Oliver M. Haynold, Gastautor / 15.06.2023 / 12:00 / Foto: Pixabay / 45 / Seite ausdrucken

Wird es jetzt eng für Trump?

Donald-Trump, Ex-Präsident der USA und wieder Bewerber um das Amt, ist vor Gericht mit 38 Anklagevorwürfen konfrontiert, die es in sich haben. Aber natürlich riecht die Anklage auch nach dem Wunsch, Trump aus dem Rennen zu schießen. Das Wahljahr dürfte turbulent werden.

Am Dienstag musste sich der ehemalige amerikanische Präsident Donald Trump zum zweiten Mal in diesem Jahr als Angeklagter einem Strafgericht vorstellen. Während sein Prozess in New York aber vor blindem Verfolgungseifer trieft, mit gleichermaßen schwachen Vorwürfen wie unbrauchbaren Zeugen, hat es sein neuer Prozess vor einem Bundesgericht in Florida in sich. Die Vorwürfe sind schwerwiegend und ihre Belege recht simpel und aus dem Hause und Munde des ehemaligen Präsidenten selbst, so dass der Vorwurf der Schuld vermutlich auch dann hängenbleiben wird, sollte Trump einer Verurteilung entgehen. Gleichzeitig hat aber auch die Anklage den starken Geruch einer spezifisch gegen Trump betriebenen Strafverfolgung, die einem anderen Spitzenpolitiker so nicht drohen würde, und auch die Anklage wird diesen Geruch kaum loswerden können. Für die politische Kultur in Amerika und das kommende Wahljahr bedeutet das nichts Gutes.

Staatsgeheimnisse von der Toilette in den Keller

Die Anklageschrift legt den vorgeworfenen Sachverhalt dar und erhebt dann nicht weniger als 38 Anklagevorwürfe gegen Donald Trump und sein Faktotum Waltine Nauta.

Trump soll zum Ende seiner Amtszeit viele Dutzende von Kartons mit Dokumenten aus dem Weißen Haus mitgehen lassen haben und soll sie in sein Anwesen Mar-a-Lago in Florida verbracht haben, wo sie anfänglich in einem Ballsaal und dann in einer Art sozialem Abstieg zwischenzeitlich in einem Büro, dann in einer Toilette, dann im Keller gelagert wurden. Weiterhin soll Trump auch Dokumente zu seinem Golfclub nach Bedminster, New Jersey verbracht und da zweimal vor Zeugen damit geprahlt haben, dass diese Dokumente Staatsgeheimnisse enthielten.

Aus diesem Vorwurf ergeben sich die ersten 31 Anklagevorwürfe des willentlichen Einbehaltens von Informationen über die Landesverteidigung, jeweils einer für 31 Dokumente mit Bezug auf dieses Thema, viele davon mit einer ganzen Litanei von Sicherheitseinstufungen wie streng geheim, Weitergabe nur mit Genehmigung der erstellenden Stelle, Fernmeldeaufklärung, keine Weitergabe an Ausländer, usw. Die meisten Dokumente behandeln die militärischen Fähigkeiten und Pläne in der Anklage nicht genannter Nationen, vermutlich Iran, und die amerikanischen Gegenpläne. Die oft gehörte Behauptung, dass auch etwas zu Kernwaffen dabei sei, stimmt zwar, aber ausgerechnet dieses Dokument hat nur die einfache geheime Vertraulichkeitsstufe und wurde ausdrücklich aus den speziellen Regeln für Materialen bezüglich Kernwaffen herausgenommen, wird also wohl nichts zu Geheimes enthalten. Darauf stehen jeweils zehn Jahre.

