Emergenza: Italien in Ausnahmezuständen

Die italienische Regierung hat jüngst den Ausnahmezustand wegen der Wasserknappheit in fünf norditalienischen Regionen ausgerufen. Die EU empfiehlt, den Klimawandel stärker zu bekämpfen. Doch dass das Wasser fehlt, hat auch hausgemachte politische Ursachen.

Gas und Benzin sind auch in Italien knapp und teuer, seit dem Frühjahr ist es auch das Wasser. Wer in Imperia über die Brücke spaziert, die den Impero überspannt, schaut verblüfft nach unten: Es gibt den Fluss nicht mehr, das Flussbett ist ausgetrocknet. Seit mehr als 130 Tagen hat es in Italien allenfalls ein wenig auf die trockene Erde getröpfelt. In der Emilia und im Piemont wird Wasser bereits rationiert. Der Po hat einen so niedrigen Wasserstand wie zuletzt vor 90 Jahren; die Bewässerungspumpen für die Landwirtschaft der Poebene können am Unterlauf nicht mehr fördern, und es besteht die Gefahr der Versalzung des Deltas.

Der EU-Kommissar für Klimaschutz empfiehlt, was er in solchen Fällen immer empfiehlt: den Klimawandel entschiedener zu bekämpfen. Die betroffenen Kommunen und vor allem die Landwirtschaft verlangen hingegen konkrete und schnelle Hilfen und eine Modernisierung der Wasserbewirtschaftung. Das Leitungsnetz ist überaltert, die Wasserverluste liegen im nationalen Schnitt bei nahezu 40 Prozent. Investitionen in das Netz sind im europäischen Vergleich sehr niedrig.

PNRR – der nationale Plan für die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie

Die Regierung Draghi kam zustande, weil der Vorgänger Conte keinen plausiblen Plan vorlegen konnte, wie die 200 Mrd. Euro des europäischen Fonds für die Ergrünung und Digitalisierung der italienischen Wirtschaft effizient einzusetzen seien. Immerhin 15 Mrd. sind für Landschaftsschutz und Wasserbewirtschaftung vorgesehen. Ein explizites Ziel ist, in Zukunft die periodisch auftretenden Trockenzeiten nicht zur Katastrophe werden zu lassen. Die Diskussion hat in Fachverbänden begonnen, über Investitions-Projekte ist bisher nichts bekannt geworden. 

Wer etwas über konkrete Projekte erfahren will, wird fündig in einem anderen Programm, das sich der „Qualität des Wohnens“ widmet: An 250 Dörfer werden ca. 20 Mill. Euro verteilt, die Kunst- und Kulturprojekte fördern und u.a. junge Kreative veranlassen sollen, sich abseits der Metropolen Telearbeitsplätze zu schaffen. 

Wie die Transformation eines Bauerndorfes in eine „smart community“ aussieht, lässt sich im süditalienischen Buonalbergo besichtigen: Dort wurde mit EU-Mitteln eine Universität gegründet. Studenten kamen in das 1.600 Einwohner zählende Dorf, sahen und gingen wieder. Das neu errichtete Gebäude steht leer. 

Italien im Vorwahlkampf

Aus der Draghi-Mehrheit, zu der lediglich Giorgia Melonis Fratelli di Italia in Opposition stehen, ist trotz aller Spannungen bisher keine Partei ausgeschieden. Nach Sitzen sind im 2018 gewählten Parlament die 5Stelle stärkste Gruppierung. Einst als Anti-Partei gegründet, gehörte es zum Selbstverständnis, dass kein Mitglied ein politisches Amt länger als zwei Amtsperioden ausüben dürfe. Für jemanden wie Außenminister Di Maio würde dies nach den nächsten Wahlen das Ende der politischen Karriere als Parlamentarier in Rom bedeuten. Di Maio nahm jetzt eine Auseinandersetzung über Waffenlieferungen für die Ukraine zum Anlass, aus der Fraktion auszuscheiden und seine eigene Gruppe zu gründen, genannt Insieme per il Futuro, Gemeinsam für die Zukunft. Dass ihm allgemein unterstellt wird, dass es ihm vor allem um seine eigene Zukunft ging, wird ihn dabei weder gewundert noch getroffen haben. Die 5Stelle allerdings sind tot, so ihr Gründer und ideologischer Garant Beppe Grillo. Das Projekt einer basisdemokratischen Partei jenseits der etablierten Politiker-Kaste hatte 2018 immerhin 30 Prozent der Wähler überzeugt. Von denen könnte ein erheblicher Teil in die Wahlenthaltung gehen.  

