Der Dual-Fluid-Reaktor ist eine große Hoffnung für eine CO2-freie, kompakte, autarke und obendrein relativ preisgünstige Energieproduktion. Dazu ein kurzer Überblick: was bisher geschah, was derzeit geschieht und was in naher Zukunft zu erwarten ist.
(Anmerkung: Der Autor ist einer der Mitgründer der Dual Fluid Energy Inc. und derzeit der einzige Nichtwissenschaftler im Vorstand (Board of Directors); er berichtet aus seiner subjektiven Sicht).
Der Dual-Fluid-Reaktor hat vier deutsche, einen polnischen und einen kanadischen Erfinder. Mit Ausnahme eines Ingenieurs sind alle Atom- oder Kernphysiker. Der Dual-Fluid-Reaktor ist im Bereich der Kernspaltung eines der wenigen echten neuen Konzepte, er fußt dabei auf Vorgängertechnologien wie dem Flüssigsalzreaktor und dem bleigekühlten Reaktor.
Die Innovation liegt in zwei getrennten Flüssigkeiten im Reaktorkern: Flüssiger Brennstoff kann so langsam wie nötig zirkulieren, für einen idealen Abbrand, während flüssiges Blei als Kühlmittel so schnell wie möglich zirkulieren kann, für eine optimale Wärmeabfuhr. Dies ermöglicht eine maximale Leistungsdichte, hohe Betriebstemperaturen und einen Neutronenüberschuss. Dadurch kann der Dual-Fluid-Reaktor jedes spaltbare Material nutzen, einschließlich aufbereitetem Atommüll. Eine Kernschmelze oder eine unkontrollierte Leistungsexkursion sind physikalisch ausgeschlossen.
Wie es anfing
Das erste Patent stammt bereits aus dem Jahre 2011. Es wurde durch ein Patent von 2018 erweitert, das den metallischen Brennstoff zum Gegenstand hat. Von den Erfindern weitgehend selbst finanziert, wurden diese Patente sowohl in Europa als auch in den USA zugelassen und erteilt.
Zum Zeitpunkt der ersten Patentanmeldung – kurz nach Fukushima – wollte allerdings niemand etwas von Kernenergie wissen. Trotzdem gaben die Erfinder nicht auf und versuchten im Lauf der Jahre, Finanzierer für die weitere Entwicklung zu finden. Dies erwies sich als schwieriger als gedacht, trotz zahlreicher Strukturierungsansätze, Einschaltung von namhaften Ex-Politikern und diversen Versprechen von Scharlatanen aller Schattierungen.
Die beiden Haupterfinder Armin Huke und Götz Ruprecht aus Berlin betrieben ihr „Institut für Festkörperphysik“ als gemeinnützige GmbH, das sich durch Spenden von Unterstützern über Wasser hielt. Überzeugt von der Qualität ihrer Idee lebten beide buchstäblich jahrelang von der Hand in den Mund.
Ich traf die beiden das erste Mal im Jahr 2020. Als ehemaliger Öl- und Gasunternehmer (Mitgründer unter anderem der Deutsche Rohstoff AG und der Rhein Petroleum GmbH), war ich davon überzeugt, dass die Energie der Zukunft allein aus Gründen der Energiedichte irgendeine Form der Kernenergie sein würde, keinesfalls Solar oder Windkraft. Außerdem war ich auf der Suche nach einer kompakten, möglichst autarken Energiequelle für das Konzept meiner Freien Privatstädte.
Der Dual-Fluid-Reaktor schien die Lösung. Mangels echter Sachkunde bat ich Manfred Haferburg, den ich von Autorentreffen der Achse des Guten kannte, eine Tauglichkeitseinschätzung der Technologie als solcher zu machen. Manfred kam nach diversen Recherchen und Gesprächen mit den Erfindern zum Schluss, dass das Dual-Fluid-Prinzip machbar und vielversprechend sei; freilich seien noch Entwicklungsarbeit im Hinblick auf die verwendeten Materialien, Sicherheitskonzepte etc. zu leisten. Diese Einschätzung gab für mich den Ausschlag, mich einzubringen (insoweit hat auch die Achse zum Dual-Fluid-Reaktor beigetragen).