It’s not the crime, it’s the cover-up

Die restlichen Vorwürfe folgen der amerikanischen Rechtsweisheit, dass es nicht das eigentliche Verbrechen ist, sondern der Versuch seiner Verdunkelung, für den man richtig Ärger bekommt. Vor zwei Jahren hatte das Nationale Archivamt der Vereinigten Staaten Trump zur Herausgabe der einbehaltenen Dokumente aufgefordert. Wäre er dem nachgekommen, dann hätte es damit vermutlich sein Bewenden gehabt. Anstatt dem aber nachzukommen, soll Trump dann angefangen haben, Kisten durchzusehen, und dem Archivamt schließlich fünfzehn Kisten, einen kleinen Bruchteil seiner Sammlung, geschickt haben. Darin sollen 197 Dokumente Verschlusssachen irgendeiner Art gewesen sein, was dann zum Beginn eines Ermittlungsverfahrens führte.

Als Trump daraufhin eine gerichtliche Anordnung zur Herausgabe der restlichen Verschlusssachen ins Haus flatterte, soll er dem nicht etwa nachgekommen sein, sondern sich mit seinen Anwälten besprochen und dabei gefragt haben: „Wäre es nicht besser, wir würden ihnen einfach sagen, dass wir nichts hier haben?“ Als seine Anwälte ihm strikt davon abrieten, ließ er sie die Kisten nach Verschlusssachen durchsuchen, soll zuvor aber einen Teil der Kisten weggeschafft haben, und einen weiteren Anwalt zur Verfertigung eines unwahren Dokuments, nachdem alle Kisten durchsucht worden wären, gebracht haben. Bei der dann folgenden Durchsuchung seines Anwesens wurden weitere 102 Verschlusssachen gefunden.

Aus diesen Verdunkelungsversuchen, dem Verschieben von Beweismitteln, den Falschaussagen und der Verschwörung hierzu ergeben sich die restlichen sieben Anklagepunkte, von denen manche mit bis zu zwanzig Jahren bestraft werden können, also mehr als die unterliegende Straftat, die verdunkelt werden sollte.

In ein scharfes Schwert gestürzt

Das alles sieht zunächst gar nicht gut für den ehemaligen Präsidenten Trump aus. Die Beweislage erscheint, auch wenn Trump natürlich die Unschuldsvermutung zusteht, erdrückend, und bei aller Wortgewalt seiner Erwiderungen, auf die wir noch eingehen werden, scheint Trump den Sachverhalt auch nicht abzustreiten. Die Fotos, Zeugenaussagen und Mitschnitte wirken eindeutig.

Das Spionagegesetz von 1917, auf dem die Hauptanklagevorwürfe bezüglich des Einbehaltens verteidigungsrelevanter Dokumente beruhen, ist ein scharfes Schwert. Verfasst wurde es in der Spionagepanik nach dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den Ersten Weltkrieg und einer Atmosphäre des Misstrauens gegen Deutschstämmige. Es stellt ein unglaublich breites und undefiniertes Spektrum von Handlungen unter Strafe, beispielsweise die Erstellung jeder Art Notiz oder Zeichnung in Bezug auf die Landesverteidigung, von der der Ersteller annehmen muss, dass eine auswärtige Nation einen Vorteil davon hätte. Für gewisse Fallkonstellationen mit Bezug auf den Tod von Amerikanern oder auf Massenvernichtungswaffen sieht es sogar die Todesstrafe vor, ebenfalls für eher undefinierte Handlungen. Danach landete das Ehepaar Julius und Ethel Rosenberg 1953 wegen Spionage für die Sowjetunion auf dem elektrischen Stuhl. 

Vietnam und Atomwaffen

Vielleicht nicht trotz, sondern wegen seiner Breite und Vagheit zumindest an den Grenzen des Verfassungsrechts ist der Erfolg von Strafverfolgung nach diesem Gesetz aber etwas durchwachsen. Im berühmten Fall der Pentagon-Papiere über den Vietnamkrieg scheiterte die Strafverfolgung von Daniel Ellsberg und Anthony Russo 1973, wenn auch nicht an verfassungsrechtlichen Hürden bezüglich des Gesetzes, sondern weil die Ermittler anderweitig so weitgehend Grenzen überschritten hatten, dass der Prozess nicht mehr zu halten war.

