Thilo Schneider / 13.09.2020 / 10:00 / Foto: Timo Raab / 31 / Seite ausdrucken

Die Dummenkonstante

Wer baut, der darf auch Fastfood essen, so sagt es mein Volksmund. Deswegen sitze ich an einem Plastiktisch beim McBurgerChickenKing und mampfe in der letzten warmen Klimasonnenwende irgendein Konglomerat aus garantiert seltsam und mit engagierter Lieblosigkeit zubereitetem Burger. Dabei fallen mir die zahlreichen Brandlöcher im Tisch auf, die augenscheinlich von aus Unmutwilligkeit ausgedrückten Zigarettenkippen stammen. Obwohl ja Aschenbecher da sind.

Ich frage mich: Wer macht so etwas? Wer raucht in einer Frittenbude und denkt sich „höhöhö, isch brenn jedzz mal ein Loch in den Tisch“? Ich käme gar nicht auf so eine Idee. Selbst wenn die Miserabilität des traurigen Stapels geballter und gepresster Kohlenhydrate noch steigerungsfähig wäre – warum sollte ich ein Loch ins Plastik brennen? Zumal das ja nicht nur den Tisch kaputt macht, sondern schlimmstenfalls das halbe Lager niederbrennt?

Nun ist der menschliche Forscherdrang ja hinreichend bekannt. Es könnte also durchaus sein, dass der erste Tischbrenner herausfinden wollte, ob der Tisch entflammbar ist. Gut, ist fremdes Eigentum, aber es kam über ihn, und die Neugierde war stärker als seine Manieren. Passiert ja. Wer je ganz langsam über eine Radarfalle vor einer roten Ampel fuhr, um den Auslösepunkt herauszufinden, der weiß, wovon ich rede. Aber was ist mit den Nachbrennern? Welche Entschuldigung haben die? Die haben das Loch ja schon gesehen? Okay, vielleicht hatte der zweite Brandunsachverständige sein Tablett auf dem ersten Loch, aber die Nachfolgenden? Ist das das gleiche Phänomen wie das, dass sich hinter dem/der/das Falschparkenden irgendwann eine Karawane von Falschparkern befindet oder hübsch in der Natur abgestellter Müll dazu tendiert, sich unkontrollierter zu vermehren als ein Grippevirus in einem Flugzeug aus Indien?

2.000.000 Tatverdächtige 

Ich bin der festen Überzeugung, dass der Mensch im Grunde seines Herzens gut ist. Und die Gesetze, die wir haben, nur für die geschätzt zwei Prozent aller Mitbewohner auf diesem Planeten gemacht wurden, die entweder zu dumm oder skrupellos genug sind, auf sämtliche Regeln einen dampfenden Haufen zu machen. Einstein soll gesagt haben: „Zwei Dinge sind unendlich: Das Weltall und die menschliche Dummheit. Bei Ersterem bin ich mir aber nicht sicher.“ Jedoch, ich glaube, dass der Meister irrte.

Es hat in Deutschland rund 80 Millionen Menschen, die durch die Gegend tappen. Laut Kriminalstatistik 2019 wurden in Deutschland insgesamt 5.400.000 Straftaten (also alle: von „Du Bullenschwein sagen“ über „einfach und unerlaubt aus dem Schutzgefundenenheim flüchten“ bis Mord, Totschlag, Brandschatzen und Plündern und den Reichstag zwecks Systemsturz betreppensteigen wollen) von 2.000.000 Tatverdächtigen begangen. Das sind nicht zwingend bereits Täter, aber wir arbeiten der Schlichtheit halber mit der Schuldvermutung. Somit begeht ein Täter im Schnitt 3,7 Straftaten auf einmal. Also mit dem Auto besoffen bei Rot über die Ampel ballern, jemanden anfahren, den tatütata-anreisenden Sanitäter verprügeln und die verhaftenden Polizisten saftig durchbeleidigen. Da kommt was zusammen.  

