Der entscheidende juristisch-fixierte Knackpunkt scheint die im GG zuoberst stehende Formel “Die Würde des Menschen ist unantastbar” (mit Ewigkeitsanspruch) zu sein, welche eine Umsteuerung im aufgeblähten Block der sozialen Sicherungssysteme schier unmöglich macht. “Würde” besitzt einen edlen Klang, zumal dieser Passus bekanntlich vor dem Hintergrund der NS-Verbrechen im nachfolgenden Rechtsstaat postuliert wurde. Soweit mir bekannt ist, handelt es sich um ein weltweites verfassungsrechtliches Alleinstellungsmerkmal hierzulande. Gleichwohl liesse sich über das, was unter “Würde” zu subsumieren wäre, im konkreten Falle trefflich streiten, was wiederum tunlichst vermieden und deshalb - je nach vorherrschender politisch-ideologischer Großwetterlage - von Oben interpretiert und verkündet wird. Bestes Beispiel ist die regierungsamtliche Handhabe des brisanten Migrations-Komplexes, innerhalb dessen de facto “jedem, der kommt” die gleich (hohe) Portion Würde zuteil wird samt aller daraus resultierenden (rechtlich einklagbaren) Vergünstigungen. Will sagen, dass die Auslegungsbandbreite einen fließenden Charakter in sich trägt und daher gleichsam anfällig gegenüber Missbrauch ist (oder gar dazu einlädt). Diese innewohnende Schwachstelle mögen die Gründungsväter des U.S.-amerikanischen bzw. resp. angelsächsischen Rechtssystems ggf. im Blick gehabt haben, als sie die Redefreiheit als höchstes bürgerlichen Rechtsgut deklamierten. Zugleich damit wurde (trotz großzügigster Gewährung religiöser Gruppierungen) die Trennung zwischen Kirche und Staat dingfest gemacht; nicht so in DE, wo über Ethikkommissionen, Staatsfunk-Beiräte und große kirchliche Hilfsorganisationen sehr wohl Einfluss (ganz im jeweiligen Sinne von “Menschenwürde”) genommen wird. Last but not least hängen Art und Höhe des individuellen Einkommens von Jobs und der Steuerlast zwecks Generierung eigener sozialer Absicherungen ab; bislang hat dies bei jeder Regierung auf Eis gelegen.
Wahrscheinlich hat der Autor recht. Nur eine kleine Anmerkung, die Leute die können nichts dafür, die machen nur, was man ihnen seit Jahrzehnten vorkaut, auf allen Kanälen und in allen Formen. Wer, wie ich, schon etwas älter ist, erinnert sich an das so ab Ende der 50er immer stärker einsetzende Gejammer, der damals älteren Generation, das sich in dem Satz zusammenfassen lässt: “Ihr, die Jungen, ihr kennt genau eure Rechte, nur von Pflichten da wisst ihr nichts” das war schon in Zeiten so, die retrospektiv noch gut und vernünftig, bodenständig und hausbacken, von Ausnahmen abgesehen, erscheinen. Seit dieser Zeit ist es aber immer nur schlimmer geworden, ich habe mehrfach erlebt, dass Jugendamtmitarbeiter Kindern von Hartz IV Familien beigebracht haben, dass sie, die Kinder, ein Recht auf Vollversorgung durch die Eltern hätten, und gleichzeitig die Eltern ihnen das KIndergeld auszahlen müssten. (wohlgemerkt bei Kindern, die noch zuhause wohnen, den Weg zur Schule nur seltenst finden und die nichts, außer Ärger, zum Familienleben beitragen) das sei ihr Recht und das Kindergeld natürlich da um ihnen, den Kindern zu erlauben zu chillen, ein Bier trinken