Es ist richtig, dass Gerichte im Sinne der Rechtsstaatlichkeit ihre Unabhängigkeit wahren; das müssen sie tun, schon im Sinne und in der Verteidigung der Gewaltenteilung. Ein Rechtsstaat kann und darf nicht dulden, dass eine seiner Gewalten sich verbiegen oder übergehen lässt. Richterschelte ist daher im Fall Sami A. zwar erlaubt und wahrscheinlich sogar zutreffend, aber den Verhältnissen nicht völlig angemessen. Sie trifft zuerst die Falschen, die falsche staatliche Gewalt.
Die Richter, die ihre Unabhängigkeit wahren und möglicherweise unbequeme Urteile fällen, tun dies auf der Grundlage geltenden Rechts und politisch geschaffener Tatsachen. Wer hier ist, genießt rechtsstaatliche Behandlung. Das ist vollkommen richtig und schutzwürdig.
Deshalb ist die eigentliche Frage, wer hier sein und wer hier willkommen sein und bleiben sollte, und wen man nicht besser bereits beim Versuch der Einreise an genau dieser hindern sollte. Das ist keine Frage an Richter, es ist eine Frage an Politiker. Dieser politischen Frage mit Hochwertworten über Ausnahmesituationen, Willkommenskultur, Multikulturalismus, den Zusammenhalt Europas oder sogar den Rechtsstaat selbst ausweichen zu wollen, ist blanke Tatsachenverweigerung und Augenwischerei. Der Kanzler bzw. die Kanzlerin bestimmt die Richtlinien der Politik. Macht er oder sie dabei Fehler oder ist auch nur das, was er oder sie von seinem Vorgänger unkorrigiert übernimmt, fehlerhaft, so trägt der Kanzler oder die Kanzlerin die Konsequenzen, früher oder später. Das wusste auch Gerhard Schröder, als sehr schnell offen zutage trat, dass die Attentate vom 11. September 2001 zu einem wesentlichen Teil von Hamburg aus geplant worden waren – zu einer Zeit, da Sami A. mutmaßlich noch Leibwächter des verantwortlichen Terror-Chefs Osama Bin Ladin war. Wer sich die Mühe machen möchte, kann die einst streng geheimen Erkenntnisse US-amerikanischer Behörden auch zur Hamburger Terrorzelle hier in englischer Sprache ausführlich nachlesen.
Die Schuld der falschen Toleranz
Dadurch, dass also schon seit zwanzig Jahren Terroristen in Deutschland Schutz und Entfaltungsmöglichkeiten fanden und finden, hat dieses Land Schuld auf sich geladen, eine Schuld, die mit falsch verstandener Weltoffenheit und Toleranz schon damals weitaus mehr zu tun hatte als mit "Rassismus". Diese Schuld zwang das Deutschland Gerhard Schröders, Joschka Fischers und Frank-Walter Steinmeiers an die Seite der USA im "Krieg gegen den Terror". So gerieten deutsche Soldaten an den Hindukusch, und, stets gut getarnt vor einer konfliktscheuen deutschen Öffentlichkeit, fielen sie auch dort oder machten traumatische Erfahrungen. Die Bundeswehr ist nicht in diesen Krieg gestolpert, sie trug und trägt die politischen Konsequenzen für Deutschlands Mitschuld am islamistischen Terror. Merke: Wer erst dem Unrecht Tür und Tor öffnet, der gerät in Zwänge, von denen er selbst lange nichts ahnt, und er lässt sie dann seine Bürger ausbaden.
Der Rechtsstaat hingegen, der diesen Namen verdient, schützt seine Bürger, die ihn respektieren und verteidigen, und er schützt sie zuerst vor jenen, die nicht seine Bürger sind oder sich nicht als solche verhalten wollen, vor jenen also, die ihn als Zugewanderte oder als Einheimische verachten und bekämpfen – nicht umgekehrt. Das ist kein primär juristisches Problem, es ist ein politischer Leitsatz. Auf ein Land, das dieses einfache Prinzip immer wieder hintanstellt oder aus falsch verstandener Toleranz verzerrt, kann ich nicht stolz sein, egal, welche wirtschaftlichen, sportlichen, wissenschaftlichen oder sozialen Leistungen es sonst noch erbringt. Am Ende kann niemand mehr einen Pfifferling wetten auf ein so dummes, wehrloses Land. Niemand wird es mehr achten, egal, woran Richter sich abarbeiten.
Das ist es, worüber zuerst Politiker, danach aber auch Richter einmal nachdenken sollten, wenn sie Entscheidungen treffen – und sich ganz und gar unrichterliche, politische Bauchschmerzen ersparen wollen, von denen andere bereits täglich geplagt sind.