In Potsdam plant das Hasso-Plattner-Institut einen Erweiterungsbau seiner Universität. Darüber könnten die Lokalpolitiker eigentlich glücklich sein. Bei Plattner handelt es sich um einen von vier Gründern des Softwareunternehmens SAP, des einzigen Unternehmens der so genannten Plattform-Ökonomie, das in seiner Größe – 3,6 Milliarden Euro Gewinn 2016, 84 000 Angestellte weltweit – auf dem Niveau von Apple und Alphabet in den USA und Alibaba in China spielt.
Plattners Stiftung gehört zu den wichtigsten deutschen Risikokapitalgebern für junge Gründer der IT-Branche. Außerdem betreibt sie in Potsdam eine private Universität; durch die Erweiterung würde sich die Zahl der Studienplätze dort von 750 auf 1.500 verdoppeln, es kämen auch Labore dazu. In der brandenburgischen Stadt schwebt dem Unternehmer ein „deutsches Stanford“ vor.
Es gibt nur, jedenfalls aus Sicht der grünen und Linkspartei-Stadträte, ein Problem: Für den Erweiterungsbau müssten einige Bäume gefällt werden. Nicht viele, denn Plattner wünscht sich einen Waldcampus mit Bauten, die sich gut in den kleinen städtischen Forst einfügen – ähnlich wie bei dem kalifornischen Vorbild. Zu Ausgleichspflanzungen wäre er ohnehin verpflichtet. Das hilft ihm bei den lokalen Politikern auf der Linken wenig. Sie verlangten in der vergangenen Woche erst einmal ein Verfahren, in dem geklärt werden soll, wie viele Bäume für die Investition fallen dürfen – und ob überhaupt. Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) lud Plattner deshalb schon ein, mit seinem Projekt in sein Bundesland zu wechseln.
Der Fall Stanford in Potsdam ist deshalb so exemplarisch, weil im benachbarten Berlin – einer Stadt mit ebenfalls rot-rot-grüner Mehrheit – im vergangenen Jahr ebenfalls ein Bauprojekt angeschoben wurde, dem Bäume im Weg standen. Anders als die Digital-Akademie von Plattner ist es auch schon verwirklicht, die Bäume gefällt, und zwar ohne größere Diskussion und mediale Begleitung. Es handelte sich allerdings nicht um eine private Bildungsinvestition – sondern die Errichtung eines Asylbewerberheims in Berlin-Lankwitz. Dort wurden im Februar 2017 im Leonorenpark 200 Bäume beseitigt, teils 100 Jahre alte Exemplare, um Platz für eine vom Land finanzierte Unterkunft für 21,3 Millionen Euro zu machen.
Das Flugfeld Tempelhof – absolut baumfrei – ist tabu
Zwar protestierte eine kleine Bürgerinitiative. Aber deren Mitglieder konnten nur zusehen, wie die Sägetrupps und Bagger anrückten. Die öffentliche Hand hätte nicht zwingend mitten in einem Park bauen müssen; in der Stadt existieren genügend Brachflächen. Beispielsweise das stillgelegte Flugfeld Tempelhof. Allerdings setze hier eine überwiegend linke Initiative durch, dass das Areal nicht bebaut werden darf. Nicht wegen eines Baumbestandes. Den gibt es dort nämlich nicht. Sondern vielmehr, um die Schreckensgestalten fernzuhalten, die der wohlmeinende Berliner als Feinde der Stadt fürchtet, nämlich Investoren.
Die Berliner Grünen äußerten sich damals nicht weiter zur Abholzung von 200 Bäumen in Lankwitz (zur Erinnerung: Bei dem erbitterten und mit medialer Unterstützung ausgefochtenen Kampf gegen Stuttgart 21 ging es seinerzeit um etwa 30 Bäume), was möglicherweise auch damit zu tun hat, dass die parteinahe Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin Mitte selbst, nun ja, etwas Grünfläche beansprucht.
Gleich neben dem jetzigen Stiftungsgebäude in der Albrechtstraße soll nämlich demnächst ein Erweiterungsbau entstehen. Die Planung sieht vor, die Immobilie auf dem Areal einer kleinen, etwas räudigen Grünanlage zu errichten, die bis zur Reinhardtstraße reicht und aus einigen Bäumen und Büschen, etwas Rasen und einem noch aus DDR-Zeiten stammenden Platz mit Betonplatten besteht, zwischen denen kleine wilde Stadtvegetation wuchert.
Es gibt mittlerweile eine Bürgerinitiative „Rettet den Reinhardtpark“. Der Sprecher der Böll-Stiftung weist darauf hin, so etwas wie den Reinhardt-Park gebe es gar nicht (womit er recht hat), es handle sich nur um eine Grünanlage, außerdem sei die Zahl der zu fällenden Bäume von der Bürgerinitiative „aus der Luft gegriffen“. Wer sich die Ergebnisse des Architekturwettbewerbs für das Erweiterungsprojekt anschaut, der sieht allerdings schnell: ein bisschen städtische Natur wird wohl dran glauben müssen. Es kommt also sehr darauf an, wer welche Bäume zu welchem Zweck umlegen lassen will.
Steckt kein staatlicher oder von einer Partei verfügter Bau dahinter, sondern ein gewinnorientiertes Unternehmen oder auch nur ein mäzenatischer Unternehmer, dann ist Widerstand jedenfalls erste Pflicht aller guten Kräfte.
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Dieser Beitrag erschien auch auf Alexander Wendts Publico
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