 2005 berief die damalige CDU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel Müller für das Wirtschaftsressort in ihr Kompetenzteam … Ab dem 4. Juli 2007 war er als Vertreter der Länder Mitglied im ZDF-Verwaltungsrat.“ 

Als Ministerpräsident zurückgetreten

Peter Müllers Handeln als Ministerpräsident laut Wikipedia: „Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes (Urteil vom 1. Juli 2010 – Lv 4/09) entschied, dass die Regierung Müller mit der Beifügung von Broschüren über die Arbeit der Landesregierung zu den Besoldungsabrechnungen der Beamten in unzulässiger Weise Wahlwerbung betrieben habe.“ 2011 trat Müller als Ministerpräsident zurück.

„Als Hintergrund galt der spätere Wechsel des Politikers als Richter ans Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Zu seiner Nachfolgerin wurde am 10. August Annegret Kramp-Karrenbauer gewählt.“ Zur Tätigkeit als Richter am BVerfG: „Im Dezember 2010 wurde bekannt, dass Müller im Herbst 2011 als Nachfolger von Udo Di Fabio ans Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wechseln solle … Ende Januar 2011 wurde die Frage laut, welche juristischen Qualifikationen Müller für das Amt eines Richters des Bundesverfassungsgerichts aufweise. Am 25. November 2011 wurde er schließlich einstimmig vom Bundesrat zum Richter in den Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts gewählt … Im Juli 2014 wurde Müller von seinen Richterkollegen einstimmig zum Berichterstatter des Dezernats ‚Wahlen und Parteienrecht‘ gewählt.“ 

Bei der Beck-Community erschien damals dieser Kommentar:

„‘Einstimmige Wahl‘ bedeutet meist, dass die gewählte Person für das Amt, in das sie gewählt wird, praktisch unbestritten qualifiziert ist. Dass dies bei Richterwahlen nicht unbedingt gilt, daran hat man sich gewöhnt. Aber dass nun trotz Diskussionen in allen Parteien (Bericht auf SPON) Peter Müller praktisch direkt aus einem höchsten Amt der Exekutive in ein höchstes Amt der Judikative wechselt - und dies ‚einstimmig‘ im Bundesrat beschlossen wird (Bericht FAZ), hat für mich einen unguten Geschmack. Ganz unabhängig von der juristischen Qualifikation Peter Müllers, die ja durchaus exzellent sein mag: Als Politikerversorgungsstelle ist das Bundesverfassungsgericht zu wichtig, diese Funktion hat das Gericht nicht verdient. Und wenn Politiker anderer Parteien  einen Politiker trotz Kritik einstimmig an diese Stelle mitwählen, steht leider zu befürchten, dass sie damit das Gericht als Versorgungsstelle  auch für die eigenen Leute ‚öffnen‘ wollen; demnächst wird dann ‚eine Hand wäscht die andere‘ womöglich  auch hier funktionieren. Welcher SPD-Ministerpräsident/Politiker wird wohl als nächstes vorgeschlagen?“

Soweit gerne zur Kenntnis.  

Zur offenen und verdeckten Parteienfinanzierung vergleiche man gerne auch diese Dokumentation sowie den Beitrag „Stiftungen im Halbschatten“ vom 5.6.2019. Zu den fragwürdigen Ausgaben der Politik steht hier noch einiges, zum Beispiel aus dem Nachtrag: „Noch NIE hatte eine Bundesregierung so viel Geld wie diese GroKo: 1,4 Billionen Euro für vier Jahre … Wie konnte das passieren? Gleich zu Beginn verteilte Scholz GroKohle für fast alle…“ 

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Susanne Baumstarks Luftwurzel.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Uwe Heinz / 18.05.2020

Die Parteien haben den Staat gekapert und aufgeteilt. Der Souverän (das Volk - oh, schon wieder ein völkisches Unwort) ist nicht die höchste Macht im Staat, aber bezahlt das alles. Entscheidungen und Gutachten werden an Beraterfirmen übertragen, die sich danach erkenntlich zeigen und die “Entscheidungsträger” nach ihrer politischen Laufbahn auffangen (wenn sie nicht in ehemals staatseigenen Betrieben Asyl bekommen) und großzügig alimentieren. Keine Privatfirma könnte so wirtschaften ohne kaputtzugehen. Es wäre alles leichter zu ertragen, wenn es eine Majestät (Geschlecht ist mir egal) von Gottes Gnaden gäbe, die ihrem Volk zärtlich zugetan wäre und ihm nur das abverlangte, was sie auch selbst zu geben bereit wäre. Im Übrigen bin ich der Meinung, daß wir eine andere Regierung bekommen werden!

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Susanne Baumstark / 11.07.2020 / 16:00 / 6

Die Maskerade der Tagesschau

Zur Rede der Bundeskanzlerin im EU-Parlament am 8. Juli anlässlich des Beginns der deutschen EU-Ratspräsidentschaft hat die Tagesschau wieder einen derart schmierigen Hofbericht abgeliefert, dass die hinterlassene Schleimspur sogar…/ mehr

Susanne Baumstark / 29.06.2020 / 06:00 / 82

„Helfer sind tabu”? Die gemanagte Missachtung

Das war schon ein ungewohnt gepfefferter Kommentar von Thomas Berbner in den Tagesthemen am 22. Juni: „Schon vor Stuttgart haben mir Beamte immer wieder berichtet, bei jungen Einwanderern verbreitet…/ mehr

Susanne Baumstark / 25.06.2020 / 10:00 / 14

Yanis Varoufakis und die „Progressive Internationale“

Weitgehend unbemerkt hat sich die post-kapitalistische „Progressive Internationale“ (P.I.) gegründet. „Wir organisieren, mobilisieren und vereinen progressive Kräfte aus der ganzen Welt“, tönt es dort. Themen…/ mehr

Susanne Baumstark / 15.06.2020 / 14:45 / 10

Die Krise als Studium

In akademischen Netzwerken wird der englischsprachige Master-Studiengang „International Organisations and Crisis Management“ beworben. Er startet im Wintersemester 2020/21 in Jena „Das passende Studium zur Corona-Krise“, meint…/ mehr

Susanne Baumstark / 30.05.2020 / 12:00 / 14

Corona-Arbeitsplatzvernichtung: Von Not und Zynismus

Aus psychologischer Sicht nehmen die Folgen des Lockdowns inzwischen dramatische Ausmaße an. Wie aus einer Anhörung des Tourismusauschusses im Bundestag am Mittwoch hervorgeht, habe man „bereits Suizide…/ mehr

Susanne Baumstark / 23.05.2020 / 10:30 / 14

Mein Briefwechsel mit der Antidiskriminierungsstelle

Meine E-Mail an die Anti-Diskriminierungsstelle: Sehr geehrter Herr Franke,  ich bin seit längerem einigermaßen entsetzt über die regelrechte Stigmatisierungswut, die insbesondere von den etablierten Medien…/ mehr

Susanne Baumstark / 06.05.2020 / 11:00 / 12

Corona-App höchst problematisch

Das „Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung“ hat eine Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) für die geplante Corona-App veröffentlicht. „Wir haben es angesichts der geplanten Corona-Tracing-Systeme mit…/ mehr

Susanne Baumstark / 25.04.2020 / 06:00 / 66

Man darf die Tagesschau auch mal loben

Es ist schon ein paar Tage her, fairerweise gehört es aber festgehalten, dass die Tagesschau ganz ausnahmsweise einer regierungskritischen Kommentierung gerecht wurde. Man siehe dazu den…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com