Peter Hahne, Gastautor / 14.03.2021 / 11:00 / Foto: Superbass / 87 / Seite ausdrucken

Die Sendung mit dem Lebertran

Von Peter Hahne.

Wer sich in Mainz über Erderschütterungen wundert: Das Beben kommt vom Hauptfriedhof, wo der Gründungsintendant des ZDF begraben liegt. Der unvergessene Karl Holzamer, am 22. April 2007 hundertjährig verstorben, hat dort seine letzte Ruhestätte gefunden und rotiert nun in derselben. Der Philosoph und Pädagoge war Mitglied des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem und verwandt mit dem Schriftsteller Wilhelm Holzamer. Er achtete in seinen legendären 16 Intendanten-Jahren auf blitzsauberen Journalismus, wozu ordentliche Recherche und der richtige Gebrauch der deutschen Sprache gehörten. 

1967 sorgte der tiefgläubige Katholik für Schlagzeilen, als er seinem Star-Showmaster Lou van Burg („Der Goldene Schuss“, ein Straßenfeger und Quotenrenner) fristlos kündigte. Grund: „Mister Wunnebar“ hatte neben seiner Ehefrau noch eine Geliebte. Diese „Bettgeschichten mit Balkenüberschriften in den Boulevardblättern“ bezeichnete Holzamer als unwürdig für das ZDF. Er müsste sich heute wahrscheinlich permanent neue Mitarbeiter suchen.

Viel substanzieller und wenig „Wunnebar“ dürfte Holzamer es finden, dass sein „Bildungsfernsehen“ gerade für eine besondere Art von Volkserziehung missbraucht wird. Die geschätzte Moderatoren-Kollegin Petra Gerster nahm letzten Donnerstag bei „Maischberger“ (ARD) zur eigentümlichen Art ihrer Sprechweise Stellung, die manche als logopädische Störung, Schluckauf oder andere Beschwerden deuten. Gerster, die zum Beispiel Leser...innen sagt, also eine Baby-Bäuerchen-Pause nach den ersten zwei Silben einlegt, bekam nach eigenen Angaben „wütende“ Reaktionen auf ihre Genderei. „Die Mehrheit der Zuschauer lehnt das ab”, räumt sie ein. Aber sie meint, das sei „alles nur eine Frage der Gewöhnung.“

Gewöhnung! Das ist doch Hochmut-Pädagogik vom Feinsten, sozusagen Sonderschule fürs dumme Volk, für diese elenden Rückwärtsgewandten, die in der Sprache von Goethe, Schiller, Buber oder Luther völlig hinterwäldlerisch steckengeblieben sind, sozusagen Provinz pur. Denen muss man doch als medialer Volksbildungsmoderator mal auf die Sprünge helfen und ihnen die patriarchalistischen Flausen austreiben. Sozusagen die leidvoll zu ertragende allabendliche 19-Uhr-„heute“-Dosis Lebertran für die Volksgesundheit. Die werden sich schon dran gewöhnen, wie man „gerecht“ zu sprechen hat. Eine interessante Neudefinition von Demokratie. Das klingt wie die neue All-Altparteien-Politik: Das Volk (oder wie es im „Hamburg-Journal“ des NDR heißt: die Bewohnenden) ist eben noch nicht so weit wie wir hochgebildeten Elite-Sprach-Soldat*_innen. Die wollen doch noch nicht mal die schönen Windräder oder die Abschaffung der Einfamilienhäuser, diese Elenden.

„Frauen, werdet wieder unsichtbar!“

Mehr Hochmut und Volksverachtung geht nicht. Denn was die Bewohnenden und schon länger hier Lebenden, wie „das Bundeskanzler“ (so der Gender-Vorschlag bei „Maischberger“, ohne Alkohol und ersten April) die Deutschen nennt, wirklich wollen, besagt zum Beispiel eine Leserumfrage der Mitteldeutschen Zeitung: 99 Prozent sagen Njet zu dem Spuk.

Doch nun wird die ganze Genderei zum Gezänk unter Genossinnen. Herr(!)lich! Die ehemalige ORF-Moderatorin („ZiB-Kultur) und bekennende Feministin Andrea Schurian, jetzt Chefin der jüdischen Zeitschrift „Nu“, holt zum großen Schlag aus. In „Die Presse“ (Wien) wütet sie mit den Worten des Philosophen Konrad Paul Liessmann über den „Glottisschlag“, wie man das sprachgestörte Bäuerchen (besser: Bäuerin-chen?!), also quasi den gesprochenen Genderstern, der kreisförmig angeordnete Deppenapostroph, offiziell nennt: „Ich werde den Gedanken nicht los, dass es bei diesem doch eher peinlichen Gestammel weniger um die weiblichen oder queeren Adressaten als um moralische Selbstgefälligkeit geht und darum zu zeigen, dass man die politisch korrekte Fassade aufrechterhält.“  

Das „stimmlose glottale Plosiv“, also die kurze Atempause zwischen Leser--innen zum Beispiel, „soll den Raum zwischen männlicher und weiblicher Form für alle Geschlechteridentitäten erleuchten“, vermutet Feministin Schurian und kommt zu dem vernichtenden Urteil: „Ich will in keinem stillen Sprachloch verschwinden.“ Und setzt noch einen drauf: „Auch wenn es biologisch gesehen Unsinn ist, sollen gendersensibilisierte Babys fürderhin mit Eltern- statt Muttermilch abgespeist werden. Schließlich könnte sich jemand vom weiblichen Brustfütterungsalleinstellungsmerkmal dominiert und diskriminiert fühlen. Also, Frauen, werdet, was ihr seit Jahrhunderten perfektioniert: unsichtbar!“

Tja, es ist also längst keine Frage von rechts oder links, stock-hetero-konservativ oder ach-so-liberal-queer mehr. Auch in der Linken (siehe Wolfgang Thierse, Gesine Schwan oder Willy-Brandt-Sohn Peter in ihrem Streit mit der Esken/Kühnert-SPD) regt sich unter den wahrhaft Gebildeten und dem normalen Volk der den länger existierenden Sprachraum (früher Deutschland genannt) Bewohnenden Widerstand. Für Gender-Gaga scheint Schluss mit lustig. Wäre da nicht die schützende Hand der Öffentlich-Rechtlichen oder das Milliarden teure Divers-Förderungsprogramm der Bundesregierung, das zur Wochenmitte vorgestellt wurde. 

