Gerd Habermann, Gastautor / 14.08.2021 / 10:00 / Foto: Tomaschoff / 9 / Seite ausdrucken

Eigentum und Freiheit: Was steht in den Parteiprogrammen? (6)

Welche der großen Parteien haben eine eher freiheitliche und welche eine überwiegend kollektivistische Programmatik? Die 6-teilige Reihe nimmt sich die sperrigen Wahlprogramme vor. Heute: DIE LINKE

Zeit zu handeln. Für soziale Sicherheit, Frieden und Klimagerechtigkeit!

148 Seiten. Gesamteindruck.

Man muss sich wundern, dass nach dem weltweiten Scheitern des Sozialismus auch in jedem neuen Experiment (wie in Venezuela) in Deutschland immer noch solche Programme in Hoffnung auf Zustimmung publiziert werden können. Zwar wird der Ausdruck „Sozialismus" sorgfältig vermieden, selbst unter dem besser klingenden Terminus „demokratischer" Sozialismus. Der Sache nach fehlt nicht nur eine deutlich ausgesprochene Distanzierung vom untergegangenen totalitären DDR-Sozialismus (man solle ihn nur „differenziert aufarbeiten"), sondern die antikapitalistische Begrifflichkeit klingt überall unverhüllt an, so in Ausdrücken wie „Raubtierkapitalismus", „Menschen vor Profit", „Wohnraum ist keine Ware", „Die Macht der Banken und Finanzmärkte brechen" usw. Das egalitäre Sozialisierungsprogramm wird ergänzt durch Aspekte der modischen Geschlechterpolitik für minoritäre sexuelle Devianzen und radikalen „Linksfeminismus". Ein „ökologischer Systemwechsel" im Interesse des Klimas versteht sich, hinzu kommen ein utopischer Universalismus und Pazifismus.

Wirtschaft: ein Programm der Verstaatlichung

Dies ist ein Programm gegen Marktwirtschaft, Selbstverantwortung und Unternehmertum. Ein umfassendes Verstaatlichungsproramm wird angekündigt: Unternehmen der kommunalen Daseinsvorsorge („Bundesfonds für Rekommunalisierung"), Banken und Versicherungen, Pharma- und medizinische Industrien, Post, Telekommunikationsstruktur, und „weitere Schlüsselindustrien", auch die großen Energiekonzerne und Verkehrsunternehmen. Im Mittelpunkt steht die Staatsversorgung für alle (als „Rechtsanspruch"), beginnend mit „Löhnen, die für ein gutes Leben reichen". Schluss mit dem Niedriglohn (mindestens 13 Euro), mit Werkverträgen und Leiharbeit, dem ganzen Niedriglohnsektor der Mini- und Midijobs. Ein gerechtes Mindesteinkommen liegt bei 1.200 Euro. „Ungleichheit ist unsozial!" Auch die „Sexualarbeiterinnen" sollen sich auf Staatskosten weiterbilden und umschulen können und Arbeitslosengeld erhalten, wenn die Kundschaft ausbleibt. Arbeitsplätze in Privathaushalten nur über zertifizierte Agenturen oder gemeinwohlorientierte Träger. Eine „Antistressverordnung" für die Betriebe soll den Arbeitsdruck vermindern – sie sind überdies zu „demokratisieren", das heißt in die Macht der Gewerkschaften und Betriebsräte zu geben. Der Mindesturlaub ist auf 30 Tage zu erhöhen, die wöchentliche Arbeitszeit zu vermindern, mit vollem Lohnausgleich, versteht sich. Alle haben einen gesetzlichen Weiterbildungsanspruch. Obergrenzen für Vorstands- und Managergehälter sind ebenso selbstverständlich. Sozial- und Wirtschaftsräte entwerfen gesamtwirtschaftliche Entwicklungspläne. Und es braucht endlich ein spezielles Unternehmensstrafrecht! Der ÖPNV soll zum Nulltarif fahren und die Bundesbahn alle ICE-Bahnhöfe auch mit Nachtzügen anfahren (!) Wer bringt solche Spezialitäten in ein Wahlprogramm? „Gerechte" Mobilität – eine wunderbare Forderung so wie „globale Bewegungsfreiheit", also ein Weltstaat ohne Grenzen.

Der Wohnungsmarkt wird sozialisiert durch einen bundesweiten Mietendeckel, denn Mieten dürfen nicht profitabel sein. Immobilienkonzerne „an die Kette"! Ein öffentlicher Bodenfonds sorgt für das Übrige: „Bauland in Gemeinschaftshand!"

