Ich verstehe diese ganzen Diskussionen überhaupt nicht. Der Fall Merkel ist doch im Grundgesetz Art. 20, Abs. 4 eindeutig geregelt.
Deutsche haben sich bis 1914 nicht die Mühe gemacht, sie konnten es vielleicht auch gar nicht, sich die Kräfteverhältnisse zwischen den Allianzen vorzustellen. Krieg wird im Volk als Auseinandersetzung zwischen zwei Parteien mit Mut und Manneskraft gesehen. Wie einst in der Steinzeit. Wie es die Legenden stets vermitteln, bis heute. Die Tatsachen sind nüchterner und unerbittlich: Krieg und Sieg wird bestimmt durch die Wirtschaftsleistungen der Allianzen. Das ist der Grund, warum der Zar Nikolaus II. 1914 besonders kriegslüstern erschient und sein Reich bereits 1917 zusammenbrach. Es konnte die Kriegsaufwändungen mit seiner bescheidenen Industrie nicht lang genug schultern. Ebenso Österreich-Ungarn und zuletzt das Deutsche Reich. Jedem abgeschossenen Flieger ergänzte die USA ab April 1917 mit 10 Neuen, jedes Kommisbrot des Landsers mit 1 Tonne argentinischem Rindfleisch. Die Führung unter Hindenburg und Ludendorf hat es gewusst und zum frühesten Zeitpunkt Schluss gemacht. Bis dahin war fast jeder Deutsche mit seinem Teil an Prügel dicke belegt. Nach dem WK II. und der Berliner Schlacht soll Shukow zum Berliner Stadtkommandanten gesagt haben: “... wir haben euch den Krieg ausgetrieben !” Nach 75 Jahren und 3 Generationen ist es offenbar wieder Zeit zu neuer Prügel. Die Deutschen leben in selbstgefälliger Isolation. Sie reisen wie Weltmeister und verstehen die Welt doch nicht.
Bedrückend, insbesondere, wenn man sich überlegt, wie es weiter gegangen ist: Die Flotte wollte keine Fehler zugeben, obwohl jeder sehen konnte, dass mit den Ressourcen für die im Hafen liegenden Pötte beim Heer es zum Sieg an der Marne und damit zum Gelingen des Schlieffenplans gereicht hätte, insbesondere, wenn GB neutral geblieben wäre. Stattdessen hielt man sich für unglaublich patriotisch, weil man den U-Boot-Krieg durchsetzen wollte. Diese Waffe war vor dem Krieg sträflich vernachlässigt worden, weil sie nicht genug als Pahllussymbol herhalten konnte (Wilhelm II: “So eine schöne Flotte möchte ich auch einmal haben!”). Als im Krieg dann die Seeoffiziere, die patriotischsten von allen, untätig herumsaßen, während das Heer nicht für möglich gehaltene Opferzahlen hinzunehmen hatte, wurden sie aus der Versenkung geholt und sollten die Ehre retten. Am besten durch unbeschränkten Einsatz, auch wenn dies die USA provozieren musste. Durch die Zimmermanndepesche war der Weltkrieg dann komplett, die Effizienz der U-Boote wurde um ca. 11 Prozent gesteigert, der von Anfang an sinnlose Krieg dafür verloren. Das hieß: Jedes Mal, wenn sich eine Annahme der Fanatiker als falsch herausstellte, wurde einfach noch eine Schippe drauf gelegt. Ähnliches sehen wir im Moment: Die ersten Anschläge passieren und die wichtigste Botschaft ist, dass man die Urheber weder benennen noch ideologisch stellen darf. Es kommt zu vermehrter Alltagskriminalität und sexueller Belästigung? Mehr Integration (also einseitige Unterstützung durch die “Beheimateten”) und ein beschleunigter Familiennachzug werden das Problem lösen! Die Bevölkerung läuft der Politik und den Medien davon? Das sind alles Postfaktiker, eine bessere “Erklärung” wird das Problem lösen! Dabei darf mit zusätzlichen Diversity-Bemühungen (ich wäre ja mal für ein klein wenig intellektuelle Diversität) der Bürger ruhig noch ein wenig mehr verarscht werden. Unseren Nachbarländern werden wir langsam unheimlich? Das sind einfach alles rechte Idioten! Am Ende ging damals alles ganz schnell: Als die Flotte den Bogen überspannte und mit einem sinnlosen Angriffsbefehl gegen England nichts Anderes wollte als im verlorenen Krieg auch mal ein paar Schüsse abzufeuern und für die Komplexe des Oberkommandos zehntausende Matrosen zu opfern, meuterten eben jene vollkommen zu recht. Aber da lag die Welt bereits in Trümmern.
Eine der klügsten kultur- und metalitätsgeschichtlichen Analysen, die ich bislang gelesen habe. Ich beglückwünsche die “Achse” dazu, solche Autoren zu haben. Früher hätte man so etwas in der FAZ oder dem (alten) “Merkur” gelesen. Heute ist es nur noch auf Blogs wie der “Achse” oder schweizer Medien möglich. Es ist deprimierend—und erinnert an 1914…. Bitte machen Sie weiter in Ihrer Arbeit.