Im Jahre 1979 hat der Anti-Atomwaffen-Aktivist Howard Morland einen Artikel im Magazin The Progressive veröffentlicht, der aus einer Mischung von teils absichtlich, teils wohl verplappert frei zugänglichen Informationen und eigenem Nachdenken die Funktionsweise der Wasserstoffbombe nach dem Teller-Ulam-Design rekonstruierte. Auch da gelang den Behörden nicht die Verhinderung der Veröffentlichung und auch keine Strafverfolgung. Aber auch in diesem Fall kam es nicht zu einer grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Klärung der Frage, wie weit das Spionagegesetz verfassungskonform sei, sondern die Behörden zogen ihre Anträge zurück, nachdem klar wurde, dass sie für ein weiteres Vorgehen zugeben müssten, dass Morlands Angaben stimmten.

In neuerer Zeit wurde die Durchstecherin Chelsea Manning verurteilt, wobei die allerdings als Bradley Manning Soldat war, und somit geringeren Schutz ihrer Redefreiheit verlangen konnte als ein normaler Bürger. Gegen Edward Snowden und Julian Assange stehen Anklagen aus, denen die beiden sich aber durch Abwesenheit entzogen. Nachdem Assange gerade ein Berufungsverfahren gegen seine Auslieferung verloren hat, wird das vielleicht ein interessanter Test werden, wie weit sich das Spionagegesetz mit der verfassungsmäßigen Rede- und Pressefreiheit und anderen Anforderungen wie dem Klarheitsgebot verträgt. Die Vorstellung, dass Assange und Trump gleichzeitig wegen Verletzung desselben Gesetzes vor Gericht stehen könnten, ist schon für sich genommen interessant.

Früchte des vergifteten Baumes

Die traditionellen Schwierigkeiten bei der Verfolgung von Delikten nach dem Spionagegesetz könnten auch Donald Trump einen Hoffnungsschimmer geben, einer Verurteilung auch dann zu entgehen, wenn die Vorwürfe stimmen.

Vielleicht die größte Schwäche der Anklage gegen Trump ist, dass sie sich in wesentlichen Teilen auf Aussagen und Aufzeichnungen seiner damaligen Anwälte stützt. Im Regelfall ist das natürlich streng verboten. Eine Ausnahme gibt es, wenn der Klient seinen Anwalt darin einweiht, dass er eine Straftat plant oder eine Straftat verdunkeln will. Diese Ausnahme ist aus naheliegenden Gründen relativ eng gefasst.

Es scheint nun zweifelhaft, ob Trumps Äußerungen gegenüber seinen damaligen Anwälten für die Durchbrechung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht ausreichen. Von den in der Anklage genannten Äußerungen ist eine die reine Feststellung, dass er nicht wollte, dass jemand seine Kisten durchsehe, andere sind in Frageform gehalten, andere in Form von Geschichten über Hillary Clintons Anwalt erzählt, wieder andere waren Handgesten, all das vielleicht mit einem Augenzwinkern. So etwas reicht normalerweise nicht. Wenn jeder Ehepartner, der in einem Scheidungsverfahren seinem Anwalt sagt, dass er lieber keine Auskünfte über sein Vermögen geben will, und fragt, ob er sein Geld nicht einfach im Ausland parken könne, schon deswegen die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht verliert, dann gibt es keine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht mehr. Das gilt selbst dann, wenn der Klient Donald Trumps Unart besitzt, sich regelmäßig mit seinen Anwälten zu überwerfen und deren Rechnungen nicht zu bezahlen.

Im besten Fall für Trump könnte eine Grenzüberschreitung der Ermittler und Ankläger in dieser Art dazu führen, dass nach der amerikanischen Doktrin der Früchte des vergifteten Baumes nicht nur die Aussagen und Aufzeichnungen seiner Anwälte, sondern auch alle daraus ermittelten weiteren Beweise einem umfangreichen Beweisverwertungsverbot unterliegen würden. Das könnte den Prozess zum Platzen bringen.

