Der Prozess gegen Donald Trump hat Züge eines Spektakels, dem immerhin der Unterhaltungswert nicht abzusprechen ist. Die Aussicht auf Erfolg ist hingegen äußerst zweifelhaft. Insofern ähnelt die Aufführung einem gerade beendeten Prozess gegen die Schauspielerin Gwyneth Paltrow.
Anklageerhebung gegen Ex-Präsident Donald Trump und der Abschluss eines Dauerprozesses gegen die Schauspielerin Gwyneth Paltrow: Wie es der Zufall wollte, traf am letzten Donnerstag der Abschluss eines spektakulären Prozesses gegen eine Berühmtheit zusammen mit dem Anfang eines anderen. Auch wenn diese Prozesse fundamentale Unterschiede aufweisen, besonders den zwischen Zivil- und Strafprozess, haben sie große Gemeinsamkeiten: Beide werden gegen Prominente geführt, beide haben großen Unterhaltungswert, beide haben eine ziemlich dünne Faktenbasis und miserable Belastungszeugen, und mit einiger Sicherheit werden beide damit enden, dass am Ende nicht viel von ihnen übrigbleibt.
Zunächst der Prozess gegen Frau Paltrow. Der drehte sich um einen Zusammenstoß im sehr schönen Skigebiet Deer Valley in Utah (wo man dieses Jahr übrigens Schneerekorde vermeldet, mit inzwischen 15 Metern im benachbarten Alta). Der Zusammenstoß trug sich auf einer Anfängerpiste zu, die einerseits viel von der Skischule genutzt wird, andererseits auch der Weg zu einem benachbarten Berg mit schwereren Abfahrten ist, wo dementsprechend bisweilen der Verkehr dicht ist und sich gemäßigte Tempi empfehlen. Es kollidierten Gwyneth Paltrow und der Augenoptiker im Ruhestand Terry Sanderson, heute 76 Jahre alt, damals aber erst 69, denn der Zusammenstoß trug sich schon 2016 zu, und die Parteien prozessierten sieben Jahre mit allerlei Anträgen, bevor die Hauptverhandlung beginnen konnte.
Terry Sanderson wollte von Paltrow rund drei Millionen Dollar dafür haben, dass sie sein Leben ruiniert habe, er eine hirnorganische Störung durch die erlittene Gehirnerschütterung erlitten habe, die ihn unausstehlich mache und sein Sozialleben ruiniert habe, dazu Verletzungen an den Rippen. Paltrow ihrerseits klagte auf einen Dollar symbolischen Schadenersatz, weil Sanderson fahrlässig von hinten in sie hineingefahren sei. Weil beim Skifahren der von hinten kommende Skifahrer dem Skifahrer vorne, der ihn nicht sehen kann, ausweichen muss, drehte sich die Schuldfrage darum, wer bei der Kollision hinten beziehungsweise oben war und in den Anderen hineinfuhr. Es gab dabei ein interessantes Detail, das schon von Anfang an ein Tipp hätte sein können, dass es so schlimm vermutlich nicht war. Bei beiden Beteiligten lösten die Bindungen nicht aus, was sie bei ungewöhnlichen Belastungen zu tun pflegen, und die Beteiligten wirken beide nicht so, als ob sie ihre Bindungen für extremes Skifahren zudrehen würden.
„Die andere Persönlichkeit, die meinen Körper bewohnt“
Die Sache lief nicht gut für Sanderson. Paltrows Anwälte konnten zeigen, dass Sandersons Szenario nicht sehr plausibel war. Es gab zwar keine Zeugen der Kollision selbst, wohl aber unmittelbar vorher und hinterher. Es gab auch biophysikalische Gutachten und Experten als Zeugen, die erhebliche Zweifel an der Möglichkeit von Sandersons Version der Geschichte weckten, während Paltrows Version mit den Gesetzen der Physik zu vereinbaren war. Man könnte Sanderson nun zugutehalten, dass ein Opfer einer lebensverändernden Gehirnerschütterung sich nicht unbedingt an das Geschehen direkt vor dem Schlag erinnern kann, dass die meisten Zeugen zu Paltrows Gruppe gehörten, aber eine plausible Geschichte hatte er nicht anzubieten. Am Schluss versuchte Sandersons Anwalt die Sache gar noch mit einem Argument zu retten, dass Paltrow unter Sandersons Ski gefahren sein könnte, was jedenfalls auf einer präparierten Anfängerpiste offensichtlich unmöglich ist – der mit dieser Theorie konfrontierte Experte merkte süffisant an, dass Ski vorne nach oben gebogen sind.