Dies bedeutet eine bundesweite Kriminellenquote von 2,5 Prozent. Zweikommafünfprozent. Aber: Das sind ja nur die, die neben ihrer kriminellen Energie auch noch dumm genug waren, sich erwischen zu lassen. Wir haben derzeit eine Aufklärungsquote von 57,5 Prozent! Rechnen wir die (noch) nicht Erwischten hinzu, kommen wir auf 3.487.000 Kriminelle in der Bevölkerung. Vom kleinen Drogendealer bis zum großen Steuerbetrüger. Damit sich jeder wiederfindet. Insgesamt kommen wir auf eine Anzahl von 3.487.000 Kriminellen inklusive denen, die in Pressemeldungen gerne als „Einmann“ oder „Männergruppe“ bezeichnet werden. Prozentual auf die Bevölkerung sind das gerade mal 4,35 Prozent.

10 Prozent Knallfrösche und Kanaillen

Da ist sie, die Dummenkonstante. Das ist die Untergrenze. Das sind die, die dümmer sind, als die Polizei erlaubt. So viele sind es. Ganz großzügig – weil ich heute meine Spendierunterhosen anhabe, runden wir aber auf 10 Prozent auf. Für die, die zwar dumm, aber nicht dümmer als erlaubt sind. Darunter fallen die Spezialisten, die forscherdrängelnd ausprobieren, ob Sekundenkleber auch auf den eigenen Lippen funktioniert oder sich das Porträt der Exfreundin auf den Rücken haben tätowieren lassen. Die findet man eben auch am Tisch vom McBurgerChickenKing oder bei „Berlin Tag und Nacht“ herumklamauken. Kann man machen, ist erlaubt, ist halt doof und nicht schön.

Ich glaube, ich lehne mich nicht sehr weit aus dem Fenster (ich bin ja nicht doof und will nicht herunterfallen), wenn ich behaupte, dass alle Gesetze dieser Welt für exakt diese 10 Prozent Knallfrösche und Kanaillen gemacht wurden. Das sind die, denen Du alles erklären musst. Das Schöne ist, dass diese Konstante wirklich überall und in jeder Gesellschaft gilt. Wenn zehn Nobelpreisträger zusammenstehen, dann haben sie einen Dümmsten in der Runde. Ich schätze, das dürfte der mit dem Friedens- oder dem Literaturnobelpreis sein. Zehn Herzchirurgen auf dem Kongress – einer davon hat schon einmal eine Operation aus schierer Fahrlässigkeit an die Herzhinterwand gesetzt. Neun Autorenkollegen und ich – raten Sie mal, wer von uns Zehn sich nicht einen verdammten Namen merken kann und jeden mit „Hallo Du“ anspricht... 

Die Konstante kann uns also je nach Situation jederzeit selbst treffen, und weil das so ist, haben wir Menschen uns Regeln, Umgangsformen und am Ende Gesetze gegeben. Für 10 Prozent von uns allen. Die anderen 90 Prozent könnten in einer Anarchie leben und es würde trotzdem leidlich funktionieren. Ich glaube übrigens auch, dass sich der prozentuale Anteil der Dummen und Kriminellen über die Menschheitsgeschichte nach unten verändert. Das wäre meine Hoffnung. Es gab eine Zeit, da lag die Anzahl der Kriminellen bei 25 Prozent. Zu dieser Zeit wurden auch 25 Prozent der Menschheit auf einen Schlag ausgelöscht. Damals, als Kain Abel erschlug.

Und ja: Es ist diesmal wirklich Zufall, dass die absolute Zahl der dummen Kriminellen in etwa 90 Prozent der Einwohnerzahl Berlins entspricht. Ich kann nichts dafür! Und nein, an den Wahlergebnissen der letzten fünf Jahre lässt sich das nicht ablesen. Das sind statistische Ausreißer. Wie jeder kluge Statistiker bestätigen wird. Oder ich. Da ich sehr nobel bin, werde ich diese Arbeit beim Nobelpreiskomitee einreichen. Und Sie haben sie als Erster lesen dürfen. Haben Sie ein Glück!

