Hans-Hermann Tiedje, Gastautor / 28.11.2021 / 10:00 / Foto: Tsui / 54 / Seite ausdrucken

Deutsche zu Österreichern und umgekehrt

In Österreich hat man so eine Angewohnheit, Deutsche zu Österreichern zu erklären, und umgekehrt, je nach Bedarf.  Das funktioniert meistens problemlos. Christoph Waltz zum Beispiel, den viele für einen Deutschen halten, ist ein "Österreicher durch und durch".

Dieser Tage sah ich auf Arte ein Portrait des weltbesten Filmbösen: Christoph Waltz. Zweifacher Oscar-Preisträger, weil keiner die Schlechtigkeit des Menschen so gut darstellt wie er. Und eine warme weibliche Stimme im Off betonte mehrfach: Christoph Waltz ist Österreicher. 

Dazu folgende Richtigstellung: 

Mit den Österreichern ist das so eine Sache: Hans Krankl, Max Merkel, Sebastian Kurz, Bruno Kreisky, Ernst Happel, René Benko, Arnold Schwarzenegger, Hans Mahr, Christiane Hörbiger, Klaus Maria Brandauer, Thomas Bernhard, Friedensreich Hundertwasser, Gustav Klimt – alle Österreicher. Wie auch Strache, Waldheim, Marsalek und Unterweger. Aber Christoph Waltz (65)? „Obwohl er erst seit wenigen Jahren die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt“, verstehe sich Waltz als „Österreicher durch und durch“. So 2013 die „Tiroler Tageszeitung“. Was bedeutet: Vorher war Waltz noch Deutscher!

In Österreich hat man so eine Angewohnheit, Deutsche zu Österreichern zu erklären, und umgekehrt, je nach Bedarf. Adolf Hitler z.B. war zweifelsfrei Österreicher, Geburtsort: Braunau am Inn. Als er die deutsche Staatsangehörigkeit erlangte und Reichskanzler wurde, war man in Österreich stolz auf ihn als großen Sohn des Landes. Nach seinem Untergang mutierte er im Bewusstsein vieler Ösis über Nacht wieder zum Deutschen. Aha.

Womit wir bei Wolfgang Amadeus Mozart (1756 bis 1791) sind, gepriesen als österreichisches Wunderkind. Wie das, wo doch sein Geburtstort Salzburg damals zu Bayern, also Deutschland, gehörte. Mozart selbst bezeichnete sich mehrfach als „Teutscher“. Da ist ein Missverständnis eigentlich ausgeschlossen. Eigentlich!

P.S.: Zu Otto von Habsburg. Zweimal traf ich ihn persönlich, er war beeindruckend. Ein intellektueller Gigant. Viele Österreicher wollten ihn nicht, wg. Habsburg. Ich hätte ihn gern als gebürtigen Deutschen gehabt.

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Leserpost

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Katharina Fuchs / 28.11.2021

@ Fred Burig “Um die “Welt” nicht zu beunruhigen, könnte man ja diesmal Deutschland an Österreich angliedern. Mit einem gemeinsamen Kanzler Herbert Kickl”—- Solange sie Ungarn in Ruhe lassen… Warum vergessen die Leute immer so gerne, daß Österreich schon ziemlich gewichtig und sehr von sich selbst überzeugt war, als Deutschland noch weiter nichts als ein Häuflein halbgarer Kleinkleckerländchen war? Vielleicht, weil die Österreicher, zumindest oberflächlich betrachtet, immer ein wenig charmanter rüberkamen. “Küß die Hand, gnädige Frau, und ein zackiges Heil Hitler für den Herrn Gemahl.” Ich glaube, das nannte man “Schmäh”.

Rolf Mainz / 28.11.2021

Entstammt das Haus von Habsburg nicht ursprünglich der heutigen Schweiz? Meines Wissens liegt die Stammburg ebendort, im Kanton Aargau.

