Hans-Hermann Tiedje, Gastautor / 24.10.2021 / 10:00 / Foto: Imago / 32 / Seite ausdrucken

Die Heuchler sind unter uns

Über den Fall meines Amtsnachfolgers Julian Reichelt bei „Bild“ wurde vieles gesagt, nur noch nicht von jedem. Deswegen werde ich schweigen.

Dazu folgende Richtigstellung: 

Der sogenannte Fall Reichelt ist von oben bis unten voll von Heuchelei. Man kann auch sagen: Die Öffentlichkeit wird verarscht. Jeder weiß alles und alles Mögliche besser. Ich glaube der Stellungnahme des Hauses Springer. Und habe der nichts hinzuzufügen. 

Allerdings gibt es in der Causa einen Helden und eine Menge Kläffer*innen. Mein Held ist der erfolgreiche Verleger Dirk Ippen, 81 und immer noch tatkräftig. Er hat die Veröffentlichung von Recherchen über Reichelt in seinen eigenen Blättern gestoppt. Er hat damit sein verlagseigenes Recherche-Team Buzzfeed gebremst.

Womit? Mit Recht. Sein Recht ergibt sich aus dem Tendenzschutz, dem Medienarbeitsrecht mit Eingreifmöglichkeiten für den Verleger. Ippen hat richtig gehandelt, und er muss auch nichts begründen. Am besten, er schmisse die ganze Buzzfeed-Bagage raus. Sollen die doch ein eigenes Medium gründen und sich selbst ernähren. Oder vielleicht hat ja auch die „taz“ Verwendung. 

Aber seit Ippens Eingreifen toben sich die journalistischen Hosenriecher*innen aus, mit Schnappatmung. Das geneigte Publikum darf sich in den kommenden Wochen auf Bröckchen und Häppchen über den Springer-Verlag und Julian Reichelt gefasst machen. Die Anonymität der sozialen Medien macht viele Trolle erst möglich.

P.S.: Den Buzzfeed-Leuten empfehle ich, sich künftig mit Schwerpunkt um die Fehlleistungen des Staates (BER-Elend, Berliner Wahlmutmaßungen, neue Migrationswelle, Afghanistan-Desaster, Corona-Fiasko) zu kümmern. Es gibt noch viel zu tun.

Zuerst erschienen im Euro am Sonntag.

Foto: Imago

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Leserpost

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Dr. Günter Crecelius / 24.10.2021

Und unserem Oberinvestigator Mascolo, der wie kein Anderer von seiner Bedeutung überzeugt ist und sich auch im WDR zum Fall Reichelt geäußert hat, empfehle ich, anstelle zu irgendwelchen Panama- oder sonstigen Papers zu recherchieren,  sich um z.B. Wirecard oder CumCum oder CumEx zu kümmern. Dabei geht es wirklich um richtig viel Geld, das heute eben nur Andere haben. Aber dabei würde er Leuten auf die Füße treten, die sich wehren können und das auch tun würden.

G. Böhm / 24.10.2021

Nun soll mal ein weiter Bogen gespannt, über das große Wasser vom neuen zum alten Kontinent und zwei Bausteine in Relation zueinander gebracht werden. Klötzchen A: Springer gehört KKR und Klötzchen B: “... Merkel konnte sich nicht ohne die Hilfe einer einflußreichen Schutzmacht auf dem Sockel halten.”. Was war passiert? Da hatte sich tatsächlich jemand getraut, am Rauten-Blazer zu zupfen, keine sexuelle Belästigung zwar, dennoch ein nicht hilfreicher Akt. Auch der Schutzmacht hat die Sache nicht in den Kram gepaßt. Also hat die Betroffene ihr Dienste-Mobile gezückt und darüber referiert, daß für eine durch beste Universitäten mehrfach Honorierte derartige Anzüglichkeiten beim besten Willen nicht tragbar sind. Und da man in Details eingeweiht ist - Wissen ist Macht - hat man eine elegante Lösung gefunden. Nun kann der Schuß, wie einst bei der versuchten Übernahme von VW durch einen Rennwagenbauer, durchaus nach hinten losgehen. Man darf gespannt sein, an wen in der Perspektive Springer weiterverkauft, d. h. übernommen, wird.

