Gastautor / 19.07.2015 / 06:30 / 0 / Seite ausdrucken

Die moralischen Argumente für fossile Energien

Von Peter Heller

Seit vielen Jahren versuche ich, ein Buch zu schreiben. Es gelingt nicht, weil mir die Zeit fehlt. Das mit dem Buch hat sich für mich erst einmal erledigt. Denn was schon geschrieben wurde, bedarf keiner neuen Fassung.  Ich denke ganz so, wie Alex Epstein in “The Moral Case For Fossil Fuels”. Leider ist es nur in Englisch verfügbar. Ob es jemals ins Deutsche übertragen wird? Sinnvoll wäre es, denn kaum ein Land könnte so von Epsteins klarsichtiger Rationalität profitieren, wie das unsere.

Das Buch ist schon einige Monate auf dem Markt, es erschien im November 2014. Besprechen möchte ich es trotzdem jetzt, weil es als (vorweggenommene) Antwort auf einige aktuellere Debattenbeiträge angesehen werden kann. Gelesen habe ich es außerdem erst in den vergangenen Tagen. Es wurde mir geschenkt. Von einem unserer vielen stillen Mitleser, die uns seit Jahren treu sind, ohne sich jemals in den Diskussionen hier zu Wort zu melden. Wofür ich mich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bedanken möchte. In seiner Freizeit zu Bloggen lohnt sich eben doch.

Epstein beginnt seine Ausführungen mit einer Rückschau auf die Dystopien der 1970er Jahre. Ebenso wie er wurde auch ich damals in der Schule erstmals mit den Vorhersagen eines Club of Rome oder eines Paul Ehrlich konfrontiert. Ökologistisch motivierte Lehrer sind keine Erfindung der Gegenwart. Das nahe bevorstehende Ende der Zivilisation durch Hunger, Krankheiten und Umweltzerstörung wurde damals von den genannten und anderen Protagonisten mit Nachdruck prophezeit.  Hätten sie richtig gelegen, wäre die Welt schon vor zwanzig oder mehr Jahren untergegangen.
Tatsächlich aber hatten sie sich geirrt. Und zwar, wie Epstein anhand von Daten und Fakten zeigt, nicht nur in einzelnen Aspekten oder in den zeitlichen Abläufen. Vielmehr ist in allen, wirklich allen Punkten das genaue Gegenteil dessen eingetreten, was orakelt wurde. Die Katastrophe ist nicht einfach aufgeschoben, sie wird zunehmend unwahrscheinlicher. Auch wenn lokal gelegentlich für begrenzte Zeiträume gegenläufige Trends zu beobachten sind, zeigen in der globalen und langfristigen Perspektive alle Entwicklungen in eine positive Richtung. Der Wohlstand steigt, der Hunger nimmt ab, die medizinische Versorgung wird immer besser, die Zahl der durch wetterbedingte Naturkatastrophen getöteten Menschen sinkt ebenso rapide wie der Eintrag von Schadstoffen in die Umwelt – bei gleichzeitig zunehmender Bevölkerungszahl.

Diese einfach zu belegende Beobachtungstatsache hat Epstein zum Nachdenken angeregt. Könnten solche fundamentalen Irrtümer der Untergangspropheten auf einem ebenso fundamentalen, prinzipiellen Denkfehler beruhen? Ja, sagt er, und zeigt diesen Denkfehler in seinem Buch mit einer rhetorisch und stilistisch herausragenden Argumentation auf.

In Wahrheit, so die Zusammenfassung seiner provokanten These, seien die als Ursache allen kommenden Übels ausgemachten fossilen Energierohstoffe genau gegenteilig wirksam. Man solle sie daher nicht verdammen, sondern ihre Nutzung weiter forcieren. Dieser Denkfehler liege natürlich nicht nur den alten apokalyptischen Szenarien zugrunde, sondern auch moderneren wie der Klimakatastrophe.

