Thilo Schneider / 20.06.2022 / 17:00 / Foto: Timo Raab / 51 / Seite ausdrucken

Der tiefe Graben

Im Rückblick muss ich feststellen, dass die Verrückten von damals die Hellseher waren.

Im trauten Jahre 1988 stand ich am Reichstag vor der Mauer. Meine erste Liebesreise mit meiner Ex-Freundin, die dann zu meiner Ex-Frau wurde. Während in Westberlin der Reichstag quasi ein Museumsgebäude war, wurde in der „Deutschen Demokratischen Republik“ die Mauer scharf bewacht, und am Grabmal der „Opfer des Faschismus“ paradierten die deutschen demokratischen Soldaten der „Nationalen Volksarmee“ im Stechschritt. Was für ein Kontrast zu dem lockeren Leben und „easy going“ in Westberlin!

Ein weiteres Mal stand ich dann um das Jahr 2000 herum mit meinem Sohn vor dem Reichstag und ohne Mauer, stolz, dass wir einen demokratischen Staat mit demokratischer Verfassung und einer funktionierenden Marktwirtschaft hatten. Vor dem Reichstag befand sich eine von der Berliner Stadtverwaltung in Grund und Boden gelangweilte Rasenfläche, aber das Gebäude ließ sich von jedem Bürger und Touristen ohne großen Aufwand betreten. Das Haus gehörte „dem deutschen Volke“, und in einer funktionierenden Demokratie musste keine Regierung Angst vor ihrem „Volke“ haben. Nicht einmal vor einem verwirrten „Volker“, der sich mit Luftpistole zum Staatsstreich anschicken wollte. Noch im Jahr 2013 hätte ich geglaubt, dass diese Freiheit und Lässigkeit zwischen Regierenden und Regierten auf ewig hält. Der Laden lief auch immer noch ganz gut, weit und breit waren keine Feinde – weder innen noch außen – in Sicht, wir waren respektierte und geachtete Mitglieder der EU, und die AfD war eben erst als euroskeptische Partei gegründet worden, die ich mit Interesse und Wohlwollen betrachtete. Eine neue Farbe im Parteienspektrum konnte schließlich nicht schaden.

Mit allem kommen sie durch

„Oppa erzählt vom Kriech“ – leider komme ich mir heute so vor. Denn es ist aus, vorbei und Ende Gelände. Hätte ich früher darüber gelacht, wenn mir jemand erzählt hätte, dass wir uns knapp zehn Jahre später in der Transformation von einer demokratischen hin zu einer sozialistischen Gesellschaft befinden, dass es einen „höheren Plan“ der Dekonstruktion von einem Industrieland in ein Schwellenland gibt, dass wir eine Fragmentierung der Gesellschaft in Klein- und Kleinstgrüppchen sehen, so stelle ich heute fest, dass die Verrückten von damals die Hellseher waren. Der hübsche Graben, der jetzt um den Reichstag gezogen werden soll, ist nur der sichtbare und symbolische Ausdruck für die Angst, die die jetzt Regierenden vor ihren Wählern, mithin „dem deutschen Volke“ haben. Sie wissen ganz genau, dass sie nur für ihre Minderheiten agieren und „a damn“ auf die breite Mehrheit der Bevölkerung geben. Speziell seit Olaf Scholz Kanzlernender ist, sind bereits die Stellenbesetzungen der Ampel, nicht nur in der Ministerreihe, sondern auch auf den Bänken dahinter, eine Verhöhnung der Wähler.