(Weitere erschütternde Forschungsergebnisse des Autoren auch unter www.politticker.de)

Foto: Timo Raab

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Leserpost

netiquette:

Rainer Nicolaisen / 13.09.2020

Wie meist: putzig, Herr Schneider. \\ Was halten Sie davon, demnächst einmal die menschlichen Eigenschaften, welcher Art auch immer, aus dem Hang zur Bequemlichkeit (100%) herzuleiten?

F. Hoffmann / 13.09.2020

Wenn Sie jetzt noch schauen, wieviele freiwillig mit Mundschutz herumlaufen - achwas, das schreiben Ihnen jetzt so viele, da muss ich mir nicht die Mühe machen. Danke für den lustigen Text.

Stefan Riedel / 13.09.2020

“,,,Ich bin der festen Überzeugung, dass der Mensch im Grunde seines Herzens gut ist. ...”. Nein,  d a s Mensch ist besser.

JMoennig / 13.09.2020

An guten Tagen 8 von 10, an schlechten 9 von 10. Und in der Tat erklärt das Vieles.

Dirk Jungnickel / 13.09.2020

Apropos Dummheit: Anfrage an den Sender Jerewan: Da die Katastrophenprobe in Absurdistan neulich nicht besonders gut funktionierte, haben sich angeblich der Gesundheitsoberapostel namens Spahn unter Mithilfe des Warnhinweisers Lauterbach Gedanken gemacht, wie neue Maßnahmen aussehen könnten. Was könnte da auf die Absurdistaner in Zukunft zukommen ? Antwort des Senders Jerewan:  Analog zur Aufhebung des Vermummungs - Verbots und Anordnung der Vermummungs- Pflicht wird demnächst in Gegenden mit zu erwartendem Sonnenschein zu Trainingszwecken eine Regenschirmpflicht eingeführt. Erlaubt wird sein das Aufspannen unterschiedlich farbiger Regenschirme, weil sie besser zu zählen sind. Als Entgegenkommen wird den Absurdistanern bei Regen freigestellt, ob sie Regenschirme benutzen oder nicht.

Claudius Pappe / 13.09.2020

Die Dummen sterben nicht aus. Selbst in der Wahlkabine und die Wahlhelfer/ Wahlleiter haben keine Ahnung von der Wahlordnung. Auszug aus der Bundeswahlordnung: ” Schreibstift in der WahlkabineGemäß § 50 Absatz 2 Bundeswahlordnung soll in der Wahlkabine ein Schreibstift bereitliegen. Als Schreibstifte im Sinne des Wahlrechts gelten Bleistifte (die nicht dokumentenecht sein müssen), Farbstifte, Kopierstifte, Tintenstifte, Kugelschreiber, Faserstifte, Filzstifte und ähnliche. Eine Verletzung der Grundsätze des Wahlrechts ist dadurch nicht zu befürchten. Die einzelnen Wahlvorstände sind mit Mitgliedern der verschiedensten Parteien besetzt und die Auszählung der abgegebenen Stimmen ist öffentlich, so dass eine Manipulation durch Dritte ausgeschlossen ist. Bestehen bei Wahlberechtigten dennoch Bedenken, so spricht nichts gegen die Benutzung eines eigenen, mitgebrachten Schreibstiftes, etwa eines Kugelschreibers.”...................... Wollte heute mit Bleistift wählen, die Wahlhelfer und der telefonisch herbeigerufene Wahlleiter behaupteten, das dann meine Stimme ungültig sei. Wenn ich noch weiter diskutieren würde, würde man mich von der Polizei abführen lassen. So geht Wahl heute-jahrzehntelang mit Bleistift( von der Stadt gestellt) gewählt-heute soll derjenige der das behauptet von der Polizei abgeführt werden.

Helmut König / 13.09.2020

Ich widersspreche dem hier anwesenden Zeugen Thilo Sch. kraft meiner Wassersuppe auf das Heftigste und behaupte schlankweg, 99,999 Prozent des indigenen Personals von Bizonesien sind nicht dumm oder gar doof. Nein,  sie sind richtig gut, machen ihr Ding, lassen auch Gott einen guten Mann sein - nur die Verhältnisse, die sind nicht so. Ehrlich mal

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