Chaim Noll / 25.03.2024 / 06:30 / Foto: Pixabay / 43 / Seite ausdrucken

Die Juden-Selektion der deutschen Linken

Einige aus der NS-Zeit bekannte Methoden im Umgang mit Juden erfreuen sich zunehmender Beliebtheit bei deutschen Linken, besonders bei grünen Funktionsträgern.

Betroffen sind israelische Staatsbürger, die sich nicht in Wort und Tat an die Regeln der political correctness der deutschen Linken halten. Eingeladen und gefördert werden nur noch Juden, die sich im Sinne linker deutscher Politiker botmäßig verhalten, unliebsame werden selektiert und fortan aus dem deutschen Kultur- und Medienbetrieb ausgeschlossen.

Besonders beliebt ist der Boykott, vor allem die „Ausladung“ von bereits zugesagten Veranstaltungen. Israelische Medien berichteten etwa über Ausladungen von Yonathan Shay, einem Vertreter der bei der deutschen Linken unbeliebten israelischen Organisation Im Tirtzu, veranlasst durch den höchst zwielichtigen Vorsitzenden der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Volker Beck, einen langjährigen, aus verschiedenen Skandalen bekannten Bundestagsabgeordneten der Grünen. Schon im vergangenen Jahr berichtete die amerikanische Wochenzeitung The Jewish Press (23.1.2023): „Volker Beck und Mitglieder des Bundesvorstands der DIG intervenierten, um Yonathan Shay, dem Leiter der Abteilung Im Tirtzu Hasbara (Israel Advocacy), ein Redeverbot in Deutschland zu erteilen. Mehrere DIG-Ortsverbände hatten Shay, der fließend Deutsch spricht, eingeladen, Vorträge zu halten.“

Gegenüber der Jewish Press ließ Beck (in seltsamer Redseligkeit, vermutlich in einem Telefonat) durchblicken: „Wir wollen noch einmal erklären, warum wir uns entschieden haben, den Antrag nicht zu bewilligen… Ich will es nicht verschweigen, es gab auch ein bisschen Bedenken vom Auswärtigen Amt, dass wir uns von Yonatan Shay Vorträge anhörten.“ Ihm entschlüpfte sogar die Bemerkung: „Wir stehen gerade unter Beobachtung des Auswärtigen Amtes.“ Die Jewish Press sandte daraufhin eine Anfrage an das deutsche Auswärtige Amt, auf die sie den Bescheid erhielt: „Die Deutsch-Israelische Gesellschaft wird seit 2012 institutionell vom Auswärtigen Amt gefördert. Projekte (...) werden im Einzelfall beantragt und bewilligt (...) Selbstverständlich übt das Auswärtige Amt keinen Druck auf seine Partner aus und führt auch keine Listen wie die von Ihnen genannten.“

Eine Ehre, von Leuten wie Volker Beck ausgeladen zu werden

Die Realität ist etwas anders, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Denn auch ich stehe bei der vom Auswärtigen Amt finanzierten Deutsch-Israelischen Gesellschaft seit Jahren auf der Schwarzen Liste. Die meisten DIG-Ortsverbände wissen das und laden mich erst gar nicht mehr ein (sparen sich also die bürokratischen Mühen eines „Antrags auf Förderung der Veranstaltung“, den die Ortsverbände beim Bundesvorstand in Berlin einreichen müssen). Wenn es versehentlich doch geschieht, wie kürzlich bei der DIG Wiesbaden, deren Vorsitzender mich für diesen Mai zu einer Lesung einladen wollte, wird die Initiative vom Bundesvorstand abgewürgt.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich nehme dadurch keinen Schaden und rechne es mir inzwischen zur Ehre an, von Leuten wie Volker Beck ausgeladen zu werden. Den Schaden haben die deutschen Israel-Freunde, die sich ahnungslos den Ortsverbänden der DIG anschließen und vermutlich nicht wissen, dass ihre Gesellschaft einer politischen Zensur unterliegt, einer Selektion der Einzuladenden, so dass sie dort nur gefilterte, einseitige Information über Israel und den Nahen Osten erhalten. Von einer kleinen Clique grüner Funktionäre wird hier die Gutwilligkeit von interessierten, Beitrag zahlenden Deutschen missbraucht, die annehmen, in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft hätten sie es mit Freunden Israels zu tun und könnten dem bedrängten Land Hilfe leisten – beides ist längst nicht mehr der Fall.

