Erik Lommatzsch, Gastautor / 18.04.2022 / 06:10 / Foto: VitVit / 136 / Seite ausdrucken

EKD-Osterbotschaft mit schwerem Geschütz

Nach dem Rückzug von Erscheinungen wie Bischof Heinrich Bedford-Strohm wurde zu recht prophezeit, es käme danach wohl noch viel schlimmer. Das stellte jetzt sehr schön Anna-Nicole Heinrich in ihrer Funktion als neuer Präses der evangelischen Kirche in Deutschland unter Beweis.

Ukrainer*innen, Ermöglicher*innen, Partner*innen, Christ*innen, Akteur*innen, Klimaaktivist*innen… das Würgen, mit dem Anna-Nicole Heinrich im „Interview der Woche“ des Deutschlandfunks das sich pandemisch (ha!) ausbreitende Dummsprech praktiziert, klingt nicht ganz so aufdringlich-unappetitlich wie bei manch Ungeübtem, ist aber klar und deutlich zu vernehmen. Spannend übrigens: Sofern man sich darauf einlässt – wo versteckt sich bei Wortkreationen wie Christ*innen, Akteur*innen und Klimaaktivist*innen die – schlichte – männliche Pluralform? Müsste das nicht auch markiert sein, etwa Christ*inn*en oder gar Akteur*inn*e*n? Ein Aussprachefest, eine Herausforderung sondergleichen, eine Anregung für jeden fröhlichen Kindergeburtstag, inklusive anschließendem Kuchenerbrechen.

Aber Sprache war keiner von den wesentlichen Punkten der vorab aufgezeichneten Befragung von Frau Heinrich anlässlich des diesjährigen Osterfestes. Um Stellungnahmen gebeten wurde sie in ihrer Funktion als Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). In dieses Amt wurde sie vor einem knappen Jahr im ungewöhnlich jungen Alter von gerade einmal 25 Jahren gewählt. 

Frau Heinrich zählt zu den maßgeblichen Repräsentanten der EKD. Insofern steht ihre Osterbotschaft durchaus für deren derzeitiges Selbstverständnis. Gefragt nach dem Problem der schwindenden Mitgliederzahl der Kirchen, neuerdings ist diese in Deutschland wohl erstmals unter 50 Prozent gesunken, ob man etwa auf dem Weg in die Nische sei und wie man dem begegnen wolle, erklärt sie, es sei wichtig, klar zu benennen, dass Kirchenmitgliedschaft einem was bringt, dass es einen Mehrwert hat, Kirche stark zu halten und auch in [der] Kirche zu bleiben. Und auf der anderen Seite… müssen wir uns auch neu Gedanken machen, wie erlauben wir Leuten teilzuhaben, die sich nicht so fest binden wollen… wir sind ja in einer Gesellschaft, da ist feste Bindung nicht mehr so richtig en vogue… Frau Heinrich wartet mit einem luziden Vergleich auf: Zu gleichen Bedingungen würde man ja auch den Handyvertrag mit der kürzeren Laufzeit vorziehen, weil ich schneller wieder rauskomme, wenns mir doch nicht gefällt. Spannend, Religion als weiteres Geschäftsfeld für Check24. Nebenbei: Dass  „Teilhabe“ schon immer möglich war, auch ohne formelle Mitgliedschaft, scheint ihrer Aufmerksamkeit entgangen zu sein. Im Allgemeinen war Kirche jedem Interessierten gegenüber sehr aufgeschlossen – zumindest vor der Ära des Impfausweises.

„Eigene Klimaneutralität angehen, sich ernstmachen...“

Während der Corona-„Pandemie“ haben die Kirchen nahezu flächendeckend versagt, das Ausmaß der Zurückweisung und Aussperrung der Gläubigen durch Pfarrer und Bischöfe dürfte historisch ohne Beispiel sein. Mehr noch, man übte sich in vorauseilendem Gehorsam und unterstützte laut tönend und vor allem handfest Staatskampagnen. Weit davon entfernt, sich verbal derart weit nach vorn zu wagen, ist dem Interviewer doch aufgefallen, dass da bezüglich der Kirchen etwas im Argen lag. Folglich sieht sich die EKD-Präses genötigt, hier Stellung zu nehmen. Nun ja, alles war wohl nicht perfekt, aber man muss schon daneben legen, dass Kirche und vor allem auch Diakonie während der Krisenzeit ne riesige Leistung erbracht haben und wirklich professionell in der Situation, auf die wir auch nicht vorbereitet waren, reagiert haben und überall wo möglich Hilfsstrukturen zur Verfügung gestellt haben. Ich glaube, das hat vor allem still stattgefunden… 