Für die Draghi-Mehrheit hat Di Maios Manöver zunächst keine Konsequenzen. Es ist auch keineswegs ungewöhnlich, das italienische Parteiensystem ist viel volatiler als das deutsche. Die Italiener sind es gewohnt, dass sich im Parlament immer wieder neue Formationen bilden und andere verschwinden, als Ergebnis persönlicher Ambitionen und machtpolitischer Kämpfe. Und nicht zuletzt, um die persönliche Zukunft zu sichern. Ein großes politisches Thema ist das in der Regel nicht, es sei denn, eine Regierung stürzt darüber. Die gewählten klangvollen Namen dieser Sezessionen bieten allerdings selten einen so unmittelbaren Anlass für Spott wie im Fall von „Gemeinsam für die Zukunft“.

Wer gewinnt die 5Stelle Stimmen?

In der zweiten Runde der Kommunalwahlen am 26. Juni haben centrosinistra und centrodestra, das linke und das rechte Lager, etwa gleich viele Rathäuser gewonnen. Als eine Art Stimmungstest taugt da allenfalls die Wahlbeteiligung von ca. 40 Prozent. Bitter für das centrodestra ist allerdings die Niederlage in Verona. Sie ist auch weniger politischen Differenzen als persönlichen Animositäten geschuldet: In der Stichwahl lehnte der Kandidat des centrodestra die Unterstützung eines in der ersten Runde gescheiterten Bewerbers ab. Auch in Italien kommt Hochmut vor dem Fall. 

Die Wahlen zum italienischen Parlament in Rom werden trotz aller politischen Gegensätze zwischen den Parteien der „Draghi-Mehrheit“ voraussichtlich regulär im Frühjahr 2023 stattfinden. Entscheidend wird sein, so der Philosoph und einstige Inspirator der 5Stelle, Paolo Becchi, den Schatz der Wähler zu heben, die an diese Bewegung geglaubt und für sie  gestimmt haben, vor allem in Süditalien. „Es wird nicht einfach sein“, so Becchi, „es sind die Stimmen der Enttäuschten, der Empörten, der Systemkritiker.“

Foto: Pixabay

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Elias Hallmoser / 06.07.2022

Es reichte wohl schon, würde man sich die Fakten vergegenwärtigen und sie begreifen. Italien hatte 1860 eine Bevölkerung von ca. 22 Mio. Bürgern, 2020 sind es ca. 60 Mio. Bürger und das wohl nur, weil sehr viele Italiener auswanderten, sonst wären es einige Mio. Bürger mehr. Da nun Italien sehr gebirgig ist, wird das Wasser vom Boden nicht gespeichert. Die Makroklimata Nord-, Mittel- und Süditaliens unterscheiden sich nochmal. Auch Italien ist in den letzten 160 Jahren vom Agrarstaat bis heute zu einem Industriestaat geworden. Jährlich hat Italien dann noch ca. 65 Mio. Bürger anderer Staaten als Touristen. Nicht nur aber gerade auch Italien hätte aufgrund all dieser Faktoren und seiner geographischen Lage schon seit Jahrzehnten eine an die Nutzung entsprechend angepasste Wasserwirtschaft haben müssen.

A. Ostrovsky / 06.07.2022

@Franz Michael : “Italien erhält doch 750 Milliarden Euro schon aus dem COVID EU-Wiederaufbaufonds.” Was soll dort wieder aufgabaut werden? Italien oder die EU? Nicht ganz schlüssig, zumal ich gerade von Lucius De Geer gebrieft worden bin, dass Italien top in Schuss ist und keinen Wiederaufbau braucht. Man sollte das Geld lieber nach Deutschland umleiten. Aber Geld allein macht auch nicht glücklich. Sieht man ja an Umbrien.