Es erschien weiterhin medizinischen Experten gänzlich unglaubhaft, dass Sandersons Altersbeschwerden von einem Zusammenstoß mit Paltrow stammten, da er einerseits ähnliche Beschwerden schon vorher hatte, darunter wohl hirnorganische und psychiatrische, er andererseits aber auch hinterher weiterhin sportelte, Fernreisen unternahm, sich Freundinnen hielt, so dass eine graduelle Verschlechterung zuvor bestehender Symptome weitaus wahrscheinlicher scheint als ein einmaliges traumatisches Ereignis.
Schlimmer als Sandersons Mangel an einer plausiblen Geschichte war allerdings eine durchgängig erkennbare Tendenz seinerseits, aus dieser Kollision Profit in Form von Geld und noch mehr in Form von Aufmerksamkeit schlagen zu wollen, eine durchgängige Tendenz zu Lügen und Übertreibungen. Das fing damit an, dass er einmal unter Eid aussagte, 1,72 m groß zu sein, dann aber ebenfalls unter Eid nur 1,65 m, ohne diese Schrumpfung wirklich erklären zu können. Vielleicht, konnte man sich leicht denken, ist er ein Gernegroß. Stunden nach dem angeblich für seine Gesundheit katastrophalen und von Paltrow verschuldeten Zusammenstoß schrieb er an seine Töchter eine E-Mail mit dem Betreff „Ich bin berühmt“ und erwähnte ein GoPro-Video des Zusammenstoßes, dessen Existenz er nun bestritt. Das konnte man als Hinweis verstehen, dass ein solches Video durchaus existierte, aber sein Inhalt unvorteilhaft für Sanderson war. So oder so, den Sargnagel in seine Glaubhaftigkeit trieb er mit der Antwort, dass seine Aussage bezüglich seiner Berühmtheit von „der anderen Persönlichkeit, die derzeit meinen Körper bewohnt“ gekommen sei, und Gwyneth Paltrow sei schuld daran. Er gab auch frei zu, Aufmerksamkeit von Ärzten durch das Übertreiben von Symptomen zu fordern, und überhaupt: „Ich verspreche mich oft.“ Als Zeuge in eigener Sache hatte er sich erledigt.
Realitätsverlust und Ennui
Es kam, wie es kommen musste. Nach ganzen acht Verhandlungstagen, und nachdem schon der vorsitzende Richter den Vorwurf, Paltrow hätte sich unerlaubt vom Unfallort entfernt, als gänzlich unplausibel kassiert hatte, kamen die Geschworenen nach recht kurzer Beratung zum Ergebnis, dass Sanderson den Unfall alleine verursacht hatte, er nichts bekäme und Paltrow ihren einen Dollar für den ruinierten Skitag. Damit war dieser Prozess erledigt, hatten die Vorwürfe gegen Paltrow sich in Luft aufgelöst.
Terry Sanderson konnte in dieser ganzen Geschichte bei Zuschauern ein wenig von dem Mitleid erregen, das er sich von den Geschworenen so wünschte, wenn auch nicht aus dem Grund, dass Gwyneth Paltrow in ihn hineingefahren wäre. Er erschien nicht so sehr wie ein gerissener Prozessbetrüger, sondern eher wie ein alter Mann, der sieben Jahre seiner schwindenden Lebenserwartung darauf verschwendet hatte, in Gwyneth Paltrow die Schuldige an seinen Altersgebrechen und seiner Unausstehlichkeit zu sehen. Einmal hat er sich als Rächer der Entrechteten sogar zu der Aussage hinreißen lassen, dass wenn er nicht gegen Paltrow prozessiere, am Schluss Minderjährige auf Inseln sexuell missbraucht würden. Aus eigenen Problemen wurde Verfolgungseifer gegen ein eher zufälliges Opfer und eine Verschwendung von Geld, Energie und Lebenszeit aller Beteiligten.