Der „menschengemachte Klimawandel“ scheint Frau Heinrich als Thema angenehmer zu sein, selbst wenn sie, mit Blick auf die verwandten Bedrohungsszenarien der vergangen Jahrzehnte, bedauernd einräumen muss, aktuell sind wir als Kirche nicht mehr Teil der Spitze dieser Gesamtbewegung. Aber das heißt natürlich nicht, dass man da nichts tun kann. Immerhin ist es so, dass wir als Kirche ne riesige Institution sind, die wahrgenommen wird, auf die geschaut wird und da müssen wir glaubwürdig handeln… eigene Klimaneutralität angehen, sich ernstmachen, verbindliche Richtlinien schaffen... Das ist nicht so ganz originell, aber Frau Heinrich fällt noch ein weiterer Ansatzpunkt ein, nämlich die Deppenaktivierung. Man könne gerade über die Diakonie sehr unterschiedliche Milieus erreichen, auch Milieus, die bis jetzt wenig sensibilisiert sind für das Thema und dort wirklich mit dem Thema aufschlagen und zwar Ängste nehmen, aber auch Verantwortung aufzeigen. Es geht noch weiter, wenn auch etwas diffus. Klimagerechtigkeit ist auch ne Frage zwischen Nationalitäten, zwischen Ländern, zwischen Kontinenten, es sei Aufgabe, zu zeigen, wo das Leid ist, dahin zu zeigen, wo die Armen sind und gleichzeitig zu sagen, wir sind dafür verantwortlich.

Wer jetzt der Meinung war, er kannte das alles schon und habe seine Kirchenmitgliedschaft ohnehin bereits vor längerer Zeit aufgrund von Erscheinungen à la Bedford-Strohm (nach dessen Rückzugsankündigung zu recht prophezeit wurde, es käme noch viel schlimmer) den Austritt vollzogen, für den hat EKD-Präses Heinrich etwas parat, was gern als Bestätigung empfunden werden kann. Den einen oder anderen wie auch immer der Kirche Verbundenen dürfte es aber dennoch überraschen. Der Krieg in der Ukraine kommt gleich zum Auftakt des Interviews zur Sprache. Frau Heinrich äußert dazu etwa, das ist irgendwie so ne Form von Aggression, die es glaub ich vorher nicht gegeben hat… die aber so neu ist, dass wir, glaub, ich ganz neu lernen müssen, damit umzugehen. 

Die Bildungs- und Beurteilungshorizonte führender Kirchenfunktionäre

Tja, da haben gute Menschen am Reißbrett eine gute Welt entworfen und da kommen welche und machen nicht mit. Was auch immer man davon hält, das ist der Lauf der Dinge und manchmal lohnt es sich eben doch, den Staub von den Geschichtsfolianten zu blasen und mal reinzulesen. Wer hatte gleich noch mal gesagt, die gefährlichste Weltanschauung habe der, der die Welt nicht geschaut habe? Das lässt sich auch auf Bildungs- und Beurteilungshorizonte führender Kirchenfunktionäre übertragen. Ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg sei es (was wäre eigentlich ein „völkerrechtskonformer Angriffskrieg“?) , das betont Frau Heinrich sehr oft, und da gebe es dieses unbestrittene Selbstverteidigungsrecht der Ukrainer*innen. Daher seien auch Waffenlieferungen gerechtfertigt. 

Die mit der Corona-„Pandemie“ beschleunigte Neujustierung der Rolle der Kirchen wird rasant fortgeführt. Dass Kirche im Kriegsfall alles tut, um sich für Frieden einzusetzen, an vorderster Front der Vermittler steht (und an keiner anderen Front), sich als neutraler Ansprechpartner anbietet, humanitäre Aktionen in Gang setzt, für diejenigen da ist, die schwere Entscheidungen zu treffen haben, in welche Richtung auch immer, dass Positionen, die vielleicht gerade nicht mehrheitsfähig sind, dort zwar nicht unbedingt Zustimmung, aber Gehör finden – all das hätte man erwartet. Die EKD-Präses will mehr. Aber immerhin, welche Waffen, ob leichte, ob schwere Waffen… notwendig sind, müssen als allererstes die Ukrainer*innen entscheiden und dann die Politik, welche die liefern wird. Die Kirche ruft zu Waffenlieferungen in Krisengebiete auf. Das ist neu. Oder sehr alt.

Der große Erich Kästner reimte einmal, bezogen auf den Ersten Weltkrieg: „Ein Pastor, der in der Heimat klebte,/ sagte seinerzeit ungefähr: ‚Wenn unser Herr Jesus heute lebte,/ bediente er ein Maschinengewehr!“ Kästner fragt, ob jemand die Adresse des Pastors wüsste, damit er diesem Ohrfeigen anbieten könne. Das kleine Gedicht endet mit den Zeilen: „Das Schlimmste an diesen Zitaten allen/ ist, dass man sie für möglich hält.“

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Henni Gedu / 18.04.2022

Gendern ist sexistisch. Wo bleiben die Diversen samt Derivaten? Allen gerecht werden schafft eine Rangordnung und noch mehr Vordrängler. Männlichkeit ist nicht toxisch, sondern ökonomisch, spart Papier und rettet den Wald. Gottvertrauen statt gegendertes Gelaber, schon fällt Putin wie vom Blitz getroffen vom Panzer und wird zum Gutin. Die Bibel lesen, frommes Fräulein oder wer auch immer! Gott bringt die Erleuchtung. Staatsfunk verbraucht Strom zum Verdunkeln.