► Noch bis zum September 1914 konnten weder Regierung noch Militärs konkrete Kriegsziele vorweisen. ◄ Das liegt daran, daß das kaiserliche Deutschland an einem Krieg gar nicht interessiert war. Daß der am Ende länger als erwartet dauerte, lag zum größten Teil daran, daß A) der Schlieffenplan verwässert wurde und B) daß die Russen wider Erwarten ihre Generalmobilmachung längst erfolgreich abgeschlossen hatten und sofort nach Ostpreußen eindrangen, so daß im Westen Truppen (eine ganze Armee) abgezogen werden mussten, die dann fehlten, um das “Wunder an der Marne” gar nicht erst geschehen zu lassen. Die Grenze zwischen Masuren und Russisch Polen ist bis heute erkennbar: Ein schmaler Graben im baumlosen, leicht welligen Gelände, den zu überwinden ein großer Schritt genügte; natürliche Hindernisse sind weit und breit nicht auszumachen. In Ost- und Westpreußen garnisonierten im Frieden gerade einmal zwei Korps mit Generalkommandos in Königsberg und Danzig, deren (bis zum erhofften Sieg im Westen) als Sicherungstruppen zurückgelassene Reste keinen ernstzunehmenden Gegner darstellten. Die deutsche Bevölkerung lebte seit der Jahrhundertwende unter atmosphärischer Spannung bei ständiger Anfeindung durch die rachsüchtigen Franzosen, kleinere Aggressionen und Stänkereien der Engländer in Ost- und Westafrika blieben ebensowenig verborgen wie die Ursachen der Burenkriege. Es dürfte niemandem entgangen sein, daß die politischen Winkelzüge des Auslands einen Krieg und als Endziel die wirtschaftliche Vernichtung des Deutschen Reiches vorsahen. Das vorgeblich neutrale Amerika war in diese Bemühungen eingeweiht und keineswegs abgeneigt, zu gegebener Zeit sich gegen Deutschland zu wenden. Es verwundert daher nicht, dass eine gewisse Erleichterung empfunden wurde, als der Knoten dann platzte - die Materialschlachten und der Grabenkrieg sind eine spätere unmittelbare Folge der strategischen Fehlentscheidung eines deutschen Oberstleutnants, wegen dessen ängstlicher Lagebeurteilung der ganze Kriegsverlauf letztlich außer Kontrolle geriet. Ich glaube nicht, daß man bei Berücksichtigung der entscheidenden Umstände die in weiten Kreisen (vor allem bei den politisch wacheren Bewohnern der Großstädte des Reiches vorhandene Gefühlslage bei Ausbruch des Weltkriegs mit der Gutmenschbesoffenheit bei Ausbruch der Migrantenkrise in vergleichende Beziehung setzen kann.
Was für ein brillanter Artikel. Eloquent und elegant geschrieben, nimmt er den Mikro- wie auch Makrokosmos der Ereignisse von 1914 und 2015 ins Auge. Nein, es ist nicht das Gleiche, aber die Parallelen sind unübersehbar. Die Folgerungen sind in sich schlüssig, wenn auch - natürlich - sehr deprimierend. Ist ein solches irrationales Verhalten vielleicht etwas inhärent Deutsches? Am Ende der vier Jahre nach 1914 stand die Niederlage, mit sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verheerungen. Was mag am Ende der vier Jahre nach 2015 stehen? Es ist bedauerlich, daß dieses Essay nicht den Leserkreis finden wird, den es verdient, und selbst wenn das täte…die meisten würden ihn nicht verstehen.
Eine subjektive Beobachtung: Vor allem selbsternannte Intellektuelle, Künstler, Medienschaffende, ... freuen sich, wenn sie sich in der Gemeinschaft für etwas begeistern können. Irgendetwas, was sie aus ihrem banalen Alltag herausreißt und sie zum Teil eines größeren Ganzen werden lässt. Aber natürlich ohne jede dauerhafte Verpflichtung: Man tut etwas für die Soldaten oder die “Flüchtlinge”. Wenn es aber keinen Spaß mehr macht, hört man ohne jede weitere Verpflichtung einfach damit auf und macht wieder etwas anderes.
@ Stefan Lanz Auch ich glaube, man muss nicht bis 1914 zurückgehen, um Parallelen zu einer deutschen Massenhysterie aufzuzeigen. Der 30. Januar 1933 und die Jahre danach sind viel prägnanter für dieses Phänomen, denn es war die Generation unserer Eltern und Großeltern (ich bin Jahrgang 1933), die damals jegliches Maß politischer Vernunft verlor. Wer jemals die Bilder gesehen hat, auf denen der Führer bejubelt wurde (Feuchtwanger sprach in einem Roman von “Frauen, die sich bei Hitlers Ansicht wie im Moment der Empfängnis konvulsorisch aufbäumten”), wird sofort an die typischen >Bahnhofsszenen von 2015 erinnert. Und die historische Analogie geht ja weiter: Heute, lediglich zwei Jahre später, plagt die meisten Wecomer von damals der Katzenjammer, manche wurden bitter enttäuscht oder sogar physisch und mental beschädigt. Vor allem aber komplementiert eines die Parallele zu 1933: niemand wollte verantwortlich sein oder die Folgen gewollt haben: weder der Teddywerfer, noch der Politiker, dem am Bahnhof die Stimme vor Rührung brach (Ramelow) noch die Bundeskanzlerin, die naiv fragte: was hätte ich denn Anderes machen sollen?
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