Volker Seitz / 08.05.2020 / 10:00 / Foto: EFF-Graphics / 35 / Seite ausdrucken

Die Nigeria-Mails – erfolgreich arm werden!

Die Nachrichten um das Corona-Virus beherrschen derzeit die Medien auf allen Kanälen. Diesen Hype nutzen nun auch Cyberkriminelle aus. Die Methoden der Nigeria-Connection verändern sich ständig. Die Betrugsdelikte sind mannigfaltig und passen sich immer wieder den aktuellen Gegebenheiten an. Derzeit kursieren wieder „Nigeria-Mails“ in Deutschland. Sie werden aus Großbritannien, den Niederlanden oder Spanien verschickt. Das Geld aus diesen Betrügereien wird nach Recherchen von „The Money Trail Project“ meist über asiatische Banken gewaschen. Die F.A.Z. berichtete am 7. Mai 2020 über die so genannten „Black Axe“ und „Neo-Black-Movement“-Banden (S. 9), die für ähnliche kriminelle Machenschaften bekannt sind.      

419er (Four-One Niner) werden in Nigeria Betrüger genannt, die Menschen mit falschen Versprechen per E-Mail Geld aus der Tasche ziehen wollen. (Grundmuster: auf einem gesperrten Konto in Nigeria liegt das Erbe eines Millionenvermögens von einem verwandten Politiker/Geschäftsmann. Für die Bearbeitung wird Hilfe gebraucht. Erbeten wird die Überweisung von ein paar Tausend Euro für Gebühren, Steuern oder Schmiergelder. Als Gegenleistung wird Teilhabe an dem Vermögen angeboten.) Die 419er machen sich die Gier nach schnell verdientem Reichtum und Dummheit von Menschen im Westen zu Nutze. Häufig werden Opfer „eingeladen“, nach Afrika zu kommen, um dort „Dokumente“ zu unterzeichnen. Dort wird dann ein Lösegeld fällig. Schon seit 1995 existiert im nigerianischen Strafgesetzbuch ein Paragraph, der dem Vorschussbetrug den Namen „419-Scam“ eingebracht hat. Diese Internet-Kriminalität („Nigeria Connection“) ist weiterhin sehr aktiv, weil immer noch ahnungslose, naive Menschen auf die Tricks hereinfallen.
Die nigerianische Schriftstellerin Adaobi Tricia Nwauwani thematisiert mit Witz den Vorschussbetrug durch die Nigeria Connection in ihrem Roman „Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy“.

Internetbetrüger werden in Nigeria auch „Yahoo Yahoo Boys“ genannt. Seffi Atta beschreibt in ihrem Buch „Hagel auf Zamfara“ die Methoden: „Ich sollte den Text [der Bettelbriefe] so einfach wie möglich halten. Ich könne zum Beispiel schreiben, dass ich Waise sei oder ein alter Mann. Es funktioniert ebenfalls gut, sich als Frau auszugeben oder eine tödliche Krankheit zu erfinden. Die erfolgreichste Variante sei, um Geld zu bitten, damit ich oder mein Kind die Ausbildung beenden könnte. Darauf würde ich sicher mitfühlende Antworten bekommen.“ (S.313). 

„Opfer ihrer eigenen Schwächen“

„Um einen mugu [Vollidioten] in die Falle zu locken, druckten sie falsche Urkunden und Papier mit offiziellem Briefkopf, mieteten und möblierten, wenn nötig Büros, um sie als staatliche Behörde auszugeben. Sie waren zu jeder Scharade bereit.“ (S.314)

Mugus waren laut Augustine nicht nur Vollidioten, sondern Opfer ihrer eigenen Schwächen. Diejenigen, die auf die Bettelbriefe hin Geld schickten, linderten damit Schuldgefühle, die wegen ihres extravaganten Lebensstils an ihnen nagten, oder sie hatten eine vorgefertigte Meinung, wir Afrikaner litten bittere Not. Diejenigen, die Geld schickten, um Lotteriegewinne einzufordern, waren schlicht habgierig, und jeder, der auf den Vorschlag zur Überweisung eines fremden Vermögens einging, musste verdorben sein bis ins Mark.“ (S.315)

Die Geschichten, die dabei in Mails erzählt werden, sind so phantastisch, dass es eigentlich sofort auffallen sollte, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht. Schützen können sich die potentiellen Opfer deshalb auch weiterhin nur selbst. Gesunder Menschenverstand sollte die meisten Betrugsversuche vereiteln können. 