zu gehen, und sich anderweitig zu amüsieren. Weiter, sobald irgendwo in dieser Welt irgendwas schief geht, erscheint ein deutscher Experte im Fernsehen, der erklärt, es läge nur daran, dass dort eben nicht das deutsche Politik- Versorgungssystem etabliert sei. Man tut also so, als sei Hilfe für alle und jede ganz einfach, weil die dafür notwendigen Grundlagen, als da ist Geld, Zeit, Material und know how einfach da seien. Gleichzeitig hat man die innerfamiliäre Solidarität mit dem Wort der bürgerlichen Kleinfamilie und der Verachtung der Frau, die sich nur um Mann, Kinder und die alte Mutter, sowie die alte, kinderlose Tante kümmert, lächerlich gemacht und durch die ökonomischen Zwänge für normale Leute verunmöglicht. Manchmal denke ich der Untergang der sozialen Systeme ist gewollt, weil sie nicht funktionieren,
“Im Ergebnis ist das aufgezeigte mehrstufige Modell wesentlich „sozialer“ als heutige Sozialstaaten. Denn es mobilisiert das Beste im Menschen. Dazu gehört die Übernahme von Verantwortung für sich und Andere, echte Anteilnahme, die Stärkung von Familie und kleinen Gemeinschaften, Ideen- und Erfindungsreichtum zur Überwindung von Schwierigkeiten, freiwillige Solidarität und im Gegenzug Dankbarkeit sowie nicht zuletzt Stolz und Zufriedenheit, sein Leben aus eigener Kraft zu meistern.” Nicht wirklich. Davon könnten Ihnen Hunderttausende schon heute künden, die bereits weitgehend nach ihrem “Modell” leben, d.h. ohne Sozialstaats-Zuwendungen oder auch nur halbwegs hinreichende Kranken- und Rentenversicherung. WEIL sie sich irgendwann mal auf das von Ihnen propagierte Privat-Versicherungs-Modell eingelassen haben. Realitäts-Check am Rande: Wer Verantwortung für andere übernimmt, z.B. in der Pflege als PKV-Versicherter lebt überwiegend ohne reguläre Krankenversorgung deutlich unterhalb der sog. Armutsgrenze und hat nebenbei bemerkt nicht mal Anspruch auf Almosen der Essen-Tafeln. Auf diese “private” Weise macht man aus 1 Schwerkranken nicht nur 2, auch die Chancen für beide auf ein deutlich früheres Ableben durch Armut stehen ausgesprochen gut. Daneben halte ich es für neoliberalen Zynismus, einerseits solidarische Familienhilfe einzufordern, und andererseits auf Arbeitgeberseite immer agressiver Forderungen nach grenzenloser Mobilität von Arbeitnehmern zu erheben. Der Migrationspakt läßt grüßen. SO erhält man keine Familienverbände. Man zerschlägt sie! Und entzieht ihrem “Modell” nicht zuletzt damit den Boden.
Man kann einen Sozialstaat auch durch bewusstes Überdehnen zielorientiert sprengen. Dann ist die Bevölkerung scheinbar selber Schuld und nicht diejenigen, die das System bewusst überdreht haben, um das Ganze außer Kraft zu setzen. Das sollte man auch bedenken. Denken wir mal an das Rentensystem. Wem hat die Zerstörung des Rentensystems genützt? Cui bono?
Echt preiswürdige Gedanken, die promovierte Juristen zur Rettung der Gesellschaft elaborieren. Da empfiehlt sich doch wirklich die Rückkehr zur ruralen Subsistenzwirtschaft, der familiäre Clan unter patriarchalischer Leitung, die Sozialkontrolle der dörflichen Gemeinschaft, der vorrechtliche Zustand der Moral ...