Gleichzeitig gewann der Prozess einen Reiz und Beachtung auch dadurch, dass in gewisser Weise die Rollen vertauscht waren. Gwyneth Paltrow wirkte normal und sympathisch, eine Mutter, deren Skitag mit ihrem Freund und den Kindern durch einen unvorsichtigen Skifahrer unterbrochen wurde. Normalerweise würde man die Abkopplung von der Realität bei Paltrow erwarten, einer Frau, die Knochenbrühe ohne Einlage für eine Mahlzeit hält (aber trotzdem sportelt und irgendwoher die Kalorien dafür schon hernimmt, wenn keiner zuschaut), ihre Gesundheit mit „rektaler Ozontherapie“ zu erhalten sucht, und unter ihrer Marke Goop solche Dinge verkauft wie eine angeblich nach Vagina riechende Duftkerze für $75 oder ein in das entsprechende Körperteil einzuführendes Ei aus Jade für schlappe $66 mit dem Versprechen, dass das „Freude und Wohlbefinden“ bringe. Das erfordert schon eine bemerkenswerte Kombination aus Realitätsverlust, verfügbarem Einkommen und Ennui, nicht nur bei Paltrow, sondern auch bei der Kundschaft (wie übrigens die Skifähigkeiten der Familie sich für den Umstand, dass jedes einzelne Familienmitglied einen eigenen hervorragenden Skilehrer für 1.170 Dollar am Tag plus Trinkgeld bekommt, eher in Grenzen halten). Normalerweise bei vielen Leuten kein Sympathieträger, war Paltrow nun eine sympathische und vernünftige Mutter, deren Weg sich unglücklicherweise mit einem Unsympathen kreuzte.
Parallele zum Trump-Prozess
Während der Prozess gegen Paltrow letzten Donnerstag zu Ende ging, nahm der gegen Donald Trump seinen Anfang mit einer Anklageerhebung in New York. Während die Regeln und Beweislast beim Strafprozess fundamental anders sein werden als beim Zivilprozess gegen Paltrow, hat der Prozess gegen Trump alle Elemente, die auch den Prozess gegen Paltrow schon zu einem Medienspektakel gemacht haben.
Auch im Prozess gegen Trump wird mit einiger Wahrscheinlichkeit nichts herauskommen. Die Anklage ist noch bis zur formalen Eröffnung in Trumps Anwesenheit unter Verschluss, aber es ist bekannt, dass die Sache sich auf seine Zahlung von Schweigegeld an die Pornodarstellerin Stephanie Clifford, bekannt unter ihrem Künstlernamen Stormy Daniels, bezieht. Auch in diesem Prozess wird eine normalerweise nicht unbedingt sympathische Person, Donald Trump, die ihr Geld mit dem Verkauf eher seltsamer Produkte und Dienstleistungen, insbesondere aber der eigenen Berühmtheit, verdient hat, auf noch unsympathischere Gestalten treffen. Auch in diesem Prozess wird sich die Sache lange hinziehen. Auch in diesem Prozess wird das Medienspektakel unterhaltsam werden. Der Unterschied ist allerdings, dass Paltrow sich nun wieder dem Skifahren, der Knochenbrühe und dem Verkauf von Jadeeiern widmen kann, während Donald Trump gerne noch einmal Präsident werden würde, der Prozess also unweigerlich eine politische Bedeutung bekommt.