Thomas Brox / 18.04.2022

Der Beamtenstaat Dummland kann sich voll auf seine Priester verlassen: Die Kleriker der beiden Konfessionen sind Beamte. Folglich werden die fetten Gehälter und Pensionen auch dann gezahlt, wenn aufgrund der Austritte praktisch keine Kirchensteuer mehr gezahlt wird. Das Beamtengehalt eines Bischofs liegt ungefähr zwischen 8.000 und 13.000 Euro, wobei diverse Zulagen nicht mitgerechnet sind, siehe [stop-kirchensubventionen: Fürstliche Gehälter auf Steuerzahlers Kosten]. Auch nicht mitgerechnet ist die mietfreie Wohnung in Form eines Palais mit Chauffeur und luxuriösem Dienstwagen. So lassen sich ganz prima christliche Werte predigen - vor allem Bescheidenheit, Armut, Nächstenliebe. War Jesus auch Beamter? ++ Trennung von Religion und “Staat”? Aufgeklärter bürgerlicher Rechtsstaat? Hoffnungslos im Dummland. ++ Aufgrund der “Gleichheit vor dem Gesetzt” müssten doch die fetten Beamten-Privilegien jedem Priester jeder Religion zustehen - u.a. auch islamischen Priestern. Was sagt da eigentlich das BVerfG dazu? Gab es noch keine Klagen anderer Religionen? ++ Heutige Morgenlage: “140 Ermittlungsverfahren in Deutschland wegen des Z-Symbols?” Die fortschreitende Demontage der Meinungsfreiheit interessiert den bräsigen, feigen Dummländer auch nicht weiter. Es geht hierbei nicht darum, ob eine Meinung richtig oder falsch ist. Es geht darum, dass eine Meinung geäußert werden kann. Was für ein erbärmlicher, verlogener Schmarotzerstaat, der es nötig hat, seinen wertschöpfenden Untertanen den Mund zuzuhalten.

Marco van Orthen / 18.04.2022

Spätestens nach dem Vulvenmalen musste jeder Christ begriffen haben, dass die Kirche zu einem Gaga-Verein für kirchensteuerfinanzierte bzw. alimentierte Amts- und Nichtsamtsträger verkommen ist, die nichts Besseres zu tun haben, als jahrhundertealte wertvolle Traditionen zu dekonstruieren. Dass sie sich dabei selbst noch als „gut“ empfinden, stetzt dem Ganzen die höhnische Krone auf.

Chris Ann Anders / 18.04.2022

Diese Kirche ist nicht mehr zu retten. Menschen wie Anna-Nicole Heinrich zerstören unsere Kultur.

Martin Brunnemann / 18.04.2022

Bitte geben Sie die Inhalte von solchen Interviews genauer wieder.

Richard Loewe / 18.04.2022

die beiden Kirchen sind für den Great Reset und werden ihn auch bekommen. Und ich freu mich drauf!

Arnold Balzer / 18.04.2022

Diese “Philosophin” steht ja nicht allein mit ihrer Kriegstreiberei, das ist jetzt allgemeiner Konsens in dieser Evangelen-Truppe: Auch dieser Stäblein (immerhin Bischof!) outet sich als kriegslüsterner Stratege des Sowohl-Als-Auch: “In der Nachfolge Jesu habe zwar jede Form der Gewaltlosigkeit Vorrang…”, aber Waffenlieferungen an die Ukraine sind “vereinbar mit der christlichen Friedensethik”! Auch die Kurschus aus Bremen mahnt angesichts des Krieges in der Ukraine eine “Weiterentwicklung” der christlichen Friedensethik an, hört, hört! “Frieden schaffen ohne Waffen scheitert derzeit (!) an einem Aggressor…” Ach, gab es seit Ende des WK II bis jetzt _keine_ Aggressoren, denen man mit Waffen hätte entgegentreten müssen? (Quelle ekd_de)

Arne Ausländer / 18.04.2022

Seit der 99%igen Komplizenschaft beim Osterausfall 2020 brauche ich keine weiteren Skandale, um zu erkennen, daß die bestehenden organisierten Kirchen sich endgültig gegen ihren eigentlichen Herrn Jesus Christus verschworen haben. Eine glaubhafte Kirche könnte allenfalls aus den versprengten Bruchstücken neu erwachsen, getragen durch diejenigen, die bei dem großen Verrat nicht mitgemacht haben, dazu - christlich traditionell - durch die, die ihre schweren Fehler wirklich begriffen und ehrlich bereut haben (werden). Da aber Jesus wohl nie eine Kirche begründen wollte, kann man es auch so sehen, daß nun unnötiger Ballast abgeworfen wurde. Seine Botschaft bedurfte einer formalen Kirche nie. Auch wir als Menschen sollte ohne diese auskommen können.

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