Ach, lieber Professor Holzamer, was war das noch schön, als das Fernsehen Bildung und nicht Gewöhnliches äääääh Gewöhnung auf dem Programm hatte. Gut, dass ich schon entwöhnt bin. Nicht nur von der Elternbrust mit ihrer Menschenmilch. Und das Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein“ passt prima zu dem Volksbildungsprogramm der Volksverächterelite: Es bleibt etwas Hohles zurück, und wenn’s nur die Birne ist. 

PS: Es gibt aber auch Lichtblicke in all der Verblendung: sah ich doch zufällig am 10. März den Beginn der Kochsendung „Stadt, Land, lecker“ im ZDF mit Starkoch (nicht zu verwechseln mit Gender-Köch*in Herr-Frau) Alexander Herrmann (müsste der Name nicht längst verboten sein?!). Der begann in korrektem Deutsch: „Ich trete heute gegen fünf Kollegen an.“ Um dann zu seinen Mitbewerbern überzuleiten: „Und hier sind sie, meine fünf Kollegen...“ Was man sah und was sich dann vorstellte: zunächst zwei Frauen, dann die drei Männer. Ist denn niemand der verantwortlichen Redakteurenden oder Leitenden oder Intendant...in, die da sprachpolizeilich aufpassen?! Sind das denn alles pennende Weihnachts*frauen und vernachlässigen das gerechte Programm stief*väterlich?! Vielleicht haben sie ja doch noch einen Rest von Holzamer-Bildung und wissen, was das generische Maskulinum ist. 

Dieser Beitrag erschien zuerst auf kath.net

Peter Hahne (68) war Vorgänger von Petra Gerster als Moderator der ZDF-Hauptnachrichtensendung „heute“. Zum Thema auch sein neues Buch: „Seid ihr noch ganz bei Trost! Schluss mit Sprachpolizei und Bürokraten-Terror“ (Quadriga/Lübbe-Verlag)

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Emmanuel Precht / 14.03.2021

Was sonst keine Qualifikationen mitbringt macht eben auf Gender-Gaga. Manche haben etwas was andere wollen und sich leisten können. Wer werder das eine noch das andere hat, macht auf Moral. Wohlan…

Lutz Herrmann / 14.03.2021

Ja, der Name Herrmann wird nur noch im Untergrund verwendet. Die Post stellt ihn immer seltener zu. Die Repressalien gegen die Zusteller nehmen zu, wenn sie Postwurfsendungen ohne Gendersternchen noch weiterleiten.

Wilfried Cremer / 14.03.2021

Ergänzung: Die Gebühreneinzieher bedienen sich demnach auch aus Sozialkassen. Kann man das nicht mal verfassungsrechtlich untersuchen lassen? @ Juristen in der Leserschaft

Dr Stefan Lehnhoff / 14.03.2021

Ich find es gut: Gender ist noch irrer, blöder und falscher als die Fakepandemie. Das merken selbst Schlafschafe. Und dann merken sie irgendwann vielleicht auch, das es immer wieder dieselben Figuren der Finsternis sind, die vor Sexismus, Rassismus, Viren, vernünftiger Energiepolitik oder Klimawandel warnen. Damit wir sie endlich loswerden- tot oder lebendig, das wird die Geschichte zeigen.

Norbert Gebhardt / 14.03.2021

Sehr hübsch gesprochen heute in der ARD: “Bürger-(Bäuerchen)-innen und Bürger”. Diese Menschen sind schlimm erkrankt.

Bernadette Lauser / 14.03.2021

Was mich stört: 1. Abwechslungsreiche maskuline und feminine Form, quasi ein plumper Versuch, die Geschlechter gerecht zu verteilen: Die Patienten und die Ärztinnen (wenn von allgemein unspezifischen Patienten und Ärzten die Rede ist. 2. Das missbrauchte Partizip Präsens, welches eine aktuell ausgeübte Tätigkeit bezeichnet. Z.B. die Studierenden (die Ärmsten! Sie dürfen niemals schlafen, feiern, essen, leben - sie müssen unablässig studieren!), die Wählenden (stopfen immer wieder ihren Wahlzettel in die Urne, 24 Stunden am Tag - und nie erfahren sie das Resultat der Wahl - wie in einer griechischen Hölle), die Mitarbeitenden (der Albtraum aller Gewerkschaften, sie haben nie frei) oder die Heimbewohnenden - ok, die tun das unbestritten die ganze Zeit, klingt aber trotzdem seltsam. 3. Dass Medien und Fernsehen das einfach so übernehmen und uns überstülpen, ohne dass die Eigentümerin der deutschen Sprache, die deutschsprechende Bevölkerung nämlich, gefragt wird. Das waren noch Zeiten, als wir über die Rechtschreibereform diskutieren durften!

Karl-Heinz Vonderstein / 14.03.2021

Stimmt das eigentlich, dass die Angestellten von Audi von den Vorgesetzten mit Audionauten*Innen angesprochen werden?

Eckhart Diestel / 14.03.2021

Können wir das Sternchen bitte durch ein Xhosa “q” ersetzen ? Dann bin ich dabei.

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