Berlusconi hat den Italienern eine klare Alternative geboten. Der italienische Bürger wählt rechts oder links, wenn er denn überhaupt wählt. Allen Versuchen, dazwischen eine unabhängige dritte Formation zu gründen, war immer nur ein kurzes Leben beschieden.
Nach dem Tode Berlusconis und der großen Trauerfeier im Dom von Mailand gingen die Werte seiner Partei Forza Italia in Meinungsumfragen nach oben. dies zeigt einmal mehr deutlich, was in Meinungsumfragen eigentlich gemessen wird: Aufmerksamkeit, in diesem Fall sicherlich auch noch Trauer und Mitgefühl.
Wo immer Berlusconi seine Finger hinein steckte, er war innovativ und er hatte, meistens jedenfalls, Erfolg: als Baulöwe (Milano 2), als Medienmogul (Mediaset), als Fußball-Oligarch (Milan) und als Politiker (Forza Italia).Und natürlich als Frauenheld (....).
Forza Italia - Club, nicht Partei
FI wurde von Berlusconi etwa ein halbes Jahr vor den nationalen Wahlen 1994 gegründet. Sein immer wieder zitiertes Motiv war, Italien nicht den Kommunisten zu überlassen. FI entstand zunächst nicht mit den klassischen Strukturen einer Partei, dazu war keine Zeit, sondern als eine Assoziation von Clubs. Jeder Italiener hatte das Recht, einen solchen Club von Unterstützern zu gründen und wenn er zehn beisammen hatte, wurde der Club anerkannt und bekam Informationsmaterial von der Zentrale in Rom. Nach wenigen Monaten beanspruchte FI, bereits eine Million eingeschriebene Mitglieder in diesen Clubs organisiert zu haben. Berlusconi definierte FI als politische Bewegung, nicht als Partei, aber als solche erreichte FI bei den Wahlen in 1994 bereits 21% und war damit die stärkste politische Kraft im Parlament in Rom. Der Präsident der FI zielte im Wahlkampf vor allem darauf, seine Bewegung als eine klare Alternative zur Linken zu etablieren und die “macchina da guerra”, die effiziente Wahlkampfmaschine der damaligen Nachfolgepartei des Partito Comunista, des Partito democratico della sinistra, zu stoppen.
Hass und Verehrung
Berlusconi war bei der politischen Linken verhasst. Das lag letztlich nicht an seinem überragenden Erfolg als Unternehmer und seiner entsprechenden finanziellen Ausstattung, die er auch für politische Zwecke einsetzte. Berlusconi hat der Linken ihre eingebildete moralische Überlegenheit abgesprochen, er hatte kein Interesse daran, geliebt zu werden von denjenigen, die er für den Zustand Italiens verantwortlich machte.
Geliebt wurde er wohl von seinen Angestellten, da war er der klassische Patriarch. In einer der Würdigungen des Rete 4, der Sender gehört zu seinem Konzern Media Set, wurde unter anderem eine Putzhilfe interviewt: Berlusconi sei vor einem frisch gewischten Boden mit seiner Gruppe einen Moment stehen geblieben, bis sie den Boden abgetrocknet hatte. Er habe auch vor einfacher Arbeit Respekt gehabt. Dem Vernehmen nach soll es auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten in seinem Konzern nie zu Entlassungswellen gekommen sein. Bei den Sendungen zu Würdigung Berlusconis wurde unten rechts stets Grazie Silvio eingeblendet, das verschwand dann allerdings bei den endlosen Werbepausen.
Die Grenzen und das Erbe
Bis heute ist Berlusconi derjenige Ministerpräsident, der Italien am längsten regiert hat. Auch Freunde sagen, dass es ihm sehr wohl gefiel, die Position des Ministerpräsidenten zu bekleiden, aber deutlich weniger, die entsprechende Arbeit zu machen. Die politische Tagesarbeit überließ er vielfach in all seinen vier Amtszeiten seinem Staatssekretär Gianni Letta. Berlusconi war Showman und liebte die großen Auftritte in der Außenpolitik. Er war zweifellos ein großer Kommunikator, berühmt das Bild, wie er zwischen Bush und Putin steht und beider Hände mit seinen zusammenführt: Damals ein Symbol für das Ende des Kalten Krieges, ein Bild, bei dem man sich heute fragt, was seitdem eigentlich alles schief gelaufen ist.
Einen politischen Erben hat der Partei- Patriarch nie aufgebaut. Forza Italia ist bzw. war Berlusconi, Und ohne Berlusconi wird diese Partei sich über kurz oder lang in den anderen Formationen des Centrodestra auflösen. Für italienische Verhältnisse ist dies nichts Ungewöhnliches, die Volatilität des italienischen Parteiensystems kann man sich aus deutscher Sicht kaum vorstellen. Zunächst, das heißt bis zu den Europawahlen, soll allerdings alles beim Alten bleiben: Sowohl Meloni wie Salvini haben erklärt, dass weder die Fratelli d`Italia noch die Lega gegenwärtig Mitglieder der Forza Italia aufnehmen wollen. In einigen Punkten hat sich die politische Linie der FI von diesen beiden Parteien unterschieden und dieses differenzierte Angebot des Centrodestra soll erst einmal erhalten bleiben.
Zum politischen Erbe Berlusconis gehört, dass er den Italienern eine klare Alternative geboten hat. Die großen Formationen der italienischen Politik firmieren heute als Centrodestra und Centrosinistra. Und allen Versuchen, dazwischen einen terzo polo, eine unabhängige dritte Formation zu gründen, war immer nur ein kurzes Leben beschieden. Der italienische Bürger wählt rechts oder links, wenn er denn überhaupt wählt, was er immer weniger tut, und hat dann innerhalb der großen Formationen eine Auswahl, aber tertium non datur.