Der für den Digital Services Act zuständige EU-Kommissar Thierry Breton feuerte jüngst eine Breitseite gegen X-Chef Elon Musk ab. Die Bilder der Hamas, die Breton auf X nicht sehen möchte, hätte es vielleicht nie gegeben, wenn eben diese EU, statt den Überbringer der Nachricht anzuklagen, deren Verursacher nicht über Jahrzehnte mit unserem Steuergeld verwöhnt hätte.
Die einen glauben stur heil an ihr Narrativ,
andere an nichts mehr.
Der Raum dazwischen wird immer enger.
Hat der Westen die Werkzeuge geschaffen, die ihn als Ideenraum aus Aufklärung, Freiheit und Wissenschaft letztlich selbst vernichten werden? Es ist noch nicht lange her, da glaubten wir zu wissen, dass dies so sein kann. Wir dachten an Nuklearwaffen, zählten die Arsenale und addierten zur multiplen Vernichtung der menschlichen Existenz. Doch die Raketen stecken sicher in ihren Bunkern und sind gut bewacht, das Zögern, sie im Konfliktfall einzusetzen, ist auch noch intakt, wie wir gerade im Krieg Russlands gegen die Ukraine sehen. Was uns wirklich an den hässlichen Rand unserer westlichen Zivilisation bringen könnte, steckt womöglich in unser aller Taschen, und unsere Kinder verbringen täglich viele Stunden damit. Die Rede ist von den „sozialen Medien“ und deren unbegrenzter Verfügbarkeit. Es geht um Kontrolle, es geht um Indoktrination, es geht auch um Verleumdung, Verführung und Verbrechen.
Die EU ist nach eigener Definition angetreten, mit einer ganzen Reihe von Gesetzen den digitalen Raum wieder so unter ihre Kontrolle zu bringen, dass keine Verletzungsgefahr mehr für ihre als naiv und unmündig erklärten Bürger besteht. Angefangen hat die Nannyfizierung mit der DSGVO, dem Datenschutzmonster, dank dessen wir uns heute durch einen Wald von Warnungen und Einverständniserklärungen klicken müssen, um zu den gewünschten Inhalten vorzudringen, und die Webseitenbetreiber mit Geldbußen droht, wenn sie amerikanische Serviceanbieter nutzen. Neueste Ausgeburt der Brüsseler Fürsorge ist der „Digital Services Act“, der (neben vielen anderen Regularien) Plattformen ab einer bestimmten Größe inhaltlich haftbar macht für das, was deren Benutzer so von sich geben. Wie wenig die Bürokratie in Brüssel von Märkten und den Mechanismen versteht, die zum Erfolg von Plattformen wie Twitter oder Facebook führen, hat man in den Erläuterungen zum Gesetz sogar noch als Zitat hervorgehoben. Dort heißt es von Andreas Schwab (EVP):
„Unser gemeinsames Ziel ist es, dass sich in den Digitalmärkten in Europa wieder die besten Unternehmen durchsetzen und nicht mehr nur die größten. Und dazu müssen wir uns nun auf die Umsetzung der Gesetze konzentrieren. […] Dabei geht es nicht um eine allgemeine Überwachung der Wirtschaft, sondern ausschließlich um eine zielgenaue Kontrolle der Zusagen der Gatekeeper im Rahmen des regulatorischen Dialogs.“
Schält man die Politphrasen ab, geht es sehr wohl um Überwachung und Kontrolle. Außerdem haben wir es nur deshalb mit den größten Anbietern zu tun, weil sie sich als die besten erwiesen haben. Die Geschichte ist voll von gescheiterten Alternativen zu Twitter und Facebook, die letztlich an mangelnder Reichweite und damit an fehlender Relevanz durch mangelnde Größe scheiterten. Was Schwab hier vorschwebt, ohne es direkt auszusprechen, sind kleine, lokale Player, deren gesellschaftliche Relevanz nie eine kritische Masse erreichen kann, wo sie den globalen Playern in der Politik durch Widerspruch gefährlich werden können. Es mangelt ja nicht an solchen harmlosen Experimenten, die niemals eine kritische Masse erreichen. Man denke nur an Mastodon. Die EU-Kommission würde am liebsten selbst ein soziales Netzwerk basteln, wenn man nur wüsste, wie man das anstellen soll.
Drohung, X in der EU den Stecker zu ziehen
Dabei hatte man die lästigen Meinungen gerade auf Twitter schon so weit eingehegt, dass man selbst Zugriff auf die „großen Linien“ hatte, entlang derer eine geregelte öffentliche „Debatte“ stattfinden sollte. Twitter beschäftigte mehr Personal für die „Pflege von Inhalten“ als für den eigentlichen Betrieb des Netzwerkes. Die Twitter-Files zeigten deutlich, wie eng Polizei und Geheimdienste mit dem Netzwerk verbandelt waren und wie direkt die Politik ins Geschehen eingriff. Da wurde gemutet, geblockt, markiert. Es gab Listen, verbotene Keywords und manipulierte Trends. Kurz: Twitter bildete die Realität ab, wie Politik sie gern haben wollte. Aber schon damals gab es Ausreißer. Schon vor der Übernahme durch Musk machten Amokläufer die Welt live zu Zeugen ihrer blutigen Tat, und es dauerte oft lange, bis das gestoppt werden konnte. Es gibt keine perfekte Überwachung.