Reden wir einmal nicht von Lambrecht, Faeser, Baerbock oder dem verhaltensoriginellen Clown Lauterbach – schauen wir uns an, wie die Stühle in der zweiten und dritten Reihe besetzt sind oder werden sollen. Da wird die großartige Denkerin und, freundlich ausgedrückt, „Nonkonformistin“ Sawsan Chebli allen Ernstes als Kandidatin für einen Ministerposten gehandelt, von der ich den Eindruck habe, dass sie bereits mit dem eigenen Privathaushalt hoffnungslos überfordert ist. Da wird eine Ferda Ataman, deren größte Leistung bis jetzt darin besteht, ihre 12.000 Tweets (aus gutem Grund!) von Twitter gelöscht zu haben, ohne jegliche Ironie „Bundesbeauftragte für Diskriminierung“ (obwohl: Diskriminieren kann sie. Vor allem Deutsche, wie ihre gelöschten Tweets beweisen würden) und damit das dickste Kind zum Bewachen der Torte abkommandiert, oder die ehemalige Greenpeace-Vorsitzende Jennifer Morgan nach einem Einbürgerungscrashkurs zur Staatssekretärin im Auswärtigen Amt „berufen“, da werden offensichtliche Wahlfälschungen in Berlin und Verfassungsbrüche der Ex-Kanzlerin nonchalant ignoriert, da werden in Thüringen „rückgängig gemachte“ demokratische Wahlen nicht wiederholt oder neu angesetzt, es werden sogar unter lauen Vorwänden des Pandemieschutzes Grundrechte außer Kraft gesetzt und es passiert: nichts.

Neue Pronomen statt deutscher Sprache

Wir als Bevölkerung stehen nasebohrend daneben und schauen zu, wie gnadenlose Dilettanten mit oberkorrekter, scheinmoralischer Haltung uns vor eben diese Nase gesetzt werden und hoffen, Inflation, Energiepreisverteuerungen, offener islamischer Rassismus und Antisemitismus und eine Gewaltwelle, die durch das Land rollt, werden nur die Anderen treffen. Das Verbrennerverbot von 2035 soll nicht dazu führen, dass sich die Leute E-Autos kaufen, sondern dass sie gar keine Autos mehr kaufen. Das Pack soll Bus und Bahn fahren, und glaubt man den euphorisierten Medien, ist diese steueralimentierende Verfügungsmasse auch noch der festen Meinung, es tue dies „der Umwelt zuliebe“. Während dem Bürgertum durch Terrorist:innen an der Staatsspitze, die sich einen feuchten Kehricht um Verfassung und Grundgesetz scheren, die Daumenschrauben immer enger angelegt werden, beschäftigen wir uns mit lustigen Regenbogenfahnen, korrektem Gendern und der nun aber wirklich sowas von tödlichen 26. Welle aus dem Lauterbachschen Gezeitenkraftwerk.

Es wird gnadenlos alles vernichtet, was dieses Land einmal ausgemacht hat: Wälder werden mit Windrädchen bis zur Unkenntlichkeit und ökologischen Sinnlosigkeit zugeballert, Deutsch ist in vielen Städten bei der Verständigung eher hinderlich, dafür gibt es aber neue Pronomen, „demokratisch“ beginnt erst ab „den Grünen“, und klassische Familien oder auch typische Werte wie Bildung, Höflichkeit, Respekt, Pünktlichkeit und Sauberkeit gelten plötzlich als naziesk, als „alman“ (hihihi) und „Kartoffel“ (hahaha) und irgendwie rechts und damit irgendwie bäh. Mein Vornamensvetter hatte recht, als er schrieb, dass sich Deutschland abschafft – die Tragik dabei ist, dass es dies freudig, freiwillig und ohne nennenswerte Gegenwehr tut, weil wir Restdeutschen ja immer noch und immer wieder geliebt werden wollen. Hierfür ernten wir die berechtigte Verachtung der Völker um uns herum und der Völkerscharen hier, die jetzt beginnen, uns zu desintegrieren.

(Weitere sozialverträgliche Artikel des Autors unter www.politticker.de)  

 

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

Foto: Timo Raab

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E Ekat / 20.06.2022

Tja. Soisses. Ich leide mit. Aber ich habe auch leider noch genug zu essen. Es war keine Demokratie, denn diese fordert demokratisches Bewußtsein und demgemäßes Handeln aller Beteiligten.

M. Gerlach / 20.06.2022

Nüchtern betrachtet ist’s wirklich besoffen besser. Man bekommt j e d e n Tag nur nach das kalte Grausen und schämt sich fremd bis in die tiefste Bodenregion dieses vergifteten Landes. Diffamierung, Hetze und an Psychoterror grenzende Panikmache usw. usw. der letzten Jahre lassen einen jetzt noch schaudern, werde ich nicht vergessen und auch nicht verzeihen. Um “die Menschheit zu retten”  wird wieder mal die Natur auf fürchterliche und unentschuldbare Weise zerstört, Gesetze nach Belieben abgeschafft oder geändert. Meinungsfreiheit? Nein danke! Naturschutz? Nein danke! - Was ist bloß  aus diesem Land geworden?

