Bauernproteste, Landschaftsschutz, die Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen, Regionalwahlen auf Sardinien: In Italien ist allerhand los, was auch Auswirkungen auf uns haben könnte.
Auf den Traktoren, die in Rom am Kolosseum und in ganz Italien demonstrierten, wehte die italienische Trikolore. Auch wenn die italienischen Bauern klare Forderungen an die Regierung Meloni haben, gehören sie doch zu deren Kernwählerschaft und wissen, dass sie sich von einem Regierungswechsel nichts versprechen können. Mit ministeriellen Gesprächsrunden und Zusagen für steuerliche Erleichterungen hat die Regierung schnell reagiert.
Für die protestierenden Landwirte steht im Zentrum die Forderung, für ihre Produkte nach den Kostensteigerungen der letzten Jahre wieder angemessene Erlöse zu bekommen. Viele beklagen, nicht mehr kostendeckend produzieren zu können; auch in Italien hat sich in den letzten Jahren die Zahl der selbstständigen Landwirte drastisch vermindert. Die Regelungen des Brüsseler Green Deals überziehen hier wie in ganz EU-Europa die Landwirte mit einem Netz von Vorschriften und Regularien, schränken sie entsprechend ein in der Nutzung ihrer Produktionsmittel und bürden ihnen bürokratische Lasten auf.
Die italienische Linke steht in dem Dilemma, einerseits die Proteste zu goutieren, soweit sie sich an die nationale Regierung richten. Aber andererseits verteidigen sie die Maßnahmen des Brüsseler ökosozialistischen Green Deals, und in dieser Sichtweise sind die Bauern egoistische Klimaschädlinge. Da beides schwer miteinander vereinbar ist, schweigt der linke Partito Democratico weitgehend zu diesem Thema.
Sardinien: Sieg und Niederlage
Die Liste des Centrodestra, der Mitterechts Koalition, hat die Regionalwahlen auf Sardinien mit 48 Prozent klar gewonnen, die Liste der Centrosinistra kam auf 42 Prozent. Mit einer zweiten Stimme kann der Präsident der Region gewählt werden; diese Wahl hat die Kandidatin des Centrosinistra Alessandra Todde knapp für sich entschieden.
Verloren hat diese Wahl auch Giorgia Meloni, die ihren Kandidaten Paolo Truzzo, den Bürgermeister von Cagliari, gegen den Wunsch und Willen ihrer Koalitionspartner in Rom durchgesetzt hat. Wie ungeeignet dieser Kandidat war, ließ sich daran ablesen, dass er in seiner Heimatstadt Cagliari ein um 20 Prozentpunkte schlechteres Ergebnis eingefahren hat als ansonsten auf der Insel. Nicht zum ersten Mal ist die Koalition unfähig, einen Kandidaten zu präsentieren, der die Zustimmung zur politischen Linie des Centrodestra auch persönlich in Stimmen umwandeln kann.
Meloni hat ihren Kandidaten durchgesetzt, um ihren Führungsanspruch innerhalb der Koalition zu bekräftigen. Und sie kennt ihren durchgefallenen Kandidaten seit Jahrzehnten. Eigentlich ist Meloni nicht der Typ Politiker, der bereit wäre, aus Loyalität für irgendeinen Truzzo (politisch) zu sterben…
Landschafts- statt Klimaschutz
Die italienische Landschaft steht unter dem besonderen Schutz der Verfassung (Art. 9) und wird als historisches Erbe der Nation betrachtet. Auf diesen Artikel berufen sich mehrere Initiativen und Komitees, die sich in der südlichen Toskana gebildet haben, um das Projekt eines Windparks in ihrer Landschaft zu verhindern. Bei Pitigliano, westlich des Lago di Bolsena, beabsichtigt eine Firma, sechs etwa 210 Meter hohe Windräder zu installieren.
Die dort bis zur Küste reichende Landschaft der Maremma ist eine sanfhügelige Wiesen- und Weidefläche, durchsetzt mit kleinen Wäldern und Olivenhainen, die vorwiegend zur Schaf- und Rinderzucht genutzt wird. In den betroffenen Kommunen hat sich ein massiver und überparteilicher Widerstand entwickelt. Das Projekt, so die gemeinsame Erklärung verschiedener Initiativen, sei ohne Kenntnis der örtlichen Voraussetzungen und ohne jede Rücksicht auf die wirtschaftlichen und touristischen Auswirkungen geplant worden. Der Plan nehme keine Rücksicht auf den Landschaftsschutz, und die behaupteten Vorteile seien allgemeiner Art und könnten nicht sinnvoll gegen die vielfältigen örtlichen Interessen ausgespielt und abgewogen werden.