Neben Finanzmitteln konnte ich vor allen Dingen über 20 Jahre Erfahrung in der Startup- und Risikokapitalbranche einbringen. Die zu wählende Struktur war aus meiner Sicht klar: Gründung einer privaten Aktiengesellschaft, Einbringung der Patente und des Know-hows, Durchführung diverser Finanzierungsrunden gegen Zuteilung neuer Aktien je nach Bedarf und Entwicklungsfortschritt, schließlich Börsengang, um an die großen Gelder zur Erlangung der Serienreife zu kommen. Das entspricht dem Standardvorgehen für Technologie-Startups.
Gründung der Dual Fluid Energy
Das überzeugte die Erfinder, und so geschah es auch. Im Januar 2021 wurde die Dual Fluid Energy Inc. im kanadischen Vancouver gegründet.
Die Wahl fiel auf Kanada, weil das Land kernenergiefreundlich und -erfahren ist, neue Kerntechnologien dort ausdrücklich gefördert werden (tatsächlich ist die Dual Fluid Energy inzwischen offiziell als ins Small Modular Reactor-Programm der Regierung aufgenommen worden), weil einer der Erfinder Kanadier ist und Götz Ruprecht am dortigen Kernforschungszentrum TRIUMF mehrere Jahre gearbeitet hat. Hinzu kam, dass das kanadische Recht mehr Gestaltungsspielraum bei den Aktienklassen lässt als etwa das deutsche Aktienrecht.
Auf dieser Basis fand eine erste Finanzierungsrunde im Frühjahr 2021 statt, nachdem die Gründer, deren „Friends and Family“ und langjährige Unterstützer Gelegenheit erhalten hatten, bei der Gründung mitzuzeichnen.
Die Hauptinvestoren dieser Runde waren ausnahmslos deutsche Unternehmerpersönlichkeiten, die teilweise schon jahrelang die Entwicklung des Dual-Fluid-Reaktors verfolgt hatten. Angesichts der relativen Bekanntheit des Dual-Fluid-Reaktors und der zunehmenden Einsicht, dass auf Kernenergie nicht verzichtet werden kann, ging die erste Finanzierungsrunde relativ leicht von der Hand. Es konnten in kurzer Zeit insgesamt 7 Millionen kanadische Dollar (etwa 5 Millionen Euro) eingesammelt und entsprechend neue Aktien ausgegeben werden, für die erste Stufe ausreichend.
Dafür wurden Büros in Kanada und in Berlin eingerichtet, Mitarbeiter eingestellt und aussagekräftige Materialien erstellt, um den Bekanntheitsgrad der Technologie inner- und außerhalb des deutschen Sprachraums im Hinblick auf weitere Finanzierungsrunden zu erhöhen. Weiter wurde eine wissenschaftliche Kooperation mit technischen Universitäten eingeleitet, insbesondere um die notwendigen Sicherheitsanalysen auf eine anerkannte Basis zu stellen. Entsprechende Kooperationsvereinbarungen wurden zwischenzeitlich geschlossen mit der TU München, der TU Dresden und dem Paul-Scherrer-Institut in der Schweiz. Für deren Forschungs- und Entwicklungsarbeiten fallen signifikante Beträge an.
Schließlich wird ein eigenes Brennstoffexperiment durchgeführt. Dabei ist ein befreundetes Berliner Unternehmen behilflich, welches über die Lizenzen und Räumlichkeiten für schwach radioaktive Experimente verfügt. Die aktuelle Lieferkettenproblematik hat allerdings dazu geführt, dass sich dieses wichtige Experiment, bei dem Erkenntnisse über das Verhalten des Flüssigbrennstoffs gewonnen werden sollen, verzögert hat.