Auf dem Pfade der Dunkelheit
Zunächst die als relativ gesichert geltenden Fakten. Im Oktober 2016, kurz vor der von ihm schließlich gewonnen Präsidentenwahl, wurde Trump von Daniels mit der Drohung der Offenlegung einer Affäre erpresst. Anstatt mit einer Strafanzeige zu reagieren, ließ er den ziemlich schmierigen Anwalt Michael Cohen ein Schweigegeld von 130.000 Dollar an Daniels zahlen, das von seinem Unternehmen ratenweise an Cohen zurückbezahlt und als Geschäftsausgabe für Rechtsberatung verbucht wurde. Cohen seinerseits wurde 2018 von der Bundesstaatsanwaltschaft wegen acht Delikten angeklagt, darunter einige nicht im Zusammenhang mit Trump, aber auch zwei Anklagepunkte im Zusammenhang mit der Schweigegeldzahlung, die auf der Annahme beruhten, dieses Schweigegeld sei vorwiegend zu Zwecken des Wahlkampfs gezahlt worden.
Die Vorwürfe gegen Cohen wurden nie in einer Gerichtsverhandlung überprüft, sondern er erhielt die Möglichkeit, sich in einem Kuhhandel aller Vorwürfe schuldig zu bekennen und dafür eine milde Strafe zu erhalten: drei Jahre, von denen er rund eines absaß. Cohen überwarf sich dabei auch mit seinem ehemaligen Arbeit- und Auftraggeber Trump, nannte ihn den Mann, „der verursacht hat, dass ich den Pfad der Dunkelheit statt dem des Lichts gewählt habe,“ was freilich nicht Dinge wie Cohens Fehlspekulationen mit den als Hort der Korruption bekannten New Yorker Taxilizenzen erklärt, die ihm offenbar mehr als zwanzig Millionen Dollar Schulden einbrachten. Cohens Glaubhaftigkeit als Zeuge wird allerdings durch eine andere Verurteilung mehr erschüttert als durch diese Sache, nämlich durch eine wegen Meineid vor dem Kongress, für die es nur zwei Monate gab, die er dazu noch gleichzeitig mit der anderen Strafe absitzen durfte.
Schwache Zeugen
Wenn wir schon bei Anwälten und unterhaltsamen Zeugen sind, die sich jeder Glaubwürdigkeit entledigt haben: Stormy Daniels wurde in der Folge ihrer Erpressung Trumps von Michael Avenatti vertreten (unangenehmerweise ein Absolvent meiner geliebten Alma mater). Der hatte zeitweise Ambitionen, für die Demokratische Partei für das Präsidentenamt zu kandidieren, sitzt aber derzeit für theoretisch zwanzig Jahre ein, unter anderem, weil er Tantiemen seiner Mandantin Daniels veruntreut und den Sportartikelhersteller Nike erpresst hatte. Einen Prozess Daniels‘ gegen Trump hatte er vorher krachend verloren und angeblich ohne Zustimmung seiner Mandantin angefangen. Zwischenzeitlich hatte er auch eine Dame vertreten, die wohl als Trittbrettfahrerin anderer Anschuldigungen völlig unglaubwürdig den Richter Brett Kavanaugh, inzwischen am Obersten Gerichtshof, betrunkener sexueller Übergriffe während seiner Jugend beschuldigt hatte.
Die Auswahl der wichtigsten Zeugen für den anstehenden Prozess gegen Donald Trump stößt also auf offensichtliche Probleme. Zwei sind ehemalige Anwälte, die die Kanzlei gegen die Gefängniszelle eintauschen mussten, einer davon unter anderem wegen Meineid. Zwei sind Erpresser, zwei sind verurteilte Betrüger. Alle drei sind bekannt für ihren Belastungseifer gegen Trump. Mit dem Zeugenbeweis wegen strittiger Details wird es da schwierig, und die Staatsanwaltschaft wird relevante Fakten anderweitig, beispielsweise aus Dokumenten, beweisen müssen.
Wahlkampf oder Geschäft?
Aber nicht nur mit den Beweisen wird es bei diesem Prozess hapern, sondern auch mit der rechtlichen Grundlage. Die Basis der Anklage ist, soweit man weiß, die Fälschung von Geschäftsunterlagen, nämlich die Erklärung einer Schweigegeldzahlung zu einer Anwaltsgebühr. Für diese Straftat müsste die Anklage allerdings nicht nur nachweisen, dass es sich um eine falsche Angabe handelte, sondern auch, dass die falsche Angabe von Trump in betrügerischer Absicht verfertigt wurde.
