Die EU sucht junge Wähler – Kost und Logis frei

Im Vorfeld der Europawahl, bei der erstmals Jugendliche ab 16 Jahren abstimmen dürfen, versuchen EU-Institutionen, die jungen Wähler in ihrem Sinne zu beeinflussen. Eine kostenlose Reise ist allemal drin.

Wer eine Ideologie durchsetzen will, muss die Jugend für sich gewinnen. Das weiß offenbar auch die EU-Kommission. So hat sie sich einiges überlegt, um junge Menschen für Europa zu begeistern. Wobei sie unter Europa allerdings die EU in ihrer jetzigen Struktur – also letztlich sich selbst versteht. Neben der EU-Jugendstrategie 2019 – 2027 und dem EU-Jugenddialog will die Kommission für die Planung der EU-Politik nun noch einen Jugendcheck einführen, und alle zwei Jahre veranstaltet sie eine Europäische Jugendwoche

Die findet in diesem Jahr vom 12. bis 19. April statt, also rund zwei Monate vor der Europawahl, an der erstmals Jugendliche ab einem Alter von 16 Jahren teilnehmen können. Nicht zuletzt in Hinblick auf Wahlen hat die Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland das Planspiel „Fakt oder Fake“ entwickelt, mit dem sie „Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe und Jugendliche spielerisch für die Unterscheidung zwischen Fakten und Fakenews sensibilisieren“ möchte. Und auch die vom EU-Parlament lancierte Initiative gemeinsamfuer.eu richtet sich vor allem an junge Menschen und versucht, Wahlbegeisterung zu schüren. 

Wenn es nach EU-Kommissar Margaritis Schinas geht, der für das Ressort „Förderung der europäischen Lebensweise“ zuständig ist, soll sogar Pop-Sängerin Taylor Swift bei ihrem Paris-Konzert am 9. Mai einen Aufruf an ihre Fans starten, zur Wahl zu gehen. Und auf Instagram wirbt das EU-Parlament für eine kostenlose Reise nach Brüssel zur „gemeinsamfuer.eu Leadership Academy“ am 19. und 20. März, bei der junge Menschen unter anderem lernen sollen, wie sie verschiedene Offline- und Online-Initiativen leiten können, die zur Europawahl aufrufen. Unterkunft, Verpflegung und Reisekosten werden selbstverständlich von gemeinsamfuer.eu übernommen.

Außerdem dürfen sich 1200 junge Leute aus ganz Europa während der Konferenz „Level Up! – I care, I vote“ am 12. und 13. April in Brüssel darüber austauschen, wie sie „ihren demokratischen Aktivismus stärken können“. Während dieser zweitägigen Veranstaltung „tauchen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in die Welt der Kommunikation, Interessenvertretung und Projektmanagement ein“. Auch hier sind Kost und Logis sowie die Anreise frei. Das Verbindungsbüro des EU-Parlaments in Berlin hebt hervor: „Jugendliche sind eine Hauptzielgruppe unserer Arbeit. Wir erreichen Jugendliche mit unterschiedlichen Projekten und abwechslungsreichen Methoden u. a. an Schulen und Unis und fördern damit die Kenntnisse und die Begeisterung für die Europäische Union und das Europäische Parlament.“

In die Rolle von Europa-Abgeordneten schlüpfen

Dafür bietet das EU-Parlament zum Beispiel eine Wanderausstellung an mit „allen wichtigen Infos zur Wahl“. Jugendliche können sich dafür engagieren, diese Ausstellung an ihre Schule zu holen oder alternativ eine kostenfreie digitale Version zu beziehen, die etwa für den Unterricht verwendet oder in ausgedruckter Form in der Schule ausgestellt werden kann. Und in einem Image-Film informiert das EU-Parlament darüber, wie sich junge Menschen sonst noch an der EU-Demokratie beteiligen können. Für Spielfreudige gibt es ein virtuelles Rollenspiel, bei dem Schüler in die Rolle von Europa-Abgeordneten schlüpfen und die EU-Beschlussfassung direkt vom Klassenzimmer aus erleben können.