Helga Müller / 20.06.2022

Jetzt erst gemerkt, Herr Schneider? Und ich bin, nix für ungut, ein paar Jahrzehntchen jünger (ich heiße nicht wirklich Helga Müller, unter meinem Klarnamen kann ich allerdings nicht schreiben, soweit sind wir schon). Für das Land und einen Gutteil seiner Bewohner kann man nur noch Verachtung empfinden, so sieht’s aus.

Fritz kolb / 20.06.2022

Ein sehr guter und sehr zutreffender Beitrag. Sie sprechen mir aus dem Herzen, Herr Schneider.  Was können wir tun? Der gerne so genannte Pommespanzer verkündet großmütig grüne Erleichterungen, wogegen der Kinderbuchautor uns harte Einschränkungen verkündet und der Wirtschaft Sparmaßnahmen verordnet, die sie endgültig ins Ausland abwandern lässt. Die Protagonistin der „feministischen Außenpolitik“ verkündet uns sprachgestört wie immer ihr Gedöns und eine alte Doppelnamen-Frau von der ehemals freien Partei, verfällt geradezu lustvoll in Kriegsgeschrei ( je oller, je doller) , ganz zu schweigen vom geschlechtslosen Hofreiter, der auf einmal nur noch breitbeinig rumsteht. Vom Farb- und konturlosen Kanzler, der ja eigentlich qua Amt den ganzen unfähigen Haufen auflösen müsste, einmal ganz zu schweigen. Die Lösung sind Insellösungen. Jeder für sich,  bestenfalls die Familie mit eingeschlossen, vielleicht auch noch ein paar wirklich Freunde dazu, und ansonsten dichtmachen. Wagenburglösung nennt man das, glaube ich. Wir werden zwangsläufig zu Kriegern der eigenen Sache. Ansonsten Misstrauen gegen alle und jeden, weil von alleine sind die Rotgrünen Khmer ja nicht an die Macht gekommen. So zerfällt zwar unser Land stetig, aber das ist sowieso der Plan des Great reset. Its over, Leute, das war’s.

Hans Reinhardt / 20.06.2022

Alle Achtung, Herr Schneider, ein wirklich toller Artikel von Ihnen der den (mehr oder weniger) Unfug den sie sonst verzapfen, auf einen Schlag vergessen lässt. Sie können also, wenn Sie nur wollen, aber sowas von! Mehr davon und ich werde tatsächlich noch ein Fan von Ihnen. Well done!

S. Hartmann / 20.06.2022

Hallo Herr Schneider, Sie schreiben so schön formuliert, was ich denke! Ich hoffe Sie bekommen in den nächsten Wochen keinen frühmorgendlichen Besuch. Eine Anmerkung: die Bevölkerung steht nicht “Nase bohrend” sondern “FFP2- Masken tragend” daneben und freut sich über das nächste Leckerlie von den Gebieter*-Innen-ixen.  Danke!

Bastian Kurth / 20.06.2022

@Horst Jungsbluth: das klingt wirklich grausam interessant! Könnten Sie bitte mehr davon hier veröffentlichen? An die Achse: bitte geben sie Herrn Horst Jungsbluth die Möglichkeit seine Aussagen hier zu veröffentlichen!

H. Hoffmeister / 20.06.2022

Wow, Herr Schneider, eine derartige Philippika hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut. Wir können nur hoffen, dass die Gelddruckmaschine unserer “Eliten” mit der “eliten”-gemachten Inflation nicht mithalten kann und den Geist aufgibt. Im Ergebnis kommt dann eine echte “Große Transformation” (nicht die unserer Klimakrieger), die diese fürchterlichen Dilettanten in den westlichen Regierungen hinwegfegt und Platz macht für rational denkende und entsprechend kompetente Volksvertreter.

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