Zitat:“Sie haben einfach die besseren Anreize: nach oben hin den Gewinn und nach unten hin das Risiko des Verschwindens. Im Ergebnis werden private Anbieter wesentlich mehr für dasselbe Geld leisten, sei es in der Altersversorgung, im Gesundheits- oder dem Bildungssystem.” Bemerkt Herr Gebel denn den Logikbruch nicht? Im ERGEBNIS können private Anbieter aber auch alles verlieren! Sie selbst haben sich dabei aber eine goldene Nase verdient. Übrigens, Herr Gebel, Statistiken kann man nicht essen. Waren die Zeiten vor 100 Jahren wiklich so goldig? Ohne Sozialstaat führen schwere und lange Wirtschaftskrisen zwangsläufig zu Diktatur oder Bürgerkrieg. 47 Millionen Menschen in den USA bekommen Essenmarken! Die USA haben sich strukturell nie von der großen Wirtschaftskriese erholt. Sobald man versucht, die Stützen, die der New Deal anbrachte, zu entfernen, sackt die Wirtschaft ab. Die Hyperinflation in Deutschland, hat damals den gesamten Mittelstand enteignet. Die Sozialleistungen waren derart niedrig, daß die Menschen sich an jeden glückverheißenden Strohhalm klammerten. Und der hieß Hitler. Ohne Sozialstaat braucht die wohlhabende Minorität eine Armee zum Einsatz gegen die Majotität der Armen. Herrn Gebel schweben wohl Zustände wie im antiken Sparta vor. Ja, da hat Demokratie noch funktioniert, wenn man das Demos auf eine Minderheit beschränkte.
Der Selbsthilfegedanke wird daran scheitern, dass in der Realität im Wesentlichen eine Gruppe mit geringer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit von einer Gruppe hoher wirtschaftlicher Lesitungsfähigeit über dem Umweg staatlicher Transferleistungen alimentiert wird. Aus der bedürftigen Gruppe leben viele über ein halbes Leben von Transferleistungen, während aus der Gruppe der Bessersituierten die meisten keinen Tag ihres Lebens auf Transferleistungen angewiesen sind. Das heißt schlicht: die Leistungsbezieher sind nicht im geringsten in der Lage ihren langfristigen Unterstützungsbedarf in den Perioden meist geringsten Einkommens aus eigenen Rücklagen zu decken. Ohne Transfer von den Besserverdienenden zu denjenigen, die im Prekariat leben, wird es nicht funktionieren. Nun führt aber diese Situation im Falle einer Ausweitung des Sozialsektors irgendwann einmal unweigerlich zum gesellschaftlichen Kollaps, wenn die Abgabenlast au Seiten der Leistungsträger eine solche kritische Höhe erreicht hat, dass die Motivation verloren geht. Der Alleinstehende Ingenieur, der merkt, dass er sich angesichts der hohen Abgabenlast nie Wohneigentum wird leisten können, dass er alleine nie eine Familie wird ernähren können, der einzusehen beginnt, dass er im Alter angesichts eines kolabierenden Rentensystems unweigerlich in das wirtschaftliche Prekariat absteigen wird, dem wird die Motivationsgrundlage für seinen Beitrag am Sozialsystem systematisch zerstört. Mit dem Rückzug der Leistungsträger aus dem System, etwa durch Arbeitsminderung oder Abwanderung, werden nun die Sozialleistungen auf Seiten der Bedürftigen unweigerlich sinken. Nun steht eine Gruppe Abgehängter, die zunehmend im sozialen Elend landen, einer Gruppe resignierter Leistungsverweigerer gegenüber, die sich um keinen Preis mehr ohne eigene Wohlstandsperspektive zum Unterhalt der prekären Gruppe melken lassen wollen. Damit ist ein tiefer Bruch in der Gesellschaft vorausprogrammiert.
Bismarcks Einführung einer Sozialversicherung galt mir bislang als Großtat, aber ich verstehe, warum man das auch als verhängnisvollen oder wenigstens zweischneidigen Schritt in den Etatismus sehen kann. Hätte die SPD mehr Chuzpe, könnte sie demnach heute für sich beanspruchen, beinahe „Bismarcks Sozialgesetze verhindert“ zu haben. Das wäre dann aber wirklich ein „Treppenwitz der Geschichte“.
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