Auch Reisen nach Berlin stehen auf dem Werbeprogramm des EU-Parlaments: So bietet etwa Anton Hofreiter als Vorsitzender des Europa-Ausschusses im Deutschen Bundestag im April zwei vom Bundespresseamt finanzierte Fahrten in die Bundeshauptstadt an. Dort erwartet die Teilnehmer ein buntes Programm aus Besuchen und Gesprächen im Bundestag, Bundesministerium und Bundesrat sowie Führungen durch historisch-politische Institutionen. Die Kosten der Gruppenreise, die Unterbringung in einem Hotel im Doppelzimmer sowie die Mahlzeiten während des Programms werden abermals übernommen.

Am Programm „Botschafterschule für das Europäische Parlament“ können sich sogar ganze Schulen beteiligen. Sie ernennen Lehrkräfte und Schüler zu Botschaftern, wobei die Lehrkräfte Unterrichtsstunden zur parlamentarischen Demokratie in Europa abhalten sollen. Dafür können sie das interaktive Unterrichtsmaterial des Parlaments verwenden wie etwa die Bildungssoftware „Europe@school – Aktiver Unterricht über die Europäische Union“. Auf der entsprechenden Webseite werden die Lehrkräfte übrigens geduzt. Die Schüler wiederum können zum Beispiel eine Informationsstelle zur EU einrichten, Veranstaltungen zum Europatag durchführen oder Inhalte für die sozialen Medien erstellen. Am Ende eines jeden Schuljahres werden die Aktivitäten der Schulen bewertet.

Wenn die Schulen das Programm erfolgreich abgeschlossen haben, werden sie im Rahmen einer von den Verbindungsbüros des Europäischen Parlaments organisierten Zeremonie als Botschafterschulen zertifiziert. Außerdem winken Reisen etwa zu den Sitzungen des Europäischen Parlaments der Schülerinnen und Schüler (Euroscola) in Straßburg oder anderen vom Parlament organisierten Veranstaltungen in den Mitgliedstaaten, in Brüssel oder eben in Straßburg. Zum Netz der zertifizierten Botschafterschulen für das Europäische Parlament gehören derzeit rund 2000 Schulen, „5000 als Senior-Botschafterinnen und -Botschafter ernannte Lehrkräfte und fast 35000 als Junior-Botschafterinnen und -Botschafter ernannte Schülerinnen und Schüler“.

„Jugend-Mainstreaming“

Doch nicht nur das EU-Parlament, sondern auch die Kommission bemüht sich um die jungen Wähler. In einer Pressemitteilung vom 10. Januar verspricht sie vollmundig: „Junge Menschen bekommen mehr Mitspracherecht bei der Gestaltung der EU-Politik.“ Die EU-Kommission setzt dafür sogar wörtlich auf „Jugend-Mainstreaming“ in allen politischen Bereichen. Damit ist gemeint, dass bei jeder politischen Entscheidung die Auswirkungen auf junge Menschen und zukünftige Generationen einbezogen werden müssen. Und Schinas fordert, dass die kommenden Europäischen Jahre wie bereits das Europäische Jahr der Jugend 2022 von jungen Menschen gestaltet werden sollen, und sagt„Die jungen Europäerinnen und Europäer haben ihre ganz eigene Sichtweise und ein reges Interesse an politischen Entscheidungen. Es ist wichtig, dass sie ihre Stimme zu Gehör bringen können – und das nicht zuletzt bei den bevorstehenden Europawahlen, die für die Zukunft Europas von entscheidender Bedeutung sind.“

Wer zwischen den Zeilen liest, versteht: Die Angst geht um in der Kommission und im Parlament. Nämlich die Angst vor veränderten Mehrheitsverhältnissen nach den Wahlen. Nun soll es offenbar die Jugend richten und für die nach Auffassung der etablierten Politiker richtigen Parteien stimmen. Eines der ausdrücklichen Ziele des Europäischen Jahrs der Jugend 2022 war übrigens die „Sensibilisierung junger Menschen für die Möglichkeiten, die der grüne und digitale Wandel bietet“. Kritik ist also eher nicht erwünscht, sondern es geht erklärtermaßen um das Einnorden der Jugend.