Einer von Zwölf

Ein gewisser Hoffnungsschimmer könnte sich für Trump auch aus den allgemeinen verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten ergeben, mit denen das Spionagegesetz nach recht allgemeiner Ansicht behaftet ist. Er könnte sich darauf berufen, dass dieses Gesetz, das nicht beispielsweise nach zum Zeitpunkt seiner Verabschiedung noch nicht definierten Geheimhaltungsstufen unterscheidet, unzulässig vage sei und ihm keine hinreichende Warnung gegeben hat, welche Dokumente er unter massiver Strafandrohung keinesfalls behalten durfte. Beispielsweise darf der amerikanische Präsident durchaus gewisse private Aufzeichnungen behalten, die seinem Amt gemäß auch einen Zusammenhang mit Verteidigungsthemen haben können, auch regelmäßig von ehemaligen Präsidenten zu Memoiren verarbeitet werden. 

Besonders interessant würde diese Argumentationslinie, wenn gleichzeitig Julian Assange eine ähnliche Verteidigung versuchen würde, und sich damit Juristen ganz unterschiedlicher politischer Sympathien zu einem Nachdenken über die Grenzen des Spionagegesetzes veranlasst sähen.

Schließlich steht Trump, so wie jedem in einer Strafsache angeklagten Amerikaner, auch das Recht auf Wahrheitsfindung durch zwölf Geschworene zu, normale und zufällig ausgewählte Mitbürger. Für eine Verurteilung müssen die sich über seine Schuld einig werden. Wenn auch nur einer, aus Gründen, die er niemandem sagen muss, nicht an diese Schuld glaubt, dann bringt auch das den Prozess zum Platzen. 

Aber selbst wenn Trump aus dem einen oder anderen Grund einer Verurteilung, bei der er ohne Vorstrafen und in einem relativ leichten Fall vielleicht zwölf Jahre zu erwarten hätte, entgehen kann: Der Vorwurf wird wohl an ihm hängenbleiben.

Außenseiter und Marxisten!

Donald Trump wäre nicht Donald Trump, wenn er auf diese Anklage nicht mit maximaler Lautstärke reagiert hätte. Gleich nach seinem Gerichtstermin flog er zu seinem Golfclub in Bedminster zurück, sprach zu seinen Anhängern und gab eine Pressekonferenz mit Flaggen, Begeisterungsstürmen und patriotischer Musik. Schon im ersten Satz langte er zu: „Heute haben wir den bösartigsten und abscheulichsten Machtmissbrauch in der Geschichte unseres Landes gesehen.“ Das Publikum sang „Happy Birthday“ für ihn, der sich seinen Geburtstag sicher anders vorgestellt hatte.

Trump führte aus, dass diese Anklage eines ehemaligen Präsidenten und Präsidentschaftskandidaten ohne Vorbild sei, das Werk einer linksgerichteten Bewegung, die den aussichtsreichsten Kandidaten der nächsten Präsidentenwahl aus dem Verkehr ziehen wolle, den einzigen Mann, der noch zwischen der durchgedrehten Linken, „Außenseitern und Marxisten“, und der Freiheit und dem Wohlstand des amerikanischen Volkes stehe.

Unbeschränkte Autorität

Die Vorwürfe seien haltlos, denn sie beträfen nur seinen Besitz seiner Papiere als Präsident, was ihm unter einem dementsprechenden Gesetz auch zukomme, und was jeder Präsident so handhabe. Das ist eher abenteuerlich, denn auch wenn es im diesbezüglichen Gesetz Schwierigkeiten in der Abgrenzung zwischen privaten Aufzeichnungen, die der Präsident behalten darf, und dienstlichen, die er dalassen muss, gibt, fallen vertrauliche Papiere anderer Regierungsstellen nahezu sicher nicht darunter. Trump ging so weit, dass die Unterscheidung dieser Kategorien ausschließlich dem scheidenden Präsidenten selbst zukomme, er habe in dieser Frage „unbeschränkte Autorität“ und ein „absolutes Recht“, was abenteuerlich erscheint.