Ernüchterung in Kanada
Ernüchterung trat in Kanada ein. Die Idee war, in einem bestehenden Kernforschungszentrum ein „kritisches Experiment“ (d.h. eines, bei dem Kernspaltung stattfindet) mit einer Art Dual-Fluid-Testreaktor durchzuführen, um das duale Wirkprinzip auch in der Praxis nachzuweisen.
Nachdem zunächst gegenteilige Signale gegeben worden waren, wurde vonseiten der kanadischen Behörden bedeutet, dass ein solches Vorhaben eine Genehmigungszeit von mindestens fünf Jahren beanspruche. Hier wird ein allgemeines Problem des Westens deutlich: Selbst bei gutem Willen dauern die Genehmigungsverfahren schlichtweg zu lange. Ein solcher Zeitraum für unser überschaubares Basisexperiment war schlichtweg nicht akzeptabel.
Deshalb verhandelt Dual Fluid jetzt mit Regierungen aufstrebender Länder, die eher im „Globalen Süden“ zu verorten sind. Bedingung ist unter anderem, dass die Genehmigungsverfahren so straff sind, dass die erste Kernspaltung nach dem Dual-Fluid-Verfahren innerhalb von zwei Jahren erfolgen kann. Derzeit wird mit vier Ländern verhandelt, in einem Fall ist der Prozess weit fortgeschritten. Dual Fluid wird dabei von einer namhaften internationalen Anwaltskanzlei beraten.
Der Nachweis einer Kernspaltung nach dem Dual-Fluid-Prinzip wird im Erfolgsfall den Durchbruch für die weltweite Bekanntheit der Technologie bringen und die Finanzierung der weiteren Entwicklung hin zur Serienreife erheblich erleichtern. Wir reden insofern von zweistelligen Milliardenbeträgen und einem Zeitraum von acht bis zehn Jahren.
Bahnbrechende Wettbewerbsvorteile
Die Wettbewerbsvorteile sind bahnbrechend: Bereits ein kleiner Dual-Fluid-Kern mit 300 Megawatt elektrischer Leistung (DF300) kann 500.000 Haushalte mit Strom versorgen und braucht nur alle 25 Jahre frischen Brennstoff. Er arbeitet weitgehend emissionsfrei und bei geringem Flächenverbrauch. Er erzeugt Strom zu etwa der Hälfte der Kosten heutiger Kohle- oder Kernkraftwerke. Ein DF300-Kern arbeitet etwa acht- bis zehnmal effizienter als derzeitige Leichtwasserreaktoren. Leistungsdichte und Wirkungsgrad steigen mit größeren Kernen weiter an. Vorhandener Atommüll kann verwertet werden, die hohe Temperatur macht sogar die Erzeugung von synthetischen Kraftstoffen (e-Fuels) wettbewerbsfähig. Damit ist der Dual-Fluid-Reaktor die effizienteste Energiequelle, die je entwickelt wurde.
Die Entwicklungsaufgabe ist lösbar und nach heutigem Stand der Technik umsetzbar. Sie betrifft vor allen die Hitzebeständigkeit und Korrosionsresistenz der verwendeten Materialien sowie Einbringung und Zirkulieren des Brennstoffes und des Kühlmittels.
Das ist um Größenordnungen näher an einer Realisierung als die Kernfusion. Das gelungene Experiment an der National Ignition Facility (NIF) in Kalifornien war zwar ein interessanter Meilenstein, der aber keinesfalls die kommerzielle Energiegewinnung durch Fusion greifbar macht, wie einige Medien nahelegen. Der Reaktor als Ganzes erzeugte bei weitem keinen Nettoenergiegewinn, denn die Messung berücksichtigte nur die zugeführte Laserenergie und die austretende Plasmaenergie – nicht aber den beträchtlichen Energiebedarf, der nötig war, um die starken Laserstrahlen überhaupt zu erzeugen. Die Reaktion fand außerdem in einem winzigen Brennstoffpellet im Inneren des größten Lasers der Welt statt, dauert nur wenige Milliardstel Sekunden und kann nur alle sechs Stunden wiederholt werden. Das macht die Reaktion für praktische Zwecke unbrauchbar. Das wesentliche und ungelöste Problem der Fusion ist ihre Ineffizienz: Die Hilfsmittel, die eine Fusion erst ermöglichen (Laser oder felderzeugende Magnete), verbrauchen selbst sehr viel Energie. Dass die Kernfusion in den nächsten Jahrzehnten zu marktfähigen Preisen Strom erzeugen kann, ist daher sehr unwahrscheinlich.