Dass daneben über einen gemeinsamen europäischen Hochschulabschluss oder Qualitätsrahmen für Praktika nachgedacht wird, mag durchaus sinnvoll sein. Dass jedochFreiwilligenangebote für junge Menschen im Zusammenhang mit dem grünen Wandel“ ausgebaut werden sollen, lässt den bitteren Verdacht aufkommen, dass der Idealismus von jungen Menschen dafür genutzt werden soll, den europäischen Green Deal auf Spur zu halten, der zur Treibhausgasneutralität bis 2050 führen soll. Da etwa der radikale Umbau der Agrarwirtschaft und insgesamt die planwirtschaftlichen Ansätze dieses zentralen EU-Programms künftig zu einer deutlichen Absenkung des Lebensstandards führen könnten, ist es nur konsequent, wenn die EU-Institutionen versuchen, gerade auch die junge Generation für die Ideologie der Klimaneutralität zu begeistern, sodass sie bereit sind, persönliche Opfer zu erbringen. Im Europäischen Klimagesetz werden sogar gezielt Ängste vor „Kipppunkten“ geschürt, sodass die Erwärmung durch den Klimawandel dringend auf 1,5 °C begrenzt werden müsse. 

„Unsere Zeit ist geprägt vom menschengemachten Klimawandel.“

Ein eigens entwickelter Leitfaden zur umwelt- und klimaschonenden Projektumsetzung, den die Agentur „JUGEND für Europa“ im Auftrag der EU-Kommission (Generaldirektion Bildung und Kultur), des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) sowie des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) im Mai letzten Jahres veröffentlicht hat, soll Jugendliche und junge Erwachsene beispielsweise dazu animieren, einen Beitrag zur Reduzierung ihres ökologischen Fußabdrucks zu leisten. Der erste Satz des Vorworts beginnt so: „Unsere Zeit ist geprägt vom menschengemachten Klimawandel.“

Dann folgen konkrete Tipps zu ökologisch korrektem Verhalten bei der Durchführung von Projekten. Dabei geht es um die Wahl von Verkehrsverbindungen und Unterkünften ebenso wie um Umwelt- und Klimaschutz als Lernfeld und die passende Kommunikationsstrategie, wobei auch eine Grafik zu Treibhausgas-Emissionen in Gramm pro Personenkilometer nicht fehlen darf. Nun ist ganz und gar nichts dagegen einzuwenden, wenn junge Menschen beispielsweise Verpackungsmüll vermeiden oder sich für den Zug statt fürs Auto entscheiden. Im Gegenteil. Doch wenn etwa die „Umweltwirkung von Kuhmilch versus Pflanzenmilch“ dargestellt und dabei die Kuhmilch nahezu verteufelt wird, handelt es sich schlichtweg um ideologische Indoktrination.

Auch die Broschüre „Europa 2023“ ist voller affirmativer Simplifizierungen. Zum „Green Deal“ heißt es etwa:

„Der Klimawandel vollzieht sich in raschem Tempo und ist mittlerweile auch in den Ländern der Europäischen Union spürbar. Das macht das Ziel der Europäischen Union, bis 2050 die erste klimaneutrale Region der Welt zu werden, dringlich. Mit dem 'Green Deal' hat die Europäische Union ein anspruchsvolles Programm entworfen, das nun aber auch umgesetzt werden muss.“

Und weiter:

„Schlagzeilen gemacht hat der Beschluss von Europäischem Parlament und Rat der Europäischen Union aus dem Oktober 2022, demzufolge ab 2035 nur noch Pkw und leichte Nutzfahrzeuge zugelassen werden dürfen, die kein CO2 ausstoßen. Insgesamt hat die Europäische Union ihre bisherigen Ziele trotz eines Wachstums der Wirtschaft erreicht. Das ist aber nicht für alle Mitgliedstaaten der Fall. Auch Deutschland hat seine Klimaziele für 2020 nur wegen der Corona-Pandemie und dem dadurch bewirkten Rückgang von Produktion und Mobilität geschafft und sie für 2021 wieder verpasst.“

