Boris T. Kaiser
Es wirkt bizarr. Viele scheinen sich dieser Tage wieder einmal nur dann guten Gewissens eine Verurteilung des islamistischen Terrors abringen zu können, wenn sie gleichzeitig betonen, dass Nazis auch etwas ganz Schlimmes sind. Umgekehrt scheint diesen Drang niemand zu verspüren. Man stelle sich vor, irgendwer wäre auf die durchgeknallte Idee gekommen, im Rahmen der Berichterstattung über die NSU-Morde eine, wie auch immer geartete, Islamkritik mitschwingen zu lassen. Man hätte ihn schneller medial geteert und gefedert, als Matthias Matussek ein Smiley posten kann. Aber wer in Deutschland über islamistischen Terror spricht, muss offenbar immer auch über Rechtsextremismus sprechen.
Überhaupt waren die Reaktionen auf die Pariser Terroranschläge hierzulande mal wieder „very German“. Wie könnte es auch anders sein, mag man entgegenhalten. Oder auch, dass nichts so typisch deutsch ist wie der Brauch, unangenehme Eigenschaften Anderer als typisch deutsch zu bezeichnen.
Dennoch ist der Umgang mit den Terroranschlägen symptomatisch für all das, was im Umgang mit dem Islamismus und in der öffentlichen Debattenkultur in Deutschland falsch läuft. Ich bin nicht der Erste, der es bemerkt hat: Wer die Berichterstattung in den deutschen Medien und die Äußerungen unserer Politiker in den Tagen nach den Anschlägen verfolgt hat, konnte den Eindruck gewinnen, es habe in Frankreich eine antiislamische Attentat-Serie gegeben, begangen von Rechtsterroristen.
Den über 100 Opfern der aktuellen islamistischen Terrorangriffe zum Hohn wurde vielerorts die Botschaft vermittelt, die wahre Gefahr käme von rechts. Sei es von strammen Rechtsextremisten oder auch dem Lager der sogenannten Rechtspopulisten, das mittlerweile von Lutz Bachmann über Björn Höcke, von der AfD bis hin zu Markus Söder von der CSU reicht.
Alle Forderungen von “rechts”, und seien sie auch noch so vernünftig, müssen natürlich konsequent bekämpft und abgelehnt werden. Sigmar Gabriel postete auf Facebook: „Der falscheste Satz, den man in diesen Tagen sagen kann, lautet: Nach Paris ist alles anders. Nach Paris darf nichts anders sein.“ Hmm?
Wenn nach Paris nichts anders sein darf, sind wir alle verloren. Wenn wir keine Maßnahmen ergreifen, um unsere Sicherheit zu garantieren, wenn wir jetzt nicht endlich offen darüber debattieren dürfen, ob die chaotische Flüchtlings-Politik der Bundeskanzlerin auch bei uns in Deutschland solche Anschläge wahrscheinlicher macht, und wenn wir die Muslime nicht zu einem kritischen Umgang mit ihrem eigenen Glauben, der so viele Opfer gefordert hat, aufrufen, dann können wir gleich die weiße Flagge hissen und den Islamisten kampflos unser Land überlassen.
Viele Deutsche bekennen sich in den sozialen Netzwerken dazu, dass sie sich von Polizisten in schusssicheren Westen und mit einem MG im Anschlag mehr bedroht fühlen als von Amok laufenden Islamisten. Oder von Debatten darüber, ob man eine demokratische Armee zum Schutz dieser Demokratie auch im Inland einsetzen sollte. Wie hysterische Ökos, die vor den „Giftstoffen“ in der Zahnpasta mehr Angst haben als vor Karies und davor, die Umwelt durch ihren bestialischen Mundgeruch zu belästigen.
Viele machen sich auch weniger Sorgen um ihre eigene Sicherheit als darum, dass jetzt alle Flüchtlinge zu Terroristen abgestempelt werden könnten. Auf diese verrückte Idee sind bisher nur Herz-Jesu-Linke gekommen – um vor ihr zu warnen. Kein Konservativer, kein Libertärer, kein Rechtsliberaler würde auf so einen irrwitzigen Gedanken kommen.
Dass man in der fatalistischen Refugees-Welcome-Fraktion trotzdem immer nervöser wird, könnte mit der Tatsache zu tun haben, dass man inzwischen selbst erkannt hat, dass nicht alle, die da kommen, nur friedliche nette Menschen sind, denen der Sinn einzig und allein danach steht, unser Land und unsere Kultur zu bereichern.