Wilfried Cremer / 28.11.2021

Sehr geehrter Herr Tiedje, lustig ist, dass ein paar Kilometer jenseits der Grenzen die Österreicher plötzlich zu Sudeten- oder Dingsbumsdeutschen wurden.

Bernd Michler / 28.11.2021

Sehr geehrter Herr Tiedje, die Behauptung über W. A. Mozart ist historisch falsch. Salzburg war bis 1803 selbständiges Erzstift. Kirchliches UND weltliches Oberhaupt des Landes war der Fürsterzbischof von Salzburg, nicht Bayern, nicht Österreich. Mozart war daher primär Salzburger, allenfalls Angehöriger des zu dieser Zeit noch existierenden Imperium sacrum (“Teutsche” waren sie damals ja wohl alle), aber gewiss weder Bayer noch Österreicher.

Hartmut Laun / 28.11.2021

Die Wandlung, wie es gerade gebraucht wird kann noch deutlicher werden: Hitler war Deutscher, Beethoven Österreicher.

Dirk Jäckel / 28.11.2021

@A. Kirsch Es gab keine Staatsangehörigkeiten zu der Zeit. Offenbar hatte Vater Mozart das Bürgerrecht der Reichsstadt Augsburg, welche ebenso Glied der Reiches war wie Salzburg oder Oberösterreich. Über der Reichsstadt stand dann nur der Kaiser in Wien (freilich mit sehr wenigen Durchgriffsrechten außerhalb seiner Erblande).

Fred Burig / 28.11.2021

Um die “Welt” nicht zu beunruhigen, könnte man ja diesmal Deutschland an Österreich angliedern. Mit einem gemeinsamen Kanzler Herbert Kickl . Damit könnte ich bestens leben! MfG

Dirk Jäckel / 28.11.2021

Leute, bitte nicht wieder diese anachronistische Diskussion zu Mozart und ob jemand deutschsprachiger Österreicher oder Deutscher gewesen sei. Mindestens bis zur Auflösung der Deutschen Bundes 1866 ist das - mit Verlaub - Unsinn. Also dem Krieg, der von Preußen angezettelt wurde, um Ö von Deutschland zu trennen. Nicht umsonst hieß er der “Deutsche Krieg”, also Krieg unter Deutschen (was freilich auch verkürzend ist, weil nun mal auch in dem Reichsteil Österreichs, der zum Deutschen Bund gehörte, nicht nur Deutsche wohnten, sondern u.a. auch Tschechen). Was Salzburg betrifft, gehörte es erst Anfang des 19. Jh. für ein paar Jahre zu Bayern. Zuvor war es Fürsterzbistum. Und war natürlich ebenso Glied des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und im Reichstag vertreten wie das etwa Erzherzogtum Österreich (unter dem römisch-deutschen Kaiser und “König in Germanien etc.”  in Wien), Sachsen oder beide Mecklenburg. Dass das Habsburgerreich über das römisch-deutsche Reich bzw. den Deutschen Bund hinausgriff (etwa in Ungarn), war kein Alleinstellungswerkmal; das betraf auch östliche Teile Preußens. Um den Anachronismus nochmals zu verdeutlichen: Ebenso könnte man fragen, ob Kant statt Deutscher Russe war, da er im heutigen Kaliningrad geboren wurde (übrigens war Königsberg, anders als Salzburg oder Wien, kein Teil des römisch-deutschen Reiches bzw. später des Deutschen Bundes). Interessant nebenbei, weil es den erwähnten Otto von Habsburg betrifft: Der zwielichtige Chef der österreichischen Sozialdemokratie, Karl Renner, begrüßte 1938 öffentlich den Anschluss und warf noch im Exil den Monarchisten vor, für ein unabhängiges Österreich einzutreten. Erst 1945 bekam er die Kurve und sprach von einer österreichischen Nation. Und wie ging es weiter? Otto, stets konsequenter Gegner des Anschlusses und Feind der Nazis, musste auf Renners Betreiben zunächst im Exil bleiben, während dieser Kanzler wurde.

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