Und schließlich wird mit aller Dramatik gewarnt: „Der Klimaschutz, genauer gesagt, die Eindämmung der Erderwärmung, ist für die gesamte Welt eine Frage von Leben und Tod.“ 

„In Rekordzeit“ entwickelte „Impfstoffe“

Zum Thema Corona wird dagegen eine Erfolgsstory verbreitet:

„Die Entwicklung von Impfstoffen dauert normalerweise viele Jahre. Angesichts der Dringlichkeit der pandemischen Situation wäre eine so lange Wartezeit jedoch katastrophal gewesen. Die finanzielle Unterstützung erfolgversprechender Unternehmen durch die EU, unter anderem durch die Vergabe von Forschungs-Krediten, hat dazu beigetragen, dass in Rekordzeit Impfstoffe entwickelt werden konnten. Bereits im Juli 2020 hatte die EU damit begonnen, sich die Lieferung von Impfstoffen durch Verträge zu sichern. Die gemeinsame Bestellung des Impfstoffs für die gesamte EU hat sichergestellt, dass auch die kleineren und ärmeren Mitgliedstaaten von Anfang an mit Impfstoff versorgt werden konnten.“

Kein Wort zur Problematik von „in Rekordzeit“ entwickelten „Impfstoffen“. Und auch die mangelhafte demokratische Legitimation der EU wird beschönigend dargestellt:

„Das Europäische Parlament kann nicht alleine Gesetze erlassen, aber gegen das Europäische Parlament kann in der EU auch nichts beschlossen werden. Es gibt lediglich einige Politikbereiche (Steuerrecht, Außen- und Sicherheitspolitik), in denen die Rechte des Europäischen Parlaments auf eine Anhörung beschränkt sind.“

In einem Begleitheft für Lehrer wird betont: „Dass das Europäische Parlament kein 'richtiges Parlament' sei, ist eine falsche Einschätzung.“ Begründet wird diese Aussage damit, dass „es mehr als eine Form der parlamentarischen Vertretung gibt“. Immerhin wird zugestanden:

„Der Unterschied zwischen dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und dem Zustimmungsverfahren liegt darin, dass bei letzterem das EP nur 'ja' oder 'nein' sagen kann, also auf die Formulierung bzw. den Inhalt der Vorlage keinen Einfluss hat.“

„Klick an, was du zum Frühstück isst“

Für jüngere EU-Fans in spe gibt es übrigens das Malbuch „Der kleine Stern in Europa“. Aber Achtung: Es ist offenbar veraltet, jedenfalls politisch nicht ganz korrekt, denn der kleine EU-Stern fährt doch tatsächlich noch im Wohnwagen durch Europa! Weiteres Unterrichtsmaterial etwa für Lehrer und Schüler an Grundschulen wird in der EU-„Lernecke“ zur Verfügung gestellt. Da klingt die Beschreibung zu dem Online-Spiel „2050 – Es liegt bei dir“ so:

„Gesund in die Zukunft? Wähle deinen Charakter aus und mach dich auf, um es herauszufinden. Klick an, was du zum Frühstück isst, wie du zur Arbeit oder in die Schule kommst, wie du deine Freizeit verbringst und was du einkaufst. Es hängt von vielen Faktoren ab, wie unser Leben im Jahr 2050 aussieht. Vielleicht wunderst du dich, wie deine Entscheidungen von heute die Welt von morgen beeinflussen können.“

Als Ergebnis, wenn man sich durch alle bunten Tafeln durchgeklickt hat, wird schließlich eingeblendet:

„Wenn wir alle unsere Ernährungs- und Lebensweise überdenken, können wir für eine gesündere Zukunft sorgen. Das kannst du dazu beitragen:

- Achte auf eine abwechslungsreiche Ernährung, um deine Gesundheit und die Gesundheit unseres Planeten zu erhalten.