Nächste Schritte
Sobald ein Vertrag mit einem Partnerland unterzeichnet ist, wird Dual Fluid eine weitere Finanzierungsrunde einleiten, um den Testreaktor und das kritische Experiment zu finanzieren. Dafür ist ein höherer zweistelliger Millionenbetrag vorgesehen. Daher wird die Zielgruppe der Finanzierungsrunde diesmal auch aus institutionellen Investoren (Fonds und Anlagegesellschaften) und sehr reichen Einzelpersonen bestehen, welche in möglichen künftigen Runden mitzeichnen können.
Auch wenn die Technologie überzeugend und die Zeit günstig ist, ein Selbstläufer wird das keineswegs. Eine solche Finanzierungsrunde bedeutet Klinkenputzen in Form sogenannter Roadshows, bei potenziellen Investoren in Europa, Nordamerika und im Mittleren Osten. Üblicherweise verlangen institutionelle Investoren auch eine Ergänzung des Managements und/oder einen Sitz im Board of Directors. Angesichts der Unsummen, die heutzutage für – gelinde gesagt – zweifelhafte Technologien ausgegeben werden, scheint es aber machbar, für den Dual-Fluid-Reaktor die entsprechende Finanzierung zu stemmen.
Rückkehr nach Deutschland?
Ist irgendwann eine Rückkehr nach Europa oder gar Deutschland denkbar? Nur wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Damit ist weniger die Ausschüttung von Subventionsgeldern gemeint, sondern vielmehr die Schaffung eines vernünftigen Genehmigungsrahmens. Solange der Lebensraum von Feldhamstern, Quoten aller Art und „gendergerechte“ Sprache wichtiger sind als die Verwirklichung neuer Technologien, und dubiosen NGOs Verbandsklagebefugnis eingeräumt wird, wird das eher nichts werden. Angesichts des inzwischen byzantinischen Regelungsdickichts der EU wäre wohl die Einrichtung einer Kernforschungs-Sonderzone mit eigenen Regularien der einfachste und beste Weg.
Günstige, jederzeit verfügbare Energie ist der Schlüssel zu allem: Wohlstand, Sicherheit und selbst Naturschutz. Die Dual-Fluid-Technologie würde Europa ermöglichen, wieder wettbewerbsfähig zu werden. Mehr noch: Sie könnte ein neues nukleares Zeitalter einleiten, welches die Produktivität entlang der gesamten Wertschöpfungskette angesichts niedriger Energiepreise und hohe Energiedichte vervielfacht. Wohlstand und Wachstum würden, in umweltverträglicher Form, neue Höhen erklimmen. Falls das in Europa überhaupt gewünscht ist.
Titus Gebel ist Unternehmer und promovierter Jurist. Er ist unter anderem Mitbegründer der an der Frankfurter Börse notierten Deutsche Rohstoff und des kanadischen Nuklear-Startups Dual Fluid. Frustriert von der Erkenntnis, dass die derzeitigen Systeme nicht nachhaltig reformierbar sind, entwickelte er das Konzept der Freien Privatstädte, an dessen Umsetzung er arbeitet. Im Jahr 2018 veröffentlichte er das Buch Freie Privatstädte – Mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt, in dem er die theoretischen und praktischen Grundlagen darlegt.