Boris T. Kaiser, Gastautor / 22.10.2014 / 16:25 / 9 / Seite ausdrucken

Die Braut, die sich traut

Boris T. Kaiser

Bodo Ramelow, der designierte Ministerpräsident von Thüringen, sagte neulich in einem Fernsehinterview, man müsse den Menschen dankbar sein, die damals mit der Kerze in der Hand die DDR zum Einsturz gebracht haben, fügte aber gleich hinzu: Man müsse auch all jenen dankbar sein, die damals nicht geschossen haben.

Nicht auf friedliche Demonstranten zu schießen, ist aus Sicht der Linkspartei also schon ein besonderes Verdienst. Da frage ich mich doch: Wo bleibt der Dank für mich? Ich habe noch nie einen Kritiker meiner Texte, und war er auch noch so unfair und unverschämt, erschossen. Bekomme ich dafür jetzt, wenn Bodo Ramelow Ministerpräsident wird, einen besonderen Verdienstorden des Landes Thüringen verliehen?

Wenn ja müsste zuallererst Akif Pirinçci einen solchen Friedens-Orden bekommen. Pirinçci hat sehr aggressive Kritiker und dennoch noch nie zur Schusswaffe gegriffen, sondern immer nur verbal zurückgeschossen. Der schlichten Logik eines Bodo Ramelows zufolge müsste jedem Selbstmordattentäter, dessen Sprengstoffgürtel versehentlich schon in den eigenen 4 Wänden und nicht in einer Menschenmenge hochgeht, ein besonderes Ehrenmal gebühren.

Man kann in der Linkspartei eben nicht so ganz lassen vom Bild des ehrenwerten Grenzsoldaten, der nur seine Pflicht im Dienste des Sozialismus zat. Alles aus Liebe zu den Menschen in einem Staat, in dem zwar viel Unrecht geschah, der deswegen aber noch lange kein Unrechtstaat war.

Genauso wenig wie vom tapferen Menschenfreund auf dem Wachturm kann man in der Linken von alten Feindbildern lassen. Die Kommunistin und Lafontaine-Freundin Sahra Wagenknecht gab in diesen Tagen ein Interview in Jakob Augsteins „Freitag”, in dem sie über die Situation in Syrien und im Irak und den IS-Terror sprach.

Das erste, was Wagenknecht zu diesem Thema einfällt, sind die „Völkerrechtsbrecher im Weißen Haus.“ War doch klar, dass in Wirklichkeit wieder die Amis die Bösen sind. Und sie wiederholt die alte Forderung der Linken nach einem Ausscheiden Deutschlands aus der Nato.

Wenn es darum geht, was man konkret tun soll, hangelt sich Wagenknecht von Floskel zu Floskel, um dann zu der altbekannten Formel der offenen Grenzen zu kommen. Diese wären „eine echte Unterstützung für die Menschen, ohne Bomben zu werfen.“ So einfach ist das aus der Sicht einer kalten aber immerhin pazifistischen Kriegerin.

Zwar können die Menschen, denen “geholfen” werden soll, dann nie wieder in ihre alte Heimat zurück, es sei denn die IS-Terrorkämpfer sterben irgendwann an Altersschwäche und hören zuvor damit auf, Nachwuchs zu rekrutieren, aber hier in Europa und vor allem in Deutschland ist es doch sowieso viel schöner.
Auch wenn man das als Linke so natürlich nicht sagen darf.

Die Interviews der beiden Flügelvertreter der Linken machen deutlich: Wenn Thüringen die Generalprobe für eine Regierungsbeteiligung der Linkspartei auf Bundesebene ist, hat Deutschland und damit Europa ein ernsthaftes Problem.

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Leserpost

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Werner Geiselhart / 24.10.2014

@Franz Roth Sie führen das Beispiel Benno Ohnesorg an als Beweis, dass auch in der BRD Demonstranten erschossen wurden. Ich weiss nicht, ob sie’s wissen: Der Schütze Kurras war Stasi-IM. Das Ganze passte der DDR natürlich verdammt gut in den Kram.