Alle machen es, einer wird verfolgt

Recht hatte Trump allerdings mit der Feststellung, dass kein anderer Präsident oder vergleichbarer Spitzenpolitiker deswegen je einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren oder gar einer Anklage unterworfen wurde, obwohl alle Dokumente mitnahmen.

Joe Biden hat aus seiner Amtszeit als Vizepräsident allerlei vertrauliche Dokumente mitgenommen, die später an allen möglichen Orten von seiner Garage bis zu seiner Denkfabrik in Washington gefunden wurden. Dick Cheney hat aus seiner Amtszeit vertrauliche Dokumente mitgenommen. Mike Pence hat aus seiner Amtszeit vertrauliche Dokumente mitgenommen. Die waren allerdings vernünftig genug, jedenfalls diejenigen, zu deren Rückgabe sie aufgefordert wurden, auch zurückzugeben. Hillary Clinton hat bei ihrem Auszug aus dem Weißen Haus einiges an Möbeln und Einrichtung, die nicht den Clintons gehörten, mitgenommen, allerdings auch wieder zurückgegeben. In ihrer Amtszeit als Außenministerin hat Clinton dann einen privaten E-Mail-Server für Amtsgeschäfte betrieben, die nicht ins offizielle Protokoll sollten, eindeutig und bewusst illegal, und den dann ebenso illegal sauber löschen lassen. Passiert ist denen allen nichts, und auch Trump hat die diesbezüglichen „Sperrt sie ein!“-Rufe, die seinen Wahlkampf begleiteten, nicht umzusetzen versucht. 

Bill Clintons Nationaler Sicherheitsberater Sandy Berger hat Verschlusssachen in seine Hosen und Socken gestopft und so gestohlen. Er kam mit zwei Jahren Bewährung, hundert Sozialstunden und dem nur zweijährigen Verlust seiner Sicherheitsüberprüfung weg.

Man muss Trump also recht damit geben, dass das Ausmaß der Strafverfolgung gegen ihn in dieser Sache einzigartig ist. Damit stellt sich eine fundamentale Gerechtigkeitsfrage: Wenn eine Straftat bei allen Mitgliedern einer gewissen Klasse toleriert wird, kann man sie dann bei einem einzigen Mitglied dieser Klasse verfolgen? Diese Frage beantwortet auch der eigentlich linksstehende berühmte Jurist Alan Dershowitz mit einem eindeutigen Nein. So kommt man in die Strafverfolgung als rein politische Waffe.

Das Siegel ist gebrochen!

Trump konnte aber natürlich nicht bei durchaus bedenkenswerten Einwänden (wie auch abenteuerlichen) gegen seine Strafverfolgung bleiben, sondern musste auch schon einmal die Stimmung für den Gerichtssaal wie für den Wahlkampf anheizen. Der zuständige Staatsanwalt sei ein „geistesgestörter Verrückter“, auf „politische Hinrichtungen“ spezialisiert, und werde von jetzt an von Trump als der „geistesgestörte Jack Smith“ bezeichnet. Trump erinnerte daran, dass ebendieser Staatsanwalt das Familienleben des ehemaligen Gouverneurs von Virginia wegen Korruptionsvorwürfen zur Hölle gemacht habe, von denen am Obersten Gerichtshof nichts übrig blieb. Staatsanwalt Smith sehe auch aus wie ein Verbrecher, sei aber ein schwacher Mann. Keine guten Voraussetzungen für die Verhandlungsatmosphäre vor Gericht.