Für die Windkraftanlagen stark macht sich ausgerechnet die Legambiente, die größte italienische Umweltschutzorganisation und wie der programmatisch ähnlich positionierte BUND in den 1980er Jahren gegründet. Dessen Prioritätenverschiebung vom Landschafts- und Umweltschutz in Richtung Klimaschutz scheint die Legambiente nachzuvollziehen. Dabei hatte der Verein einst den Kampf gegen die “ecomostri” oft erfolgreich geführt. Eco-Monster wurden Gebäude, Industrieanlagen und auch Tourismus-Dörfer genannt, die an landschafts- und kultursensiblen Orten, oft missbräuchlich, errichtet worden waren. Die Klagen haben in etlichen Fällen dazu geführt, dass landschaftsverschandelnde Bauten verhindert oder sogar wieder abgerissen wurden..
„Wir erinnern die Legambiente”, so die Erklärung der örtlichen Komitees, „dass die Bürger berechtigterweise ihr Land verteidigen, ihre Geschichte und ihre Gemeinschaft vor gewaltsamen und ausschließlich spekulativen Angriffen schützen wollen, die vorangetrieben werden von multinationalen Unternehmen, die in diesem Landschaften lediglich eine Quelle von Profit sehen.” Die Entscheidung liegt jetzt beim römischen Ministerium für Umwelt und Energiesicherheit.
Kommission arbeitet Corona-Zeit auf
Im vergangenen November hat der römische Senat den Untersuchungsausschuss auf den Weg gebracht, der über Angemessenheit und Legitimität der Covid-Maßnahmen der Regierungen Conte und Draghi befinden soll. Am 14. Februar ist das Gesetz, welches den Ausschuss begründet, jetzt auch vom Parlament mit großer Mehrheit verabschiedet worden. Die linke Opposition, damals in der Regierung, hatte den Ausschuss heftig bekämpft und sogar Staatspräsident Mattarella eingeschaltet. Dieser hatte behauptet, nur der Richterschaft stünden derartige Untersuchungen zu. Untersuchungsausschüsse sind allerdings in Art. 82 der italienischen Verfassung vorgesehen. Um eine juristische Verurteilung geht es auch nicht, allerdings um eine politische Beurteilung.
Ein Abgeordnete von Melonis Fratelli d'Italia bezeichnete den damaligen Gesundheitsminister Roberto Speranza als den schlechtesten italienischen Gesundheitsminister aller Zeiten und fragte, ob er nicht Mitgefühl für die Millionen Italiener empfinde, die er während der Pandemie in ihren Häusern eingesperrt habe. In seiner Replik rückte der Ex-Minister die Abgeordnete dann in Faschismusnähe, womit sich auch in Italien immer noch Solidarisierungseffekte innerhalb der Linken erzielen lassen. Ex-Ministerpräsident Giuseppe Conte warf der Regierung vor, nur Propaganda und Fake News zu verbreiten, und in der Kommission komme dann schon die Wahrheit ans Licht. Hoffen wir es – zumal die Ergebnisse auch für Deutschland interessant sein können.
Hermann Schulte-Vennbur, geb. 1952, Studium der Soziologie und Philosophie in Bonn, Bielefeld und Bologna. Promotion zum Dr. rer.soc. in Bielefeld. Nach dem Studienjahr in Bologna bis heute regelmäßige und längere Aufenthalte in Italien, Beschäftigung mit ital. Politik und Kultur. 2020 Veröffentlichung von „Ein Weg nach Rom“ (Amazon Verlag, auch E-Book). Beruflich lange Zeit in der Politikberatung tätig, u.a. als Referent für Heiner Geißler, später Interessenvertretung und politische PR- Beratung für Unternehmen. Ab 2008 Ausbildung zum Coach und Therapeuten. Heute Praxis für Coaching & Psychotherapie in Hennef (Sieg).