Jedem, der auf die erhöhte Islamismus-Gefahr durch einen Teil der Flüchtlinge hinweist, wird sofort entgegengehalten, dass diese Flüchtlinge doch genau davor geflohen seien. Dies ist nachweislich falsch. Dass ein großer Teil vor Terror und Krieg flieht, wird kein Mensch bestreiten. Die Berichte aus den Flüchtlingsheimen zeigen aber auch ganz deutlich, dass nicht alle vor Fundamentalismus fliehen, sondern einige vielmehr versuchen, diesen auch hier auszuleben. In der Flüchtlingsfrage setzt sich im Grunde die alte Debatte um die Multikulti-Frage fort. Multikulti ist eine gute Sache. Aber wenn zu diesem multikulturellen Mix auch Ehrenmord- und Kriegskulturen gehören, kann es eben ganz schnell in einem Massaker enden.
Doch über die kriegerisch-gewalttätige Struktur des Islam macht man sich hierzulande, zumindest in der politischen sowie der intellektuellen Klasse, keine Sorgen. Dafür um so mehr um die „Kriegs-Rhetorik“ des französischen Präsidenten. Wahrscheinlich hofft man, dass die sanften Töne eines Sozialpädagogen die Islamisten auf der ganzen Welt zum Einlenken bewegen könnten.
Der Kabarettist Christoph Sieber zum Beispiel, der seinen politisch voll korrekten Humor über Facebook verbreitet. Hier.
Er ist nicht der Einzige, der sich am liebsten über die Scheinheiligkeit all jener empört, die bei Tragödien „vor der eigenen Haustür“ demonstrativ Solidarität zeigen, aber nicht, wenn Menschen durch Bomben in Syrien, im Irak oder der Türkei getötet werden oder sonst irgendwo auf der Welt durch Hunger oder Krankheiten sterben.
Wenn nichts mehr hilft, dann hilft eben nur noch leugnen und relativieren. Nur weil die Attentäter „Allahu akbar“ gerufen hätten, müssen sie doch keine Muslime sein oder würden noch lange nicht für den Islam stehen - war mancherorts zu lesen, und hätte man ein Trinkspiel gespielt und jedes mal, wenn in einer Fernsehsendung vom „sogenannten“ Islamischen Staat die Rede war, einen Jägermeister gekippt, wären wir die letzten Tage wohl dauerbreit gewesen.
Die meisten Muslime hier in Deutschland haben sich zu den Attentaten übrigens wieder einmal nicht geäußert, oder sie sind sofort in ihre alte Opferrolle verfallen und haben ihre Angst darüber bekundet, dass jetzt alle Muslime „unter Generalverdacht“ gestellt werden könnten. Wie ich-zentriert kann man angesichts von über 100 Toten eigentlich noch sein?
Einige Muslime haben die Toten in Paris in Relation zu den Terror-Toten in Syrien, der Türkei und anderswo gestellt. Wären sie ehrlich und konsequent, müssten sie zumindest eingestehen, dass auch diese Toten im Wesentlichen durch den Islam zu verantworten sind. Stattdessen warnen Muslime und Linke lieber vor Rassismus.
Den rassistischen Zusammenhang zwischen Religion und Herkunft des Gläubigen stellen übrigens meist nur Muslime und Linke her. Vernünftige Islamkritiker wissen dagegen, dass die Herkunft in Sachen Gewaltbereitschaft nicht unbedingt die wesentlichste Rolle spielen muss. Im Gegenteil, die (biodeutschen) Konvertiten sind mitunter weit fanatischer und gefährlicher, als so mancher, der mit dieser Religion aufgewachsen ist.
Die nichtmuslimischen Biodeutschen versucht man derweil sanftmütig zu stimmen, indem man ihnen Geschichten von Migranten liefert, die während der Anschläge Menschenleben gerettet haben. Was aus linker und muslimischer Sicht durchaus Sinn macht. Denn wer Terroristen, Ehrenmörder und die alltäglichen Gewalttäter auf unseren Straßen als „bedauerliche Einzelfälle“ bezeichnet, kann mit „erfreulichen Einzelfällen“ einiges ausgleichen.
Am Ende sind sowieso die Amerikaner mit ihren Kriegen an allem schuld. Eine bewährte Schutzbehauptung, bei der die deutschen Muslime allzeit auf Verbündete wie Sahra Wagenknecht und Jürgen Todenhöfer zählen können.
In Deutschland lässt man sich auch von noch so vielen Toten nicht aus seinem politischen Alltagstrott bringen.