Boris T. Kaiser
Bodo Ramelow, der designierte Ministerpräsident von Thüringen, sagte neulich in einem Fernsehinterview, man müsse den Menschen dankbar sein, die damals mit der Kerze in der Hand die DDR zum Einsturz gebracht haben, fügte aber gleich hinzu: Man müsse auch all jenen dankbar sein, die damals nicht geschossen haben.
Nicht auf friedliche Demonstranten zu schießen, ist aus Sicht der Linkspartei also schon ein besonderes Verdienst. Da frage ich mich doch: Wo bleibt der Dank für mich? Ich habe noch nie einen Kritiker meiner Texte, und war er auch noch so unfair und unverschämt, erschossen. Bekomme ich dafür jetzt, wenn Bodo Ramelow Ministerpräsident wird, einen besonderen Verdienstorden des Landes Thüringen verliehen?
Wenn ja müsste zuallererst Akif Pirinçci einen solchen Friedens-Orden bekommen. Pirinçci hat sehr aggressive Kritiker und dennoch noch nie zur Schusswaffe gegriffen, sondern immer nur verbal zurückgeschossen. Der schlichten Logik eines Bodo Ramelows zufolge müsste jedem Selbstmordattentäter, dessen Sprengstoffgürtel versehentlich schon in den eigenen 4 Wänden und nicht in einer Menschenmenge hochgeht, ein besonderes Ehrenmal gebühren.
Man kann in der Linkspartei eben nicht so ganz lassen vom Bild des ehrenwerten Grenzsoldaten, der nur seine Pflicht im Dienste des Sozialismus zat. Alles aus Liebe zu den Menschen in einem Staat, in dem zwar viel Unrecht geschah, der deswegen aber noch lange kein Unrechtstaat war.
Genauso wenig wie vom tapferen Menschenfreund auf dem Wachturm kann man in der Linken von alten Feindbildern lassen. Die Kommunistin und Lafontaine-Freundin Sahra Wagenknecht gab in diesen Tagen ein Interview in Jakob Augsteins „Freitag”, in dem sie über die Situation in Syrien und im Irak und den IS-Terror sprach.
Das erste, was Wagenknecht zu diesem Thema einfällt, sind die „Völkerrechtsbrecher im Weißen Haus.“ War doch klar, dass in Wirklichkeit wieder die Amis die Bösen sind. Und sie wiederholt die alte Forderung der Linken nach einem Ausscheiden Deutschlands aus der Nato.
Wenn es darum geht, was man konkret tun soll, hangelt sich Wagenknecht von Floskel zu Floskel, um dann zu der altbekannten Formel der offenen Grenzen zu kommen. Diese wären „eine echte Unterstützung für die Menschen, ohne Bomben zu werfen.“ So einfach ist das aus der Sicht einer kalten aber immerhin pazifistischen Kriegerin.
Zwar können die Menschen, denen “geholfen” werden soll, dann nie wieder in ihre alte Heimat zurück, es sei denn die IS-Terrorkämpfer sterben irgendwann an Altersschwäche und hören zuvor damit auf, Nachwuchs zu rekrutieren, aber hier in Europa und vor allem in Deutschland ist es doch sowieso viel schöner.
Auch wenn man das als Linke so natürlich nicht sagen darf.
Die Interviews der beiden Flügelvertreter der Linken machen deutlich: Wenn Thüringen die Generalprobe für eine Regierungsbeteiligung der Linkspartei auf Bundesebene ist, hat Deutschland und damit Europa ein ernsthaftes Problem.