Energie, so Epstein, ist weit mehr als Wärme und Licht. Sie treibt auch unsere Maschinen, mit denen von der Nahrung bis hin zur Kleidung alle zu unserer Grundversorgung notwendigen Produkte in ausreichender Menge und Verfügbarkeit hergestellt werden können. Sie ermöglicht Mobilitäts- und Kommunikationssysteme, die nicht zuletzt als Rückgrat des Handels Wohlstand erzeugen. Je preiswerter und sicherer die Energieversorgung eines Landes, desto besser geht es seinen Bürgern. Eine triviale Wahrheit, keine Frage, aber diese ständig wiederholen zu müssen ist nur ein Ausdruck der fehlgeleiteten Debatte, in die uns die Ökologisten (Epstein verwendet den Begriff Evironmentalists) seit Jahrzehnten zwingen.

Daß Kohle, Öl und Gas mehr als 80% des globalen Primärenergiebedarfes decken, wird beispielsweise als Abhängigkeit gesehen, die uns teuer zu stehen käme, wenn denn diese endlichen Ressourcen (in naher Zukunft) erschöpft seien. Epstein verweist hier auf das Primat der Technologie (ohne es so zu nennen). Je größer der Rohstoffbedarf, desto mehr wird in dessen Gewinnung investiert. Deswegen steigen die bekannten Reserven und Ressourcen mit steigendem Verbrauch. Auch ermöglichen die fossilen Energieträger auf direkte und indirekte Weise technische Fortschritte in anderen Bereichen (Informationstechnologie, Materialwissenschaften), durch die wiederum Prospektion und Förderung effektiver und effizienter werden. Immer mehr Vorkommen gelangen technisch und wirtschaftlich in Reichweite. Immer deutlicher stellt sich heraus, daß die verfügbare Menge für alle sinnvollen Planungszeiträume als unbegrenzt angesehen werden kann. Der zentrale Denkfehler der Ökologisten besteht in deren Ignoranz gegenüber der entscheidenden, tatsächlich unendlichen Ressource: Der menschlichen Kreativität und Schaffenskraft.

Aber verschmutzt die Verbrennung fossiler Kohlenwasserstoffe nicht unsere Umwelt? Werden nicht Schadstoffe wie Stickoxide, Schwefeloxide und Feinstäube produziert, die auch der menschlichen Gesundheit abträglich sind? Auch hier stellt sich die Wirklichkeit nach Epstein gegenteilig dar. Die Belastungen sinken rapide, weil eben die durch Kohle, Öl und Gas geschaffene industrielle Basis eine immer bessere Reinigung der Abgase ermöglicht. Viele asiatische Metropolen, insbesondere in China, durchleben nach Epsteins Ansicht derzeit im Rekordtempo die Phase, die die westlichen Städte schon im Verlauf des 19. Jahrhunderts durchmachten. Und ebenso wie hierzulande wird es auch dort bald moderne Anlagen geben, die die Luft nicht mehr verpesten.

Bleiben das Kohlendioxid und die mit diesem verbundene Klimadebatte. Epstein weist auf die Erwärmungswirkung des Treibhauseffektes deutlich hin. Nur sei diese eben, im Gegensatz zu dem, was uns die Ökologisten glauben machen, nicht relevant. Nicht ein potentieller Klimawandel, auch nicht ein potentiell anthropogen induzierter würden eine Reduzierung oder gar ein Verbot aus fossilen Quellen gewonnener Energie rechtfertigen, sondern eben nur ein katastrophaler Klimawandel. Die Klimakatastrophe aber habe mit dem Treibhauseffekt nichts zu tun.

Die wirklich relevante Frage ist nach Epstein, ob die Menschen in einem veränderten Klima besser oder schlechter leben könnten. Seine Antwort beinhaltet zwei Aspekte: Jede Veränderung unserer Umwelt beinhaltet Risiken und Chancen. Mit und durch die fossilen Energieträger würden wir resilienter gegen die Risiken und könnten die Chancen besser nutzen. Letzteres ist übrigens ein Element der Anpassung, das in der Debatte häufig vergessen wird.

An diesen drei Beispielen wird Epsteins zentraler Ansatz deutlich: Ein konsequentes Abwägen der Vor- und Nachteile fossiler Kohlenwasserstoffe. Er verfällt nicht in den Fehler der anderen Seite, nur die negativen Aspekte zu betrachten. Vielmehr gelangt er nach sorgfältiger, mit vielen Zahlen und Fakten unterstützter Analyse zu dem Ergebnis, daß die Vorteile die Nachteile bei weitem überwiegen.

