Henryk M. Broder / 01.11.2021 / 16:30 / Foto: Tomaschoff / 67 / Seite ausdrucken

Ein Fortschritt, auf den man nicht rechnen durfte

Gestern ging in Rom der G20-Gipfel zu Ende. Bevor sich die Teilnehmer zu einem Gruppenfoto am Trevi-Brunnen trafen, gaben sie eine Stellungnahme ab, in der sie erklärten, dass sie am Pariser Klimaziel festhalten wollten, die Erderwärmung auf 1,5 bis 2 Grad zu begrenzen – bis zur Mitte des Jahrhunderts. Das war es dann. Er verlasse Rom „mit unerfüllten Hoffnungen, aber zumindest sind sie nicht begraben", gab der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Guterres, zu Protokoll. 

Das war selbst dem ZDF-Korrespondenten Elmar Theveßen zu wenig. Er sprach von einem „Nichtfortschritt gegenüber dem Pariser Abkommen", der dennoch „als Erfolg" verkauft werde. Um zu verdeutlichen, was und wen er damit meinte, spielte E.T. einen O-Ton von und mit Angela Merkel ein, in dem die Kanzlerin auf Abruf tröstende Worte für alle fand, die mehr erwartet hatten. In dem ihr eigenen Deutsch als Fremdsprache sagte sie: „Das Ziel 1,5 Grad muss in Reichweite sein", das sei „ein sehr, sehr gutes Ergebnis, dem sich alle auch angeschlossen haben". Ein perfekter Anschluss, wie aus dem „Lehrbuch der asymmetrischen Kriegsführung".

Olaf Scholz, den Merkel als Handgepäck nach Rom mitgenommen hatte, zeigte sich mit dem Ergebnis des G20-Gipfels ebenfalls sehr zufrieden. „Wenn gewissermaßen die Mitte dieses Jahrhunderts gemeinsam in den Blick genommen wird, dann ist das schon mal ein Fortschritt, auf den man vor ein paar Jahren nicht rechnen durfte, und insofern sollte man das auch nicht unterschätzen, aber auch die Aufgabe nicht unterschätzen, die damit verbunden ist, jetzt dafür zu sorgen, dass die Ziele nicht nur Ziele bleiben." 

Ja, so ist es. Das Wesen einer Überraschung liegt in ihrer Unplanbarkeit. Noch vor einem Jahr konnte man nicht einmal darauf rechnen, dass Scholz und Merkel zusammen verreisen würden, geschweige denn die Mitte dieses Jahrhunderts gemeinsam in den Blick nehmen könnten. Dieselben Nieten, die nicht einmal in der Lage sind, das Ausmaß der Inflation über ein Jahr vorherzusagen, wollen dem Klima vorschreiben, wie es sich bis zur Mitte dieses Jahrhunderts entfalten soll. In diesem Moment wurde mir klar, warum sich die Kids von FfF von Politikern wie S&M verarscht fühlen. Weil sie es werden.

Im heute-journal am späten Abend legte Elmar Theveßen noch einmal nach. Ja, es habe „ein paar Fortschritte" gegeben, die man sich jetzt „schönreden" würde, und auch das 1,5-Grad-Ziel, das wolle man „nicht unbedingt erreichen", sondern „man will sich anstrengen".

So viel unmaskierte Systemkritik im ZDF zu erleben, war schon ungewöhnlich. Auch die Brüsseler ZDF-Korrespondentin Anne Gellinek sprach von einer „schwammigen Formulierung" in der Abschlusserklärung der G20 – „... um die Mitte des Jahrhunderts herum" – und nannte die anstehende UN-Klimakonferenz in Glasgow einen „Klimaverhandlungszirkus". 

Es sieht aus, als würde sich das Klima tatsächlich gerade ändern. Zumindest am Lerchenberg in Mainz, wo das ZDF seinen Sitz hat. Mal schauen, was die Kollegen heute aus Glasgow berichten werden, wo seit gestern 25.000 „Delegierte" für einen kräftigen Anstieg des CO2-Ausstoßes sorgen. 