 

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe erschien im September 2018. Drei Nachauflagen folgten 2019 und 2020. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge. 

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Leserpost

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Dr. Gundolf Hartenstein / 08.05.2020

Solche Spam-Mails habe ich schon vor fast 20 Jahren bekommen. Kurz nach dem Irak-Krieg gab es Variationen, mir das verschollene Vermögen des Saddam Hussein (oder von seinem Sohn Udai) zu überweisen. Manchmal machte ich mir einen Spaß daraus, mit Fake-Mailadressen zu antworten, um diese Leute dann auf das übelste zu beschimpfen. Wer allerdings so unfassbar blöd ist, dem Text einer solchen unaufgeforderten Mail Glauben zu schenken, hat es nicht anders verdient. “Mugu” heißt das also bei den Afrikanern. Andererseits gibt es tatsächlich Mugus, die Abermilliarden an Euros auch an Unberechtigte einfach so verschleudern. Sie sitzen in Berlin im Regierungsviertel. Wer das aber genau sein soll, weiß ich im einzelnen auch nicht. Offenbar gibt es wohl alles mögliche unter Gottes lieber Sonne.

Edgar Timm / 08.05.2020

Und was unterscheidet unsere Regierung von der Nigeria-Connection? Seit Jahrzehnten wirbt sie bei den Arbeitnehmern für eine private Altersversorgung. Millionen Bürger fielen auf das Versprechen herein, nach Zahlung einer Pauschalsteuer von 10 % im Alter etwas mehr Geld zur Verfügung zu haben. Erst wurde der Pauschalsteuersatz um 50% erhöht, später wurden die Rentenzahlungen ein zweites Mal für Sozialabgaben herangezogen. Wer dem Staat vertraut hat, bekommt heute im Alter weniger Geld ausgezahlt, als er seiner Zeit angespart hat.

Günther Wirst / 08.05.2020

Die denken sich halt richtig: Jeden Tag wird ein Volltrottel geboren, man muss ihn nur finden.

H. Mesenbach / 08.05.2020

Die Nigeria-Connection ist uralt. Anfangs der 90er waren es Briefe per Post, in Zeiten des Internets waren es dann Mails. Ich habe die ersten Mails mit dem Start ins Internet-Zeitalter bekommen und das ist nun auch schon 20 Jahre her. Wer ein wenig Spaß haben möchte, sich zugleich informieren, möge sich die Internetseite scambaiter.info anschauen (das WWW zuvor nicht vergessen). Erstaunlich ist es in der Tat, dass nach so langer Zeit noch so viele auf diesen Scam (oder Betrug) hereinfallen. Dazu gibt es allerdings ein geflügeltes Wort von mir: Gier frisst Hirn.

Sebastian Weber / 08.05.2020

Von Mugus werden wir derzeit regiert. Und der Ober-Mugu ist Entwicklungshilfeminister Müller.

Rudolf Krakora / 08.05.2020

Ich bekomme fast jede Woche so ein Schreiben. Leider bin ich immer noch nicht mehrfacher Millionär da mein Finger immer aus versehen auf die Löschtaste fällt. So ein Pech aber auch. Ähnliches gilt für den Enkeltrick und ähnlichen anderen Betrugsmaschen.

Dov Nesher / 08.05.2020

Das ist alles nicht neu und hat nichts mit Corona zu tun. Das war schon so. Gier essen Verstand auf.

Volker Kleinophorst / 08.05.2020

Mit nichts ködert man die Leute leichter, als mit leicht erworbenem Vermögen, obwohl doch ein jeder weiß: Es wird nichts verschenkt. Aber ich habe gut reden. Seit die Witwe von Kabila Anfang der 0er-Jahre ihr Geld mit mir geteilt hat, allein weil ich ihr mein Konto zur Verfügung gestellt habe, lebe ich ja auf meiner Privatinsel vor Brasilien. Wie die Dame auf mich gekommen ist? Ich war halt zu der Zeit im Kongo als vertrauenswürdige Person bekannt.

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