Neuestes Opfer der Selektion wurde der international bekannte israelische Schriftsteller Iddo Netanyahu, ein Bruder des derzeitigen israelischen Premierministers. Die Verwandtschaft erwähne ich nur, weil sie vermutlich einer der Gründe ist, warum Iddos geplante Veranstaltung in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Berlin-Brandenburg „gecancelt“ wurde. Deren Vorsitzender, der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Jochen Feilcke, hatte Iddo Netanyahu eingeladen, aus seinem kürzlich in deutscher Übersetzung erschienenen Roman Itamar K. zu lesen, einer fein geschriebenen Satire, die sich mit dem israelischen Kulturbetrieb auseinandersetzt. Bezug zur gegenwärtigen politischen Situation besteht nicht, auch nicht zur Rolle seines in Deutschland umstrittenen Bruders. Dennoch wurde die für den 20. März 2024 geplante Veranstaltung im letzten Augenblick abgesagt.

Aus ein paar tausend Meilen Entfernung wirkt das alles nur lächerlich

Feilcke schämte sich nicht, für die Ausladung folgende Begründung anzugeben: Der Grund dafür ist die Tatsache, dass der israelische Autor in Deutschland von politisch weit rechts stehenden Gruppen vereinnahmt wird und sich auch vereinnahmen lässt. Seine Vortragsreise findet außer bei uns ausschließlich in politisch weit rechts stehenden Organisationen und Institutionen statt. Dazu zählen wir nicht und dazu wollen wir nicht gehören.“ Einem Kleingeist wie Feilcke ist offenbar nie der Gedanke gekommen, dass sich ein ausländischer, in diesem Fall israelischer Autor womöglich gar nicht für die in Deutschland verbindlichen Zuweisungen und Denunziationen interessieren könnte. Denn aus ein paar tausend Meilen Entfernung wirkt das alles nur lächerlich.

Unter den von Feilcke denunzierten „Organisationen und Institutionen“ ist auch die Israelitische Kultusgemeinde Bamberg, die offizielle Jüdische Gemeinde dieser Stadt, in deren Synagoge Iddo Netanyahu am 23. März eine Lesung gab – auch diese Jüdische Gemeinde wird somit von Beck und Feilcke als „weit rechts stehend“ eingestuft und zur Abstrafung freigegeben – ein weiterer Fall von Juden-Selektion. Vor zehn Jahren hatte sich Feilcke noch gegen die Übernahme und Gleichschaltung seines Ortsverbands gewehrt und der DIG Berlin-Brandenburg eine gewisse Autonomie bewahren können, inzwischen ist er offenbar zu schwach, sich gegen die Zensur des DIG-Bundesvorstands zu behaupten. Er wurde auf irgendeine verstohlene Weise, über die alle Beteiligten schweigen werden, von Volker Beck und dem Auswärtigen Amt der grünen Ministerin Baerbock unter Druck gesetzt. Wo deutsche Linke regieren, herrscht Zucht und Ordnung.

 

Chaim Noll wurde 1954 unter dem Namen Hans Noll in Ostberlin geboren. Sein Vater war der Schrift­steller Dieter Noll. Er studierte Kunst und Kunstgeschichte in Ostberlin, bevor er Anfang der 1980er Jahre den Wehrdienst in der DDR verweigerte und 1983 nach Westberlin ausreiste, wo er vor allem als Journalist arbeitete. 1991 verließ er mit seiner Familie Deutschland und lebte in Rom. Seit 1995 lebt er in Israel, in der Wüste Negev. 1998 erhielt er die israeli­sche Staatsbür­gerschaft. Chaim Noll unterrichtet neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit an der Universität Be’er Sheva und reist regelmäßig zu Lesungen und Vorträgen nach Deutschland. In der Achgut-Edition ist von ihm zuletzt erschienen: Der Rufer aus der Wüste – Wie 16 Merkel-Jahre Deutschland ramponiert haben. Eine Ansage aus dem Exil in Israel.

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Carsten Fischer / 25.03.2024

Das passt: Der erste Deutsche, der nach Auschwitz wieder Juden selektierte, war der Linksterrorist Wilfried Böse auf dem Flughafen von Entebbe/Uganda 1976.

Dr. Gunter Zimmermann / 25.03.2024

Noch trauriger als der inzwischen sehr offen vorgetragene Antisemitismus der Linken (von der Partei dieses Namens bis hin zu Sozialdemokraten und Grünen) ist der Sachverhalt, dass die bürgerlichen Parteien dieses unwürdige “Spiel” mitmachen.

Peter Holschke / 25.03.2024

Ist ja wie in der NS-Zeit, wo deutsche Funktionsträger über Juden und jüdisches Leben bestimmten. Offenbar wirkt das Erbe nach. Es ist aber schon etwas seltsam und grotesk, wenn Juden dem “Kampf gegen Rechts” zum Opfer fallen.

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