Beide Elemente könnten schwierig werden. Normalerweise wird eine Schutzgeldzahlung keine Geschäftsausgabe sein, Anwaltsgebühren bezüglich geschäftlicher Belange dagegen schon, so dass eine Deklaration von Schutzgeld als Anwaltsgebühren möglicherweise dazu dienen könnte, das Schutzgeld als Unternehmensausgabe von der Steuer abzusetzen. Dem steht aber entgegen, dass Trump Besitzer eines Unternehmens war, dessen wesentliche Tätigkeit die Vermarktung seines Namens und seiner Persönlichkeit war, so dass er durchaus ein geschäftliches Interesse daran haben konnte, dass Daniels nicht mit der Affäre an die Öffentlichkeit geht. Wenn es nur um die Vermeidung von Peinlichkeit in den Büchern ging, aber niemand betrogen werden sollte, dann wird der Straftatbestand der Fälschung von Geschäftsunterlagen wohl nicht zu halten sein. Weiter wird die Anklage nachweisen müssen, dass es Trump höchstselbst war, der die Fälschung veranlasste und dabei betrügerische Absichten hegte. Dabei wiederum könnte die mangelnde Glaubhaftigkeit des Zeugen Cohen ein Problem werden.
So oder so, diese Fälschung wäre ein eher noch lässliches Vergehen, das wohl, zumal im Angesicht der Ausnahmesituation, dass der Fälscher seinerseits erpresst wurde, normal nicht verfolgt oder mit einer Strafzahlung abgetan würde. Die Anklage möchte mit Sicherheit mehr, eine Verurteilung wegen eines Verbrechens. Dafür müsste sie mehr nachweisen, nämlich, dass die Fälschung zum Zweck der Begehung oder Vertuschung einer anderen Straftat erfolgte.
Diese Straftat, die mit der Fälschung ermöglicht werden sollte, wäre vermutlich eine verbotene Zuwendung an Donald Trumps Wahlkampf, was die Straftaten verwirklicht hätte, deren Cohen sich schuldig bekannt hat. Dazu müsste man aber nachweisen, dass der Hauptzweck der Schweigegeldzahlung die Einflussnahme auf den Präsidentschaftswahlkampf war. Dass das so war, ist keineswegs offensichtlich, eben weil Trump als Unternehmer und Ehemann auch andere Interessen hatte, seine Affäre geheimzuhalten. Michael Cohen hat zwar in seinem Strafverfahren behauptet, der Hauptzweck der Zahlung sei die Beeinflussung des Wahlkampfs gewesen, aber er stand dabei unter dem Druck, dass er seinen Kuhhandel mit der Staatsanwaltschaft nur als Ganzes oder gar nicht annehmen konnte, und die Staatsanwaltschaft könnte diese Behauptung gerade in Cohens Kuhhandel mitaufgenommen haben, um so eine Basis für eine Strafverfolgung gegen Trump zu schaffen. Zusammen mit Cohens offensichtlichem Belastungseifer gegen Trump und seiner Verurteilung wegen Meineid wird eine Aussage seinerseits als Beweismittel kaum reichen.
Schon dreimal gescheitert
Vorausgegangene ähnliche Ermittlungen sprechen ebenfalls gegen die Erfolgsaussichten einer derartigen Anklage. Die Bundeswahlkommission hat die Sache 2021 geprüft und ist zum Ergebnis gekommen, dass die Beweislage für ein Verfahren gegen Trump nicht ausreicht. Der New Yorker Staatsanwalt Cyrus Vance Jr. (Sohn des ehemaligen amerikanischen Außenministers und Sondergesandten), dem man wirklich keine Nachsicht gegenüber allem, was mit Trump zusammenhängt, nachsagen kann, hat die Sache untersucht, aber es hat ihm nicht für eine Anklage gegen Trump gereicht. Die Bundesstaatsanwaltschaft, die Cohen hinter Gitter gebracht hatte, hat die Sache ebenfalls untersucht, aber schon 2019 eingestellt, sicher nicht aus Mangel an Verfolgungseifer. Donald Trump hat also wegen des infrage stehenden Sachverhalts schon drei aufwändig betriebene Ermittlungsverfahren hinter sich, bei denen die Ermittler jeweils zum Ergebnis kamen, dass es für eine Anklage nicht reichen wird.