- Setze Getreide, Hülsenfrüchte, frisches Gemüse und Obst auf deinen Speiseplan.
- Iss weniger verarbeitete Lebensmittel, Fleisch und salz-, zucker- und fettreiche Snacks.
- Bewege dich, geh zu Fuß, fahr mit dem Rad oder nimm die öffentlichen Verkehrsmittel.
- Sei weniger oft mit dem Auto unterwegs.

Diese einfachen Entscheidungen können deine Gesundheit stärken und tragen gleichzeitig zum Schutz der Umwelt und der Menschheit bei.“

„EU-Jugendgremium für internationale Partnerschaften“

Glücklicherweise helfen die Medien ebenfalls mit bei der Indoktrinierung der EU-Jugend. Schon 2021 titelte beispielsweise die Neue Zürcher Zeitung: „Zwischen Gender und Klima: Wie der öffentlichrechtliche Rundfunk junge Menschen auf Instagram indoktriniert.“

Die Broschüre „Die EU und ich“, die sich an 15- bis 18-jährige Jugendliche richtet, hält darüber hinaus Informationen bereit, etwa zu den europäischen Werten und zu den „großen Herausforderungen, vor denen die EU heute steht, wie Klimawandel, Digitalisierung und COVID-19“. Auch auf der Webseite der generellen EU-Veröffentlichungen können Materialien für verschiedene Altersstufen und Schultypen heruntergeladen werden wie etwa das Europa-Poster für Kinder mit Abbildungen der Euro-Münzen und -Scheine oder das Himmel-oder-Hölle-Spiel zur Landwirtschaft und Ernährung.

Sogar ein „EU-Jugendgremium für internationale Partnerschaften“ wurde von der EU-Kommission eingesetzt. Diese Jugend-Resonanzgruppe (Youth-Sounding Board) soll die Kommissarin für internationale Partnerschaften Jutta Urpilainen zur Teilhabe junger Menschen am auswärtigen Handeln der EU beraten. Damit legt die EU „mehr Gewicht auf die proaktive Zusammenarbeit mit jungen Menschen, um die nachhaltige Entwicklung weltweit zu fördern“. Und der 1949 gegründete Europarat, der sich der „Förderung von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit in Europa und darüber hinaus“ verschrieben hat, untersuchte, „wie Videospiele auch genutzt werden können, um die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung voranzubringen“.

„Desinformation und Hassrede“

Besonders apart ist jedoch das Planspiel zum Umgang der EU mit Desinformation und Hassrede für Schüler der Sekundarstufe, das die Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland zusammen mit der Agentur planpolitik entwickelt hat. Als Partner führt diese Agentur, deren Kernkompetenz nach eigenen Angaben in Planspielen zu gesellschafts­politischen Themen besteht, unter anderem die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung, das Bundespresseamt und die politisch einflussreiche Bertelsmann Stiftung auf. Weitere Themen von Planspielen, die die Agentur entworfen hat, sind beispielsweise die „Simulation der jährlichen internationalen Klimaverhandlungen“ sowie ein „Modularer Workshop zur Gefahr von (Rechts)populismus“. Nun also „Desinformation und Hassrede“. Wie praktisch, dass die Bertelsmann Stiftung im vergangenen Jahr, just als die EU-Kommission zum Kampf gegen Desinformation aufrüstete, eine Studie veröffentlichte mit dem Ergebnis: „Europäer:innen verlangen entschlossenes Vorgehen gegen Desinformationen im Internet.“

Für dieses EU-Planspiel namens „Fakt oder Fake“, das Schüler der Sekundarstufe für die Unterscheidung zwischen Fakten und Fakenews sensibilisieren möchte, stehen diverse, unterschiedlich lange Formate zur Verfügung wie etwa Bingo, Puzzle und Quiz. Außerdem gibt es das Planspiel in einer Kurzversion und seit vergangenem Jahr in einer anspruchsvollen Onlineversion, in der die Teilnehmer die Verhandlungen des Parlaments der Europäischen Union über eine neue EU-Verordnung zur Regulierung von Desinformation („Fake News“) und Hassrede („Hate Speech“) in sozialen Netzwerken simulieren. In einem nicht gelisteten Einführungsvideo auf dem YouTube-Kanal von „planpolitik“ erzählt eine fiktive Miriam, die ein graubraunes Kopftuch trägt, die ebenfalls fiktive Geschichte einer weit verbreiteten Falschmeldung zur angeblichen Gründung der Stadt Neu-Berlin auf einer Karibikinsel.