Was die Kommunalwirtschaft betrifft: umfassende Rekommunalisierung, denn privater Reichtum führt nur zur öffentlichen Armut. Der ÖPNV soll einen Nulltarif einführen. Regionaler Flugverkehr wird durch die Staatsbahn ersetzt, die Lufthansa mit der Bundesbahn zu einem Staatskonzern zusammengefasst. Weg mit öffentlich-privaten Partnerschaften („ÖPP").

Geld-, Finanz- und Steuerpolitik: ein Gruselkabinett

Auf solide Staatsfinanzen legt die LINKE keinen Wert: Abschaffung der Schuldenbremse! Und wieder einmal „Brechung der Macht" – diesmal der Banken und Finanzmärkte und sogar der privaten Wirtschaftsprüfer, weg mit den „Steueroasen".

Eine Vermögenssteuer soll kommen: alles über 1 Mio. Euro (bei Betriebsvermögen mit Freibeträgen von min. 5 Mio.) mit 5% – das ergibt 100 Mrd. Ertrag, die für öffentliche Investitionen zur Verfügung stehen. Zusätzlich dazu eine Vermögensabgabe „zur Bewältigung der Corona-Krise": ab einem Netto-Vermögen von 2 Mio. bzw. (Betriebe) 5 Mio., progressiv von 10–30% über 20 Jahre (auch in Raten). Ergibt über 20 Jahre: 310 Mrd. Euro. Natürlich eine Erhöhung der Erbschaftssteuer mit Abschaffung der Privilegien für Betriebsvermögen: soll weitere 8–10 Mrd. Euro bringen.

Körperschaftssteuer wieder auf 25%! Finanztransaktionssteuer, Gemeindewirtschaftssteuer statt Gewerbesteuer mit ausgeweiteter Bemessungsgrundlage (Pachten, Mieten, Leasingraten – und mit Einbezug der Freiberufler).

Und nun noch die Einkommenssteuer: Hoch mit dem Grenzsteuersatz: 53% bereits ab 70.000 Bruttojahreseinkommen und dazu eine gesonderte Reichensteuer: 75% oberhalb einer Million.

Eine Bundesfinanzpolizei gegen Steuerhinterziehung ist – wie bei den Grünen – unentbehrlich, dazu auch mehr Personal für die Finanzbehörden!

Sozial- und Gesellschaftspolitik für ein gutes Leben“

Statt „Hartz IV" ein „Arbeitslosengeld Plus", „bedarfsgerecht und sanktionsfrei", eine Art Bedingungsloses Grundeinkommen. Ein „Systemwechsel" wird verlangt – wie auch sonst. Rentenversicherungszwang „für alle" (also auch für die Selbstständigen, Beamten usw.), entsprechende Sozialisierung. Auch bei der gesetzlichen Krankenversicherung (gegen „Zwei-Klassen-Medizin", also weg mit der Privaten Krankenversicherung), Verstaatlichung auch der Krankenhäuser („Gewinnverbot"), entsprechend auch die Pflegeversicherung, Die „Macht der Pharmaindustrie brechen" (ein Lieblingsterminus der LINKEN: „Macht brechen"). Begrenzung der Kaufpreise für Arztpraxen und gleichmäßige Verteilung der Arztsitze, also auch hier eine Verstaatlichung bzw. eine zentrale Planwirtschaft.

Die Familienpolitik ist kollektivistisch und zielt auf eine Schwächung der Familien ab, z.B. durch eine eigene „Kindergrundsicherung".

Dass jetzt auch die Linke „gendert", versteht sich, auch dass sie minoritäre sexuelle „Opfergruppen" entdeckt (LGBTQI), die es irgendwie zu fördern gilt, als wären sie das Salz der Erde und wäre „die Gesellschaft" für ihre angebliche „Benachteiligung" persönlich verantwortlich. Eine 50%-Frauenquote in allen Führungspositionen ist auch unumgänglich.

Bildungspolitik: elitefeindlich

Es soll einen lebenslangen Rechtsanspruch auf gebührenfreie Bildung und Weiterbildung geben: Keine Auslese! Darum die Abschaffung von Numerus Clausus und von Auswahlgesprächen; elternunabhängiges, rückzahlungsfreies BAFöG, also für alle. „Demokratisierung der Hochschulen", die Uraltforderung der radikalen Linken. Es soll einen „Rechtsanspruch auf inklusive Bildung" geben – trotz ihrer allgemein bekannten großen Nachteile – besonders für die Behinderten.