Foto: Tomaschoff

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Anton Weigl / 01.11.2021

Einen erheblichen Teil zur Klimarettung kann das ZDF beitragen , wenn es sofort sein Programm einstellt.

rolf schwarz / 01.11.2021

Herr Broder, sind Sie sicher dass Ihnen die Quarantäne gut tut? Die Vorhüpfer vom Lerchenberg werden frühestens dann Regierungskritisch, wenn Sie ihre Volksverdummung und -verhetzung mangels E-Strom einstellen müssen. Wenn die Energiewende für was gut sein wird, dann für diesen Moment.

Sabine Schönfelder / 01.11.2021

Ein bißchen Corona schadet Ihnen ganz offensichtlich NICHT, werter Autor.  Ganz im Gegenteil, Sie sind spritziger denn je! Wenn Sie Ihre Quarantäne weiterhin so bissig- witzig gestalten, schmerzt MEIN Bauch. Vom vielen Lachen.

Harro Heyer / 01.11.2021

Im Grunde genommen wissen alle derzeit klimapolitisch so Bewegten, dass sie ihre ehrgeizigen Klimaziele nicht erreichen werden. Die Zieldaten liegen ja weit hinter ihrem aktiven Verfallsdatum. Man höre genau zu, wie die Koalitionäre der neuen Regierung schon immer mal wieder einschränkend formulieren. Scholz betont, man müsse nun ganz schnell alle Gesetze ändern, die den Zielen entgegen stehen können. Dann hat er seine Schuldigkeit getan. Wenn es dann nicht wirklich richtig losgeht mit der unvergleichlichen Transformation im Finanzwesen, der Industrie und in der Gesellschaft, dann haben die anderen Akteure Schuld, weil sie zu inaktiv sind, diese von der Regierung geschaffenen Möglichkeiten zu nutzen. Es kann aber auch so kommen, dass man nach enormen Aufwendungen für Energie aus Wind und Sonne in ca. 10 Jahren in Deutschland feststellen muss, dass die Innovation zur Energiewende z.B. in China Technologien nutzt, die man hierzulande ideologisch begründet vernachlässigt hat. Wie müsste sich Deutschland dann positionieren?

Lothar Jöckel / 01.11.2021

Lieber Jan Häretikus, lassen Sie sich diese Namensschöpfung “klimaneutral gezeugtes Kind” unbedingt vom Patentamt sichern. Diese Kinder werden eines Tages soviel Berühmtheit erlangen wie die “Kinder des Sonne”. Nach dem nächsten UN-Klimagipfel (spesenabrechnungsberechtigte Aktionismustage) ist der Stromausfall sicherer als das Erreichen der 1,5 Grad-Begrenzung. Denn, der große rosa-rote Elefant - das rasante Bevölkerungswachstum/die Überbevölkerung - steht weiterhin und immer noch im Plenarsaal. Wären unsere Klimapanik erzeugenden Politiker nebst gleichgeschalteter Medien und Kirchenfunktionären auch nur annähernd daran interessiert, den menschengemachten Anteil an der Klimaerwärmung, den es neben der zyklischen Erderwärmung - von einer vergangenen Eiszeit in eine Warmzeit -  auch gibt, zu reduzieren, wären nur zwei Maßnahmen notwendig, dieses Ziel zu erreichen: Die UN müssten dazu aufrufen, dass ein Drittel der Menschheit sofort Suizid begeht und die Nationalstaaten müssten sofort damit beginnen Atomkraftwerke - der 4. und 5. Generation - zu bauen, so viele wie Stahl und Beton nur hergeben.

giesemann gerhard / 01.11.2021

Im Jahre 2050 werden ca. 10 Milliarden den Planeten versauen - Klima? Vergiss es.

Stanley Milgram / 01.11.2021

Ist etwas darüber bekannt, ob man Herrn Altmeier 2 Würstchen vom Büfett mitgebracht hat? Gute Besserung auch von meiner Seite.

Markus Heinbach / 01.11.2021

“In dem ihr eigenen Deutsch als Fremdsprache…” Lieber Hr. Broder, ein preisverdächtig genialer Satz!

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