Gäbe es denn einen Energieträger, der Kohle, Öl und Gas gleichwertig ersetzen könnte, ohne deren Schwächen aufzuweisen? Epstein entlarvt diese ökologistische Phantasie als unhaltbare Illusion. Es existiert keine Alternative, weder hinsichtlich Verfügbarkeit, noch hinsichtlich Verläßlichkeit, Kosten und Skalierbarkeit. Die Argumente, die er gegen Wind, Sonne und Biomasse anführt, unterscheiden sich nicht von denen, die wir bei Science Skeptical seit Jahren erläutern. Einzig die Kernenergie (Spaltung und Fusion) und die Wasserkraft weisen nach seiner Meinung entsprechende Potentiale auf. Bei weiter steigendem Energiebedarf werden diese aus seiner Sicht aber eher ihre Marktstellung als Ergänzung zu Kohle, Öl und Gas festigen und nicht als Substitute in Frage kommen.

Wenn denn diese Tatsachen so klar auf der Hand liegen, warum kämpfen so viele intelligente Menschen gegen die Nutzung fossiler Energierohstoffe? Warum ist deren Opposition gegen die Säulen der modernen industrialisierten Welt so populär? Weil sie, wie Epstein herausarbeitet, nicht über objektive Wahrheiten streiten, sondern aus einer moralischen Position heraus bewerten.

Wer aber ein Thema aus dieser Perspektive betrachtet, hat offenzulegen, nach welchen Maßstäben er zu Einschätzungen wie „gut“ und „böse“ gelangt. Man kann sich dabei an theologischen Vorstellungen orientieren. Der Papst gelangt auf diese Weise in seiner Enzyklika zu einer Ableitung von Grenzen, die der Mensch hinsichtlich seiner Einflußnahme auf die Umwelt nicht überschreiten dürfe, wenn er nicht gegen gottgegebene Gebote handeln wolle. Auch das zentrale Dogma der Ökologisten ist seinem Wesen nach spiritueller Natur. Denn deren moralischer Maßstab beruht auf dem Grundsatz der absoluten Nichteinmischung. Im Zweifel habe der Mensch alles zu unterlassen, was seine Umwelt verändert – vom Bergbau bis hin zur Emission von Gasen. Diese Idee vom Menschen als Zerstörer, der ein der Natur eigenes Recht auf unveränderte Existenz schon durch seine bloße Anwesenheit auf diesem Planeten bricht, zeigt sich nicht nur in den bekannten Zitaten über das „Krebsgeschwür Menschheit“, sondern auch im hier schon diskutierten ökomodernistischen Manifest. Auch die Ökomodernisten halten an dem Prinzip fest, die Beeinflussung der Umwelt durch den Menschen so weit wie nur möglich zu minimieren – im Idealfall durch eine vollständige, durchaus technologiebasierte Trennung der beiden Sphären.

Auf dieser Grundlage spielen natürlich die mit der Nutzung fossiler Energiequellen verbundenen Vorteile keine Rolle. Sie finden keinen Eingang in die moralische Bewertung.

Alex Epsteins Buch ist der Gegenentwurf zu dieser Weltsicht. Sein moralischer Maßstab ist allein der Mensch. Gut ist, was den Menschen ein besseres, längeres und gesünderes Leben ermöglicht, was Sicherheit und Wohlstand schafft.  Aus dieser zutiefst humanistischen Perspektive schneiden die fossilen Energieträger herausragend ab. Mit diesen geht es uns besser, viel besser, als ohne sie. Deswegen ist es moralisch geboten, nicht weniger, sondern mehr Kohle, Öl und Gas zu fördern, zu verteilen und zu nutzen. Dadurch steigt auch unsere Fähigkeit, die Umwelt zum Nutzen der Menschheit neu zu formen und zu gestalten.

In Epsteins eigenen Worten ausgedrückt:

We don’t want „to save the planet“ from human beings; we want to improve the planet for human beings.

(Wir wollen nicht den Planeten vor den Menschen retten, wir möchten den Planeten für die Menschen verbessern.)

DieserBeitrag erschien zuerst auf Peter Hellers Blog ScienceSceptical hier

 

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