Gegen Schluss wurde Trump biblisch. Die Strafverfolgung gegen ihn sei die Speerspitze der Verfolgung der Amerikaner, die traditionelle Werte haben und leben: „Wenn die Kommunisten damit durchkommen, dann werden sie nicht mit mir aufhören. Sie werden nicht zögern, ihre Verfolgung von Christen, Lebensschützern, Eltern auf Schulratsversammlungen, hochzufahren, sogar von zukünftigen republikanischen Kandidaten.“ Seine Strafverfolgung bedeute einen Endkampf um das Überleben Amerikas: „Jetzt ist das Siegel gebrochen“, sagte Trump mit Bezug auf die Offenbarung des Johannes.

Dagegen nahm Trump die Rolle des Katechonen ein, der als Einziger die Verrückten, die Marxisten noch aufhalten könne – die illegale Einwanderung unter Kontrolle bringen, die Energieunabhängigkeit wiederherstellen und auch in vierundzwanzig Stunden den Krieg in der Ukraine beenden. Nachdem dieses erste Siegel aber gebrochen sei, wolle er als nächster Präsident einen Sonderermittler bestellen, um die Skandale „des am meisten korrupten Präsidenten in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, Joe Biden“, bestrafen zu lassen, samt der kriminellen Familie. Das Publikum rief dazu: „Sperrt ihn ein!“ Den tiefen Staat, der gegen ihn und Amerika wühle, werde er auslöschen. Dieser tiefe Staat „will mir meine Freiheit nehmen, weil ich sie nie eure Freiheit nehmen lassen werde. Sie wollen mich zum Schweigen bringen, weil ich sie nie euch zum Schweigen bringen lassen werde. […] Ich bin der Einzige, der diese Nation retten kann. Sie sind nicht hinter mir her, sie sind hinter euch her, und ich stehe ihnen dabei im Weg.“

Am Ziel oder am Ende?

Mit einem augenscheinlich stichhaltigen Anklagevorwurf ist einer politisierten Justiz endlich gelungen, was das Ziel vieler Staatsanwälte und Politiker war, seit Donald Trump 2016 die Wahl gewann, sicher auch der Wunsch nicht weniger Amerikaner. Irgendeine Verurteilung musste her, egal wegen was, egal mit welchen Beweisen, egal mit welchen Vorwürfen. Letitia James, Generalstaatsanwältin von New York, betrieb ihren Wahlkampf ganz offen damit, den nach ihrer Ansicht „illegitimen“ Präsidenten Trump „auf allen Gebieten des Rechts“ verfolgen zu wollen. Gefunden hat sie nichts, das gereicht hätte.

Trump war der erste Präsident, der sich gleich zwei Amtsenthebungsverfahren stellen musste. Das erste davon behandelte einen Anruf mit der Bitte um Hilfe bei der Aufklärung der Machenschaften von Hunter Biden, was natürlich seinerseits ebenfalls nach politisierter Justiz riecht, womit er andererseits aber auch recht hatte. Im zweiten sollte ihm gar noch ein Putschversuch angehängt werden. Aus beiden Verfahren wurde bekanntermaßen nichts.

In New York ist ein Witzprozess gegen Trump anhängig wegen angeblicher Dokumentenfälschung, mit Erpressern und wegen Meineids Verurteilten als Hauptzeugen, und einer abenteuerlichen Rechtstheorie, um von einem verjährten Vergehen irgendwie zu einem nicht verjährten Verbrechen zu kommen, betrieben von einem ebenfalls Trump offen hassenden Staatsanwalt, der gleichzeitig offen auf die Strafverfolgung von Gewaltkriminalität verzichtet. In einem Zivilprozess gelang der Autorin Jean Caroll ein Coup gegen Trump: Carroll behauptete, Trump habe sie vor drei Jahrzehnten in einem Kaufhaus mit hoher Mitarbeiterdichte in der Umkleidekabine vergewaltigt, Trump bestritt das energisch und mit Einmischung seiner üblichen Beleidigungen, und wurde dann zu fünf Millionen Schadenersatz verurteilt. Strafrechtlich ist das allerdings einerseits verjährt und würde andererseits nie für eine Verurteilung reichen.