Frank Mehrlin / 24.10.2021

Also Herr Tiedje was Herrn Ippen betrifft, haben Sie in letzter Zeit mal die Frankfurter Rundschau gelesen? Die steht unter der Fuchtel des Herrn Ippen aus München. Deswegen frage ich mich warum Sie den auf der Achse zum Helden machen. In den von Ippen aufgekauften Verlagen herrscht absolute Zensur! Ansonsten pflichte ich Ihnen bei. Freundliche Grüsse aus dem Rhein Main Gebiet F. Mehrlin

Christian Feider / 24.10.2021

Ihr Ex-Kollege aus der “überwachten” Fraktion hat dazu einige Interna aus der Uournalistenblase veröffentlicht,die den “Fall Reichelt” doch eher wie einen “woken” Comic aussehen lassen. Wie Springer zu seiner Ehefrau kam oder wie Herr Mohn seine Angetraute und jetzige Busenfreundin von Angela M kennen lernte… wie gesagt,die neuen “Prüderisten” schauen nur da nach, wo es Feinde trifft

Gudrun Meyer / 24.10.2021

Der “Fall Reichelt” läuft nach dem Muster früherer Fälle ab. In den 1980-er Jahren war so etwas noch die Ausnahme, aber es kam vor. Der “Fall Waldheim” lief genauso ab. 1986 brüllte ein politischer Konkurrent: “Waldheim ist ein Kriegsverbrecher!” Der Konkurrent wusste nichts über Waldheims Biographie, und das einzige, was er zu wissen glaubte, nämlich, dass Waldheim ein alter SS-Mann sei, war falsch. Wenn der Konkurrent das gewusst hätte, wäre aus ” Waldheim ist ein Kriegsverbrecher” wahrscheinlich ein ” Waldheim ist ein Kinderschänder!” geworden. Nach 3 Jahren diverser Unterstellungen, die Waldheim widerlegen konnte, stellte sich Simon Wiesenthal hinter Waldheim (was natürlich auch Wiesenthal schadete: der mediale Lynchmob erklärte ihn zum unbedeutenden Angeber, dessen Verdienste weit überschätzt worden seien) und deutete an, dass er er den “Fall Waldheim” für einen Verleumdungsfall hielt. Warum so spät? Ich glaube, ich kenne die Antwort: Wiesenthal hatte recherchiert und war zum Schluss gekommen, dass tatsächlich nichts gegen Waldheim vorlag. Es war schon damals schwierig, klarzustellen, dass Zweifel an Waldheims Schuld nichts mit einer Relativierung von Kriegsverbrechen zu tun hatten. Das war etwas, das mich wunderte. In jedem Krimi gibt es einen unschuldig Verdächtigten, und dass dessen Unschuld hervorgestellt wird, bedeutet nie, dass der Kommissar deshalb den Mord nicht mehr ernstnähme. Der “Fall Reichelt” hat ein halbes Jahr früher mit der Unterstellung sexueller Nötigung angefangen. War nichts dran, also “musste” der mediale Lynchmob sich viktorianisch geben und einvernehmliche Affären anklagen, die einfach die Öffentlichkeit nichts angingen oder angehen. Ippen hat recht. Die NYT und damit die “demokratische” Partei der USA hat sich erst lange nach dem SPIEGEL in den “Fall” eingemischt, das Copyright liegt in Hamburg, nicht in New York. Aber diese Einmischung wird Reichelt noch schwer schaden. Auch dafür gab es bereits im “Fall Waldheim” klare Parallelen.

Hans Reinhardt / 24.10.2021

Warum Herr Reichelt gehen musste, ist klar. Vorgeworfen wurden ihm aber stattdessen seine Frauengeschichten. Allerdings nicht von denen, mit denen er was hatte. Die, mit denen er nichts hatte, die beschwerten sich. Schließlich hat er sie damit ja auf das Übelste diskriminiert. “Wie, Herr Reichelt hatte noch nichts mit Ihnen? Vielleicht sollten Sie mal abnehmen oder was an Ihrer Frisur ändern”.

Thomas Dresen / 24.10.2021

Ohne mumu* wäre mir der Text sympathischer!

Silvia Orlandi / 24.10.2021

Wer sind denn die Klägerinnen? Wo keine Klägerinnen, mit Namen, auch kein Richter. 2. „ Gewohnheitsrecht“: Männer/ Frauen haben Sex miteinander.Ich bin empört! 3. Abhilfe schaffen da nur getrennt nach ( auch gefühltem) Geschlecht Redaktionen, Unis, Schulen,Krankenhäusern ,öffentliche Räume z. B. Wie in Saudi Arabien. Burka für alle— damit niemand auf dumme Gedanken kommt.

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