Andreas Mertens / 23.10.2014

Wie sagte es schon Nietzsche Das Leben ist ein Born der Lust, aber wo das Gesindel mittrinkt, da sind alle Brunnen vergiftet.

Franz Roth / 23.10.2014

Das ist schon sehr ehrenwert, Herr Kaiser, dass Sie und der Akif noch nie auf die Kritiker Ihrer Texte geschossen haben. Oder sollte man dem Statement entnehmen, Sie würden es doch gerne mal tun? Nun ja, Scherzchen beiseite, so ganz unrecht hat der Ramelow ja nicht. Und sowas ähnliches hat kürzlich auch Genscher in einer Rückschau auf damals geäußert. Und der ist sicher frei von dem Verdacht, ein Altkommunist zu sein. Möchte nicht wissen, was aus der Chose geworden wäre, wenn einem besonders linientreuen Feldwebel oder Leutnant der NVA oder der Volkspolizei der Abzugsfinger zu sehr gejuckt hätte. Ganz nebenbei bemerkt: Auf Demonstranten schießen, durchaus auch in Westdeutschland schon vorgekommen. Sagt Ihnen der Name Benno Ohnesorg noch was? Was die Linke, im Speziellen Frau Wagenknecht, so an Nonsens absondert, das steht auf einem anderen Blatt. Aber dass die nun wahrscheinlich entstehende Koalition demokratisch gewählt wurde und damit auch das Recht hat, eine solche Ein-Stimme-Mehrheit zu bilden, das ist zweifelsohne unstreitig. Warum in Ostdeutschland die DDR-Nostalgie gerade so en vogue ist und die Linke solchen Zulauf verzeichnet, darüber könnte man trefflich spekulieren. Besser: Man sollte es analysieren. Nicht deren Wählern einfach per se unterstellen, dass sie bescheuerte Dummbeutel seien. Nochmal zurück zur Frau Wagenknecht: Es gibt zig Argumente, ganz außerhalb der Polemik, die man ihr entgegenhalten kann, warum es auch erforderlich sin kann, deutsche Interessen mit Waffengewalt zu verteidigen und in einem Bündnissystem zu stehen.

Jochen Seelig / 23.10.2014

Sonst hat es die Achse doch immer so mit des Volkes Willen… Ach, anscheinend auch nur, wenn es in den eigenen Kram paßt.

Jörg Paul Jonas / 23.10.2014

Vor lauter Glück über die von Kohl versprochene blühenden Landschaften und über die von Schröder alias Gas Gerd versprochene russische blühende Demokratie, übersehen wir, dass das totalitäre undemokratische Monster im Osten wieder aufsteht.

Peter Bereit / 23.10.2014

Wie schön wäre es, wenn die BRD nur EIN Problem hätte und dieses Problem in der Existenz der LINKEn bestünde, denn die sitzt nicht als Regierungspartei im Bundestag. Für die Probleme, die Deutschland zweifellos und in großer Zahl besitzt, sind Regierungsparteien verantwortlich. Sie sind es, die vorhandene Probleme ignorieren und regelmäßig weichspülen. Solange genug Geld vorhanden ist, klappt das ganz gut, indem man z.B. den sozialen Widersprüchen die Spitzen abschneidet. Das fallt jedoch zunehmend schwerer und treibt die Wähler in die Arme anderer Interessengruppen. Sich angesichts deutlicher Problemarroganz der regierenden Parteien über den Wahlzuspruch z.B. der AFD zu wundern, ist geradezu dämlich. In den LINKEn, immer nur die alte SED zu vermuten und Panik vor dem Weltkommunismus zu verbreiten, ist noch dämlicher. Wer wem welche Probleme eingebrockt hat, zeigt die Statistik. Wer hat wie lange, dieses Land regiert?

Christoph Andreas / 22.10.2014

Frau Ypsilanti hat zu dem Thüringer Deal schon gratuliert. Dann kann ja nichts mehr schief gehen.

Hans Lehmann / 22.10.2014

Wir sollten auch dem Kaiser danken, dass er 1918 nicht auf das Volk schießen ließ. Aber wer hätte überhaupt noch geschossen?

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