Sieben Jahre lang haben sie gewühlt, um schließlich bei Trump ein Fehlverhalten zu finden, aus dem eine Verurteilung herauskommen könnte, vielleicht auch ein Freispruch aus technischen Gründen oder anderweitig geplatzter Prozess. Trump fühlt sich völlig verständlicherweise zu Unrecht selektiv verfolgt, aber dieses Gefühl, zumal wenn es mit der Furcht vor einer möglicherweise effektiv lebenslangen Haftstrafe verbunden ist, verbessert selten den Charakter und versetzt Trump in Sphären eines apokalyptischen Endkampfes. Die Familie Biden betreibt derweil Geschäfte, die in der Tat stark den Verdacht eines Korruptionsimperiums genauso erwecken wie den Verdacht, dass nur eine Seite Strafverfolgung zu fürchten habe.

In diese Atmosphäre wieder Versöhnung und Vertrauen in das Rechtssystem zu bringen, wird dem nächsten Präsidenten, egal welchen Namens, egal welcher Partei, und seinem Justizministerium schwerfallen. Mit einer Aussage hatte Donald Trump bei seiner Rede ganz bestimmt recht: „Das ist so schlecht für unser Land.“

 

Oliver M. Haynold wuchs im Schwarzwald auf und lebt in Evanston, Illinois. Er studierte Geschichte und Chemie an der University of Pennsylvania und wurde an der Northwestern University mit einer Dissertation über die Verfassungstradition Württembergs promoviert. Er arbeitet seither als Unternehmensberater, in der Finanzbranche und als freier Erfinder.

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Leserpost

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Silas Loy / 15.06.2023

Vielen Dank für diese ausführliche Darstellung, sehr geehrter Herr Haynold! In Deutschland könnte das gar nicht passieren, da werden die Akten im Kanzleramt vor dem Abgang des Amtsinhabers noch eben geschreddert. Warum aber wollen und dürfen Ex-Präsidenten in den USA überhaupt irgendwelche Dienstpapiere mit nach Hause nehmen? Die fehlen dann doch den Archiven bzw. sogar dem Nachfolger und sie haben in Privatbesitz nicht zu suchen, weil sie öffentliches Eigentum sind. Das “Spionagegesetz” ist da als Gegenmittel ja wohl ein schlechter Witz.

Xaver Huber / 15.06.2023

Nahezu die gesamte Thematik um “classified documents” ist - excuse moi - Bullshit. In erster Linie, weil es seit geraumer Zeit in “permanent Washington” Usus ist, nahezu auch den Ablauf des hinterletzen Kindergeburtestages des Weißen Hauses jene Geheimhaltungsstufen zu unterwerfen. \\\ Zum anderen, weil es ebenso Gewohnheit von Amtsträgern ist, sich über jene Vorschriften nonchalance hinwegzusetzen. So die Vizepräsidenten Biden und Pence, wie auch alle anderen noch lebenden Präsidenten. \\\ Letztlich ist es ein Merkmal von Diktaturen, juristisch zweierlei Maßstäbe anzulegen.

W. Renner / 15.06.2023

Und wer verklagt Biden, zur Herausgabe seines Verstandes? Offensichtlich such ein Geheimdokument, welches der amtierende wohl zu Hause im Keller lagert. Mann muss dem die Düse gehen,  um solch einen Hexenprozess am kochen zu halten.

Armin Reichert / 15.06.2023

Die USA sind keine Demokratie, sondern eine vom militärisch-industriellen Komplex und den Finanzoligarchen gesteuerte Oligarchie. Aber die deutschen linientreuen Trottel feixen nur blöd, wenn sie von den Mainstreamhetzern über die “Lügen” und “Verfehlungen” des “irren” Donald Trump “informiert” werden. Dann freuen sich sich wie Bolle und machen blöde Witzchen, diese elenden Volltrottel.