Es gab auch schon einmal ein ähnliches Verfahren, nämlich 2012 gegen den ehemaligen Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Demokratischen Partei John Edwards. Der hatte 2008 der Mutter seines unehelichen Kindes eine runde Million Dollar zukommen lassen, für den Unterhalt von Mutter und Kind, aber sicher auch für das Schweigen der Mutter. Er hatte keine Million Dollar, weswegen das Geld von reichen Spendern kam, denen er nur von einem „persönlichen Problem“ erzählte. Da liegt der Verdacht einer illegalen Wahlkampfspende um vieles näher als bei Trumps Verquickung privater, geschäftlicher und wahlkämpferischer Interessen, und trotzdem hat es für eine Anklage gereicht, für eine Verurteilung aber nicht. Edwards war dabei ein unsympathischer Angeklagter, denn zum Zeitpunkt seiner Affäre litt seine Frau unter Krebs im Endstadium.
Kommende Woche wird man vermutlich das Spektakel erleben, dass ein ehemaliger Präsident mitsamt seinem Personenschutz vom Secret Service sich in New York stellen wird, da seine Fingerabdrücke abgeben und sich fotografieren lassen wird, bei hinreichendem Geltungsbedürfnis von Staatsanwaltschaft und Polizei vielleicht gar noch in Handschellen vorgeführt werden wird und dann vor Gericht erscheinen wird. Zu diesem Zeitpunkt werden dann auch die genauen Vorwürfe gegen ihn bekanntgegeben, angeblich mehr als dreißig. Das Vorverfahren mit all seinen Beweisanträgen wird vermutlich geraume Zeit in Anspruch nehmen, mindestens Monate, vielleicht Jahre, und ob es überhaupt zu einer Hauptverhandlung kommen wird, wird man sehen.
Politische Strafverfolgung
Die amerikanische Öffentlichkeit betrachtet die Sache offenbar gespalten. In einer Umfrage der Quinnipiac University waren 62 Prozent der Befragten der Ansicht, dass die Strafverfolgung Trumps vorwiegend politisch motiviert sei, nur 32 Prozent halten sie für vorwiegend juristisch motiviert. Dabei sind Anhänger der Republikaner mit 93 Prozent überwältigend und Wechselwähler zu 70 Prozent der Auffassung, sie sei politisch motiviert, aber immerhin noch 29 Prozent der Anhänger der Demokraten. Gleichzeitig, und in einem gewissen Spannungsverhältnis dazu, sind 57 Prozent der Ansicht, dass Donald Trump mit einem anhängigen Strafverfahren nicht für das Präsidentenamt kandidieren sollte. Das kann freilich auch bedeuten, dass sie der Ansicht sind, dass er unabhängig von einem Strafverfahren nicht kandidieren sollte.
Von linksliberalen Zirkeln wird der New Yorker Staatsanwalt Alvin Bragg sich natürlich als Held feiern lassen. Seine Eigendarstellung auf der Behördenwebsite ist betitelt „Ein Leben voller harter Arbeit, Mut und Verlangen nach Gerechtigkeit.“ Bei alltäglichen Straftaten sieht er die Dinge gerne locker. In einer Anweisung an seine Belegschaft am Tage seiner Amtseinführung gab er bekannt, dass Dinge wie Schwarzfahren, Hausfriedensbruch, Fahren ohne Fahrerlaubnis, auch bei Verursachung von Unfällen, oder Widerstand gegen Vollzugsbeamte gar nicht mehr verfolgt werden sollen. Schwerer Raub mit Waffen soll nur noch als minderschwerer Fall von Diebstahl verfolgt werden (kein Witz, Seite 3, Punkt 6 a der Anweisung), Waffenbesitz und -tragen durch Vorbestrafte auch nicht, außer es handelt sich um Feuerwaffen, während er sich gleichzeitig als aggressiver Scharfmacher gegen legalen Waffenbesitz unbescholtener Bürger hervortut. Bei kriminellen Ausländern sei darauf zu achten, dass Strafverfolgung nicht zu einwanderungsrechtlichen Folgen führen könne.