Dr Stefan Lehnhoff / 06.07.2022

Wenn die Italiener wirklich eine Wahl Haben wollen , sollten Sie vielleicht in die Niederlande schauen.

A. Ostrovsky / 06.07.2022

@Lucius De Geer : “... ist die Arroganz vieler Deutscher, die immer noch meinen, Italien sei ein chaotisches Armenhaus, das dringend auf deutschen Ordnungssinn angewiesen sei.” Vielen Dank für die freundliche Zurechtweisung. Ich beziehe mich im Wesentlichen auf eigene Erfahrungen. Vielleicht war ich zu selten in Umbrien. Gut, ich besitze dort auch kein Haus. Vielleicht haben die Umbrier ein Gespür für Reichtum und wir spielen da in unterschiedlicher Liga. Ansonsten haben Sie mich völlig falsch eingeschätzt. Deutscher Ordnungssinn ist mir fremd und ich will auch niemanden belehren, bin aber selbst in Italien schon mehrfach belehrt worden, weil ich die Regeln nicht verstanden habe. Aber so teuer, wie am Zürisee, wenn man die Mülltrennung falsch macht, ist das nicht. Ich habe große Sympathie für die Italiener, gerade auch für ihren ausgeprägten Geschäftssinn, aber ich lasse mir nicht gern vorwerfen, ich wäre ein Deutscher. Sie scheinen sich mit Ihrem Namen da irgendwie sicher zu fühlen? Ich denke das ist unbegründet.

Franz Michael / 06.07.2022

Der Vertrag wurde unterzeichnet.—>“Am 16. Juni 2022, wurde im Amtsblatt der Italienischen Republik das Gesetz Nr. 66 vom 19. Mai 2022 zur Ratifizierung und Ausführung des am 21. Juni 2021 in Rom geschlossenen Abkommens zwischen der Regierung der Republik Italien und dem Internationalen Zentrum für Gentechnik und Biotechnologie (ICGEB) über die Tätigkeit des Zentrums und seinen Sitz in Italien,in Triest mit Anhang veröffentlicht.”<—Fast die gleichen UnRechte wie GAVI in der Schweiz. Nun die nächsten US Labore die wohl durch die EU finanziert werden sollen. Wasserknappheit passt da super. Italien erhält doch 750 Milliarden Euro schon aus dem COVID “EU-Wiederaufbaufonds”. Pflugs wird das Geld in Bio-/Waffentechnologie umgesetzt und Italien zahlt p.A. 10 Mio. Euro an das Sonderprojekt der UNIDO namens ICGEB. Aber kein Wasser…

Hermann Sattler / 06.07.2022

40 % des Trinkwassers gehen durch Lecks verloren? Offensichtlich will die keiner finden oder beseitigen. Italien ist seit Jahren das große Loch in dem die hauptsächlich Germoney finanzierten riesigen EU- Summen versickern. Wer wundert sich da über ein paar 100 Mio Liter versickertes Trinkwasser?

Frank Box / 06.07.2022

DAS ORIGINAL: Die Regierung Draghi kam zustande, weil der Vorgänger Conte keinen plausiblen Plan vorlegen konnte, wie die 200 Mrd. Euro des europäischen Fonds für die Ergrünung und Digitalisierung der italienischen Wirtschaft effizient einzusetzen seien. ♦ DIE ÜBERSETZUNG: Die Regierung Draghi kam zustande, weil der Vorgänger Conte keinen plausiblen Plan vorlegen konnte, wie die 200 Mrd. Euro des europäischen Fonds für die Ergrünung und Digitalisierung der italienischen Wirtschaft unter den Güstlingen der jeweiligen Regierungsparteien aufzuteilen seien.

Melanie Müller / 06.07.2022

Es ist in der Tat extrem heiß und trocken. Ernten sind Gefahr. Höre von Geo Engineering. Was ist da dran?

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