Die Bilder und Videos, die vom Pogrom der Hamas an israelischen Zivilisten auf X zu sehen waren, nutzte der für den Digital Services Act zuständige EU-Kommissar Thierry Breton für eine mediale Breitseite gegen Musk, der solche Inhalte nicht rechtzeitig gelöscht habe und zuließ, dass sogar mit KI erzeugte Bilder und solche aus völlig anderen Kontexten unmoderiert auf X stünden. Es folgte ein kurzer Schlagabtausch, denn Musk, direkt in Bretons „offenem Brief“ angesprochen, wollte wissen, welche konkreten Vorfälle denn gemeint seien. Und weil in Bretons Äußerungen stets die unverhohlene Drohung mitschwingt, er könne X in der EU jederzeit den Stecker ziehen, sollte Musk nicht schleunigst den alten, eingehegten Zustand Twitters mit Löschkommandos, Blocklisten und direkter Einflussnahme der Politik wiederherstellen, entstand folgerichtig ein Gerücht, das zum impulsiven Musk gut zu passen schien.
Das „gute“ Gerücht
Musk werde selbst den Stecker ziehen und X zwecks Kostenersparnis in der EU abschalten, so hieß es. Mit einiger Süffisanz träumten sich manche Medien bereits in die schöne leise neue Welt hinein, in der das neuerdings irgendwie rechte Netzwerk, dem die linken Influenzer reihenweise davonlaufen, weil sie die Lufthoheit über den Diskurs verloren haben, ihre Kreise nicht mehr stört. Musk selbst war es, der diese Meldung, die zuerst von „Business Insider“ gemeldet wurde, als „völlig falsch“ zurückwies.
Die Drohung von Thierry Breton wahrzumachen, X den Stecker zu ziehen, wäre der Supergau für die Reputation der EU in Sachen Meinungsfreiheit. Man stünde plötzlich mit dem Iran auf einer Stufe, wo man Twitter, Facebook und zuletzt auch Instagram höchstens via VPN erreichen kann. Ein „Leuchtturm der Freiheit“, diese EU!
Die „gute“ EU
Ich frage mich, ob Breton auch einen Brief an den Deutschlandfunk oder die New York Times geschickt hat, die ihre Falschbehauptung, die IDF habe ein Krankenhaus in Gaza bombardiert, ohne zu zögern auch in den sozialen Medien verbreiteten. Oder muss Musk auch über europäische und amerikanische Medienhäuser eine Art Oberaufsicht ausüben? Ein Schelm wer glaubt, dass das dringend nötig wäre! Zur Verbreitung von Fake-News, gefälschten oder aus dem Kontext gerissenen Bildern braucht es weder Musk noch dessen Plattform, das senden und drucken unsere Qualitätsmedien ganz ohne sein Zutun.
Der Impuls, die Bilder nicht sehen zu wollen, die uns aus Israel erreichen, ist oberflächlich betrachtet verständlich. Doch hätten wir uns auf die Verlautbarungen verlassen, die etwa in der New York Times standen (inklusive von aus dem Kontext gerissenen Fotos), ohne die Möglichkeit, andere Quellen hinzuzuziehen, wäre die Lüge vom bombardierten Krankenhaus heute noch größer, als sie schon ist. Hätte die Öffentlichkeit, die an ihren nur schlecht verbrämten Narrativen von den „bösen Israelis“ und den „unterdrückten Palästinensern“ hängt, den Schilderungen der israelischen Bergungsteams und der Soldaten vertraut, die uns von Gräueln berichteten, wie sie seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen wurden, wenn nicht die Hamas selbst voller Stolz ihre Barbarei in sozialen Medien dokumentiert hätte? Am 7. Oktober sind viele gutgläubige Menschen, gerade die von der linken „One-World“ Fraktion, mit einer schallenden Ohrfeige aufgeweckt worden. Etwa von der Tatsache, dass Black-Lives-Matter mit einem zynischen Gleitschirm-Meme stolz seine Unterstützung für die Massaker der Hamas bekundete. Von dem ekelhaften Hamas-Unterstützerschreiben von Harvard-Studenten hätten wir ohne X wohl nie erfahren, weil es vor seiner Veröffentlichung von den Medien abgeschwächt und von den Klarnamen der Unterzeichner befreit worden wäre.
Die Bilder der Hamas, die Breton auf X nicht sehen möchte, hätte es vielleicht nie gegeben, wenn eben diese EU, statt den Überbringer der Nachricht anzuklagen, deren Verursacher nicht über Jahrzehnte mit unserem Steuergeld verwöhnt hätte. Die Bilder sind nicht der Auswuchs einer zu laxen Netzpolitik, sondern die Quittung, das „geliefert wie bestellt“ für die Milliarden Euro Terrorfinanzierung der EU, Herr Breton. Es ist nämlich gerade X, wo sich die blütenreinen Motive der Weltretter und Menschenfreunde gerade zur Kenntlichkeit entzerren. Sehen Sie genau hin! Sehen Sie hin, auch wenn es weh tut!
Roger Letsch, Baujahr 1967, aufgewachsen in Sachsen-Anhalt, als dieses noch in der DDR lag und nicht so hieß. Lebt in der Nähe von und arbeitet in Hannover als Webdesigner, Fotograf und Texter. Sortiert seine Gedanken in der Öffentlichkeit auf seinem Blog unbesorgt.de.