Die Ressourcen, die nicht mehr zur Verfolgung von Dingen wie bewaffnetem Raub eingesetzt werden, setzt Bragg um so aggressiver zur Verfolgung einer Figur ein, auf die er zusammen mit seiner Partei einen obsessiven Hass pflegt, nämlich Donald Trump.
„Holt euch unsere Nation zurück!“
Donald Trump wiederum nimmt die ihm angetragene Opferrolle gerne an. Vor einer Woche hat er etwas vorschnell, aber außer bezüglich des Tages zutreffend, angekündigt und aufgerufen: „DER BEI WEITEM FÜHRENDE REPUBLIKANISCHE KANDIDAT UND EHEMALIGE PRÄSIDENT DER VEREINIGTEN STAATEN, [sic] WIRD NÄCHSTEN DIENSTAG VERHAFTET. PROTESTIERT, HOLT EUCH UNSERE NATION ZURÜCK!“ Mittlerweise beschwören linksgerichtete Medien eine Wiederholung des Chaos, des angeblichen Staatsstreichs, vom Dreikönigstag 2021, während die Erzählung von diesem Staatsstreich unter neu veröffentlichtem Videomaterial weiter leidet. Bisher fällt jedenfalls das Missverhältnis auf zwischen der Mobilisierung von 35.000 Polizisten für den Fall von Protesten und einer Demonstration von vielleicht dreißig Leuten für die Strafverfolgung Trumps in New York, welche damit wohl größer war als jede Demonstration in New York für Trump.
Für den Enthusiasmus der Unterstützer Trumps dürfte ein Medienspektakel eines Dauerprozesses ohne starke Beweise, vielleicht gar ohne starke Anklage jedenfalls ein Grund sein, ihm als Repräsentanten der von den selbsternannten Eliten Entrechteten die Treue zu halten, für Wechselwähler eher nicht. Böse Zungen könnten daraus vielleicht sogar eine Wahlkampfabsicht in dieser Strafverfolgung konstruieren: Wenn Trump mehr Unterstützung von seinen Anhängern erfährt, dann gewinnt er eher die Vorwahlen zum republikanischen Kandidaten, aber wenn er weniger Unterstützung von Wechselwählern erfährt, dann verliert er eher die Wahl gegen Joe Biden oder einen anderen Kandidaten der Demokratischen Partei. Diese Absicht ist nicht beweisbar, scheint mir aber nicht weniger wahrscheinlich als ein stichhaltiger Beweis der bekannten Vorwürfe gegen Trump. Vielleicht ist es aber auch einfach blinder Verfolgungseifer, und es könnte natürlich auch sein, dass Bragg wirklich etwas gefunden hat.
Wie es weitergeht, wird man sehen. Vielleicht hat Staatsanwalt Alwin Bragg einen Hasen aus dem Hut gezaubert, mit dem er einen nennenswerten Vorwurf beweisen und zur Verurteilung bringen kann. Bisher sieht es aber danach aus, als ob Bragg sich in der Rolle des Terry Sanderson im Prozess gegen Gwyneth Paltrow befindet, des Menschen, der in seiner Verbohrtheit eine Obsession aus einem Vorwurf gemacht hat, den er nicht beweisen kann, dabei aber immerhin für einige Zeit die Aufmerksamkeit erfährt, nach der er sich so sehnt, im Zuge eines Spektakels, dem immerhin der Unterhaltungswert nicht abzusprechen ist.
Oliver M. Haynold wuchs im Schwarzwald auf und lebt in Evanston, Illinois. Er studierte Geschichte und Chemie an der University of Pennsylvania und wurde an der Northwestern University mit einer Dissertation über die Verfassungstradition Württembergs promoviert. Er arbeitet seither als Unternehmensberater, in der Finanzbranche und als freier Erfinder.