Der Klimawandel ist von den Reichen gemacht"

„Der Klimawandel ist nicht von den Menschen gemacht, sondern von den Reichen – mit ihren zahlreichen Reisen, großen Immobilien und Yachten". Also denn ein ökologischer wie sozialer Systemwechsel, für einen linken „Green New Deal"! Bei der ökologischen Umstellung soll es einen Rettungsschirm für dadurch bedrohte industrielle Arbeitsplätze geben und einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung (dafür: öffentliche Fonds). Auch die Klimapolitik muss „gendergerecht" sein.

Dies und das

Auch die Linke sieht ihr Gesellschaftsbild als Muster für die ganze Welt. Sie ist für einen Welt-Wohlfahrtsstaat nach ihren Idealen. Offene Grenzen verstehen sich für eine „solidarische Einwanderungsgesellschaft". Es soll ein „Menschenrecht auf Frieden" geben (wer soll das einklagen?). Man zieht Bilateralismus dem Freihandel vor. Ein Anti-Rassismus-Kommissar mit starken Befugnissen ist geplant: eine Terror-Institution bei dem absurd ausgeweiteten Rassismus-Begriff. Man will unsere Demokratie „demokratisieren", meint damit aber keine „Volksdemokratie", sondern Direktdemokratie – einer der wenigen positiven Punkte des Programms. Und zum Schluss: „Ein Recht auf persönliche Assistenz in allen Lebensbereichen" – der Exzess eines Nanny-Staates. Selbst der Ausweg in den Freitod wird erschwert: „Kein Werben fürs Sterben".

Fazit: ein freiheitsfeindliches Programm, das in den Ruin von Wirtschaft und Gesellschaft führen muss. In der Tat wird hier ein rigoroser Systemwechsel zum Sozialismus beschrieben. Linke sprechen gern von einem „guten Leben". Wir haben erlebt, was dies unter realsozialistischen Bedingungen bedeutet.

Schlussbemerkung: was wählen?

Bei aller Relativität der Wahlprogramme – keines ist nur freiheitlich, keines nur egalitär – gilt es nun nach eigenen Präferenzen zu wählen. Das beste Wahlsystem wäre freilich, wenn man seine Stimme je nach Teilaspekten splitten könnte, z.B. eine wirtschaftspolitische Stimme für die FDP, eine verfassungspolitische für die AfD, eine außenpolitische für die CDU/CSU usw. – sozusagen wählen à la carte. Da dies nicht möglich ist, wird man nur nach dem elenden Prinzip des geringsten Übels verfahren können, was in Deutschland besonders übel ist. Warum? Es fehlt in diesem Land die Möglichkeit zu korrigierenden Referenden und Initiativen – eine Volksgesetzgebung wie in der Schweiz.

Indessen bleibt ja der Weg jederzeit offen, an seinem Platz für die besseren Ideen zu werben und so, wenn auch mühsam und langwierig, von unten her für einen Umschwung in der Welt der Ideen zu sorgen. Dass dies möglich ist, zeigt das bestürzende Vordringen eines kruden Egalitarismus und Konstruktivismus in den letzten Jahren selbst in den Parteien, die sich für freiheitlich halten. Aber als Gegenwirkung auch das Aufkommen vieler freiheitliche Initiativen auf gesellschaftlicher Ebene. Wo der Verfasser steht – darüber lässt dieser Gang durch die Programme zur Bundestagswahl wohl keinen Zweifel. Es ist die Welt von Eigentum, Freiheit, Marktwirtschaft und Unternehmertum, Freihandel, Dezentralisation, konstitutioneller nationaler Demokratie und besonders einem materiell verstandenen Rechtsstaat. Es ist das Programm der Röpke, Hayek, Eucken und – in unserer Zeit – zum Beispiel eines Roger Scruton.

Teil 1 finden Sie hier.

Teil 2 finden Sie hier

Teil 3 finden Sie hier

Teil 4 finden Sie hier

Teil 5 finden Sie hier

 

Prof. Dr. Gerd Habermann ist Wirtschaftsphilosoph, Hochschullehrer und freier Publizist. Er ist seit 2003 Honorarprofessor an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam und geschäftsführender Vorstand der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft.

Foto: Tomaschoff

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Stefan Riedel / 14.08.2021

Eigentum und Freiheit: Heute die L i n k e . Genosse Eigentum und Genossin Freiheit? VEB und Einheitsliste also.

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