Eine ebenso fiktive Expertin namens Dr. Pauline Witten erläutert dazu die Begriffe „Fake News und illegale Hassrede im Netz“, wobei sie vorbildlich gendert. Und die Moral von der Geschicht': Zum Glück will die EU jetzt etwas dagegen unternehmen. Projektbegleitend werden Fortbildungen für Lehrkräfte und Trainer, wie etwa Multiplikatoren in der politischen Jugendbildung, angeboten. Außerdem stehen Leitlinien in schriftlicher Form für Lehrkräfte zur Bekämpfung von Desinformation zum Download sowohl auf der EU-Webseite als auch auf der Webseite des Pädagogischen Austauschdiensts (PAD) im Sekretariat der Kultusministerkonferenz bereit, in denen es unter anderem um die Förderung digitaler Kompetenz geht.

Werbung junger Menschen für EU-Politik

Wer zum Themenbereich „EU und Jugend“ auf dem Laufenden bleiben möchte, sollte einfach der Community gemeinsamfuer.eu beitreten und wird dann zuverlässig über alle Termine, Fortbildungen und Reisemöglichkeiten informiert. Denn wer möchte schon beispielsweise die Hinweise auf die kostenlosen EU-Camps für Schüler*innen und Azubis in Berlin verpassen? Schließlich ergibt sich hier die einmalige Gelegenheit, mit Christiane Hoffmann, der ersten stellvertretenden Regierungssprecherin, über EU-Themen zu diskutieren und Rüstzeug zu erwerben, um die Mitschüler zu Hause für die EU-Wahl zu motivieren.

Oder wie wäre es mit einem bezahlten Praktikum beim EU-Parlament? Auch ein Webinar zum Auswahlverfahren für EU-Beamtenstellen könnte durchaus nützlich sein. Eine kostenlose Schulung als Spielleiter für das Rollenspiel zum Europäischen Parlament in Berlin ist ebenfalls nicht ganz zu verachten. So betrachtet, stellt sich die die EU als ein einziger großer Freizeitpark dar, in dem man nur aufpassen muss, keine Attraktion zu versäumen. Als Vorgeschmack auf das Gruppenfeeling dieser Community sei der Imagefilm „Unser Merkmal ist die Demokratie“ empfohlen. Die Kommentarfunktion dazu ist allerdings deaktiviert.

Und wer weiß: Vielleicht wäre ja sogar eine Bewerbung um den Europäischen Jugendkarlspreis drin, mit dem seit 2008 jedes Jahr Projekte junger Leute ausgezeichnet werden, die zur Förderung von Demokratie und Zusammenarbeit in Europa sowie zur internationalen Verständigung beitragen. Im vergangenen Jahr wurde beispielsweise das „Mobile Klimamuseum“ aus Litauen prämiert, in dem unter anderem der Klimawandel, der europäische Grüne Deal sowie nachhaltige Landwirtschaft und gesunde Ernährung thematisiert werden. Was könnte sich die EU-Kommission sehnlicher wünschen als ambitionierte Werbung junger Menschen für die EU-Green-Deal-Politik? 

 

Martina Binnig lebt in Köln und arbeitet u.a. als Musikwissenschaftlerin (Historische Musikwissenschaft). Außerdem ist sie als freie Journalistin tätig.

Foto: Ruslan Krivobok/RIA Novosti CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Wolfgang Richter / 14.02.2024

@ F. Michael - “Das nimmt immer mehr die Züge der DDR an, wo Pioniere und FDJ-Jugend von Kindesbeinen an indoktriniert..” —Nicht zu vergessen, daß die FdJ eine Vorgängerversion auf deutschen Boden hatte. Ob den aktuell Aufrüstung gegen Rußland Fordernden klar ist, daß das ihre Kinder und Enkel betreffen wird, denn irgendwann ist die Ukraine ausgeblutet, und andere “Nachbarn” werden kaum bereit sein, für die hier propagierten “Werte” ihre Jugend zu opfern.