Boris Kotchoubey / 15.06.2023

Es ist echt überraschend, dass ein einem so langen Artikel die einfache, ja offensichtliche Kombination scheint nicht durchgeschaut zu werden. Das ganze Tru-la-la um angebliche Trumps “Verbrechen” haben das Ziel, die Popularatät Trumps unter seinen überzeugten Anhängern weiter zu ERHÖHEN. Zugleich wird seine Reputation unter Wechselwählern in Frage gestellt. Damit wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Trump die internen Wahlen (primeries) innerhalb der Republikanischen Partei, an denen die Wechselwähler nicht teilnehmen, gewinnt. Seine Chancen bei den Präsidentwahlen werden aber schlechter als die eines weniger skandalösen republikanischen Kandidaten. “This is elementary, Watson!” Grundlagen der politischen Ingenieurwissenschaft.

Wolfgang Richter / 15.06.2023

Wo bleibt sodann die Anklage gen Mr. Biden, dem ja mit dem Auffinden von gleichfalls sog. “Geheimunterlagen” in diversen “Privatgemächern” die selben verletzten Rechtsvorschriften vorzuwerfen sind? Und die Korruptionsvorwürfe rund um die “Ukraine- und China- Geschäfte” der Familie Biden werden sicher noch gelistet, zumal Laptop-Auswertung halt schwierig zu sein scheint. Schon schwierig, wenn in einer selbst ernannten Demokratie Ermittlungsbehörden und Juxtiz von linker “Politik” gekapert sind.

Rainer Irrwitz / 15.06.2023

wen juckts? Die USA machen America first Politik, sie f*cken ihre Vasallen und warum auch nicht, wenn die Subs dabei auch noch lustvoll stöhnen? Dems oder Reps, einerlei! Wer sich Hoffnung davon verspricht ob ein orange geschminkter OrangUtan (sorry, ich tue den Menschenaffen unrecht) oder ein dement grinsendes klappriges Cowboygestell (sorry, ich tue allen rechtschaffenen Gestellen unrecht)  das Rennen macht, der hat nicht ansatzweise kapiert was hier in Europa ansteht.

Lutz Liebezeit / 15.06.2023

George W. Bush führt einen illegalen Krieg und Donald Trump steht wegen Papierkram vor Gericht. Der Antiamerikanismus sitzt im Weissen Haus. 1/2 Million tote Kinder durch Irak-Sanktionen: Madeleine Albright wurde darauf angesprochen und bestätigte, 500.000 tote iraki­sche Kinder waren es wert. “Mit Wirtschaftssanktionen setzen vor allem mächtige Industrieländer unterlegene Nationen unter Druck – wenn sich diese etwa einer „wirtschaftlichen Öffnung“ widersetzen wollen. Diese Praxis ist abzulehnen, die „moralischen“ Phrasen der Begründung sind zynisch. Die Ländergruppe „77+China“ geht nun gegen diese Sanktionspolitik in der UNO vor – zur Unterstützung kann man einen Appell unterzeichnen. ” Braunschweiger Spiegel // Meine Hoffnung, daß die moderne Zivilisation sich noch mal fangen wird, ist sehr begrenzt. Mittlerweile können wir ja alle bei Diktaturen mitreden. Das größte Problem scheinen mir die 60% Selbstzufriedenen in der Mitte zu sein. Der Horizont bricht beim Gestern und beim Morgen abrupt ab. Die Extrempolitik hat den Staat instabil gemacht und ist ein Spiegelbild der emotional-geistigen Verfassung der Staatslenker. Man weiß nicht, ob man den morgigen Tag noch erleben wird, ein diffuses Gefühl wie auf der Titanic, die den Eisberg gerammt hat und sich alle fragen, geiht se nu ünner oder steiht se? Säuft sie jetzt ab?

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