Boris Kotchoubey / 14.02.2024

Auf Chinesisch heißt es hunwejbini. Im Übrigen können die an plötzlichen Herzkrankheiten in den Jahren 2021-23 gestorbenen Jugendlichen, meistens männlich, an den Europawahlen nicht teilnehmen.

M. Neland / 14.02.2024

Ein facettenreicher Artikel, exzellent. Die, um die es geht, werden den Text nicht lesen. Die Aufmerksamkeitsspanne reicht bei weitem nicht und der Text müsste verkürzt in einfacher Sprache zugänglich gemacht werden. Ein Staatenverbund ohne Grenzen ist auch kein Gebilde, was konventionell verteidigt werden könnte, zudem bringen die designierten ,,Verteidiger” auch sonst die erforderlichen Eigenschaften nicht mit. Und wo sollte das erforderliche Gerät herkommen? Ohne Gas und Strom kann keine Waffenschmiede betrieben werden. Das wird alles in sich zusammenfallen, ein paar Jährchen noch gut gelebt in Brüssel und dann ist Schluss.

S. Marek / 14.02.2024

Die links-grun-rot gerichtete politische Propaganda und ideologische Indoktrination der Jugend durch die EU-Administration ist nicht ohne, und sollte deswegen nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Klar, daß die so umgepolten erst mit 25-35 in den “Genuß” des eigenen Wirkens in den Genuß dessen kommt, aber da wird es zu spät sein um die Richtung zu wechseln und nur die Minderheit deren wird es Merken was da ablauft. So hat auch Mao in China die “Revolution” durchgeführt auch wenn Millionen dabei ins Grass beißen mußten. Die einzige Unbekannte bleibt die Wachstumsgeschwindigkeit der Muslimischen Bevölkerung die bei 20% der Gesamtbevölkerung längst das Zepter übernimmt, friedlich bzw. gewalttätig,  und dadurch die ideologische Richtung der EU bestimmen wird.

Leo Hohensee / 14.02.2024

Dass wir von politischer Seite einem Dauer-Panik-Bombardement ausgesetzt werden, empfindet wahrscheinlich jeder so. Welche Blüten das treibt, ist kaum zu fassen. Das Beispiel: Im Auftrag der EU-Kommission hat die “Direktion Bildung und Kultur” die Broschüre “Europa 2023” entworfen, worin mit großer Dramatik gewarnt wird: “Der Klimaschutz, ....., die Eindämmung der Erderwärmung, ist für die gesamte Welt eine Frage von LEBEN und TOD.” Mit solch einem Berichtsstil werden die Menschen verängstigt und so gefügig gemacht, einzuwilligen in die Abschaffung von demokratischem Schutz der Bevölkerung gegen staatliche Willkür. Das Ganze ist die EU-weite konzertierte Abschaffung der letzten Pfeiler von Vernunft und auch Demokratie.

U. Unger / 14.02.2024

Ja Kinder! Entscheidet euch für eine der 3 Unterbringungsvarianten: Kaserne, Knast oder Arbeitslager. Warum sollte die Staatssimulation EU auch mehr anbieten, als allen Staaten der Geschichte bei freier Kost und Logie dazu bisher eingefallen ist?  Nicht nötig, solange Jugendliche leicht verführbar sind.

L. Luhmann / 14.02.2024

Die Kiddies werden schon Gefallen daran finden, wenn sie sehen, wie divers-bunt die Habeck-Jugend (HJ) frōhlich motiviert marschiert. Und weil die Klimafrage eine Frage von Tod oder Leben ist, dürfen wir uns auch auf kompromisslose Überlebensspiele aller Arten freuen. “... ich freu’ mich drauf!”

F. Michael / 14.02.2024

Das nimmt immer mehr die Züge der DDR an, wo Pioniere und FDJ-Jugend von Kindesbeinen an indoktriniert wurden und die “Guten” durften zu den Weltfestspielen fahren und mit der sozialistischen Jugend feiern = Meinungsdiktatur.

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