Periodisch auftretende Zustände von Paarungsbereitschaft nennen die Biologen „Brunst". Der Hase beispielsweise wird regelmäßig im März davon ergriffen. Ein klug gewählter Termin: Die Kinderschar kommt auf die Welt, wenn die Kräuter saftig, das Wetter mild und die Überlebenschancen gut sind. Die Hasengesellschaft rammelt (so der offizielle Fachbegriff) deshalb stets voller Torschlusspanik. Eine heftige Keilerei gehört dabei häufig zum Vorspiel. Aus zuverlässiger Quelle wird berichtet, dass einzelne Missetäter im Übereifer sogar dem Teckel des Jägers an die Wäsche gehen.
In der Autoindustrie wird solch periodisch auftretende Paarungsbereitschaft als „Fusionsfieber" oder auch „Fusionitis" beschrieben. Auch sie ist von Torschlusspanik gekennzeichnet und macht vor niemandem halt. Zwei Kranke hoffen dabei mitunter als ein Gesunder aufzuerstehen, insofern könnte ich mir vorstellen, dass auch die ein oder andere politische Partei in diesem Lande von der Fusionitis befallen wird, dazu aber später.
Die Alpha-Tierchen der Automobilwelt jedenfalls schlagen und vertragen sich wie die Hasen im März. Und im Eifer des Gefechts bespringt auch schon mal einer den Teckel des Jägers. So saß der kürzlich verstorbene Ex-VW-Boss Ferdinand Piech vor rund 20 Jahren einem verhängnisvollen Irrtum auf, als er glaubte, bei Rolls-Royce gelandet zu sein.
Das kam so: Piech erwarb den britischen Hoflieferanten samt Inventar. Die Vorkaufsrechte am Namen Rolls-Royce aber hatte sich BMW still und leise durch eine Kooperation mit dem gleichnamigen Triebwerks-Hersteller gesichert. Die von VW erworbene alte Rolls-Royce-Fabrik in Crewe war zu diesem Zeitpunkt ungefähr soviel wert wie der Palast der Republik ohne Erich Honecker. Für 1,4 Milliarden Mark fusionierte Piech mit einer romantischen Ruine, technisch vergleichbar der Burg Elz. Die VW-Leute konnten sich nun damit trösten, dass ihnen immerhin die Rechte am Namen Bentley verblieben. Auch lag das Grundstück im britischen Crewe verkehrsgünstig gleich gegenüber dem Krematorium. Um diese Schmach zu sublimieren, päppelte Piech dann trotzig Bentley auf.
Ein gewisses Talent für komische Opern
Die Geschichte gescheiterter oder dumm gelaufener Fusionen im Brumm-Brumm-Sektor beweist auch, dass in der Regel humorbefreite Firmenlenker ein gewisses Talent für komische Opern haben. Aktuell wollen Peugeot-Citroën (PSA) und Fiat-Chrysler fusionieren. Wie die Namen schon sagen, handelt es sich um Firmen, die bereits Ergebnis von im hohen Alter angebahnten Versorgungs-Ehen sind. Peugeot, wirtschaftlich halbwegs gesund aber langweilig und gesichtslos, vereinigte sich mit Citroën, einst eine geniale Marke, nie langweilig, weil immer chaotisch und deshalb wirtschaftlich so marode wie das alte Hallenviertel von Paris vor seinem Abriss. Jetzt baut Citroën der Einfachheit halber Peugeots, die mit etwas Lametta auf kreativ getrimmt werden und so tun, als seien sie ein Citroën. Das gleiche passiert unter der Herrschaft von PSA mit Opel in Rüsselsheim. Opels sind demnächst ebenfalls Peugeots, die mit ein bisschen Handkäs getunt werden und so tun, als seien sie aus Rüsselsheim.
Fiat-Chrysler wiederum verwertet secondhand die abgelegte Technik, die Daimler-Chrysler nach der Scheidung der „Welt AG“ 2010 hinterließ. Diese „Hochzeit im Himmel“ entpuppte sich als eine Gefahr für den Weltfrieden und gilt als eine der erfolgreichsten Kapitalvernichtungen der Automobilgeschichte. Nach der ehelichen Schleuderwende im Jahre 2010 vermissten die Daimler-Aktionäre 40 Milliarden Euro, die bis heute nicht wiedergefunden werden konnten, obwohl der Kofferraum jeder neu produzierten S-Klasse überprüft wurde.
Weil Chrysler danach kein Geld für teure Neuentwicklungen hatte, trug man alte Mercedes-Technik auf, die Jürgen Schrempp nach seiner Flucht aus den USA zurückließ. Der ebenfalls der Altersarmut entgegen sehende Fiat-Konzern ehelichte dann 2014 die Chrysler-Hinterbliebene, um gemeinsam einem harmonischen Ende entgegenzustreben, das nun unter dem Dach von PSA – einem ja bereits erfahrenen Sterbehelfer – eingeleitet wird. Die Trauer dürfte sich in Grenzen halten, weil sich beispielsweise die Lancia-Kunden (Lancia gehört ebenfalls zu Fiat) schon vom Dach ihrer Fahrzeuge gestürzt haben, als sie den ersten Chrysler 300C erblickten, der mit ein paar Schildchen zum Lancia-Thema befördert wurde. Wer sowas macht, der schickt auch einen Kartoffelbauer aus Idaho als Primaballerina in die Mailänder Scala.
Mir kommt kein Handkäs ins Haus
Immer mehr Autos werden dergestalt von Betriebswirten statt Technikern konzipiert – und so sehen sie auch aus. Fusionen rechnen sich meist prima. Einziges Problem: Man weiß nicht so recht, ob die Kunden einen Peugeot kaufen, der so tut als sei er ein Opel, ich persönlich will beide nicht kaufen, mir kommt kein Handkäs ins Haus, schon gar nicht einer, der in Wahrheit ein Camembert ist. Am eindruckvollsten machten diese Erfahrungen übrigens die schon im vorigen Jahrhundert waidwunden britischen Autohersteller, die sich schließlich auf einem großen Modellfriedhof zusammenfanden. Der Club der toten Verdichter nannte sich British Leyland Motor Corporation (BLMC). 1975 war BLMC dann pleite und landete im Staatsbesitz. Geniales Ergebnis: Der britische Bürger bezahlte fortan mit seinen Steuern Autos, die er freiwillig nicht mehr kaufen wollte. Eine ähnliche Entwicklung würde ich in Deutschland nicht ausschließen, unsere Regierenden lassen ja gerade die Gräber ausheben.
Es gibt im Prinzip zwei Arten von Fusionen. Bei Daimler-Chrysler glaubte man an sogenannte „Synergieeffekte". „Insgesamt 100 Integrationsteams aus Daimler- und Chrysler-Mitarbeitern forschen derzeit, wie die Unternehmen optimal zusammenwachsen können", schrieb damals die „Welt am Sonntag" anerkennend und in freudiger Erwartung munterer Synergien. Auch wurde mitunter der Gedanke geäußert, dass zwei sehr unterschiedliche Personen, die sich in ihren Fähigkeiten ergänzen, einen größeren Wirkungsgrad erzielen. Dieses Phänomen kann man beispielsweise am Zusammenwirken von Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer beobachten, die gemeinsam erfolgreich die Reifen der CDU platt geschossen haben.
Eine Fusion mit den Grünen bietet sich an, schließlich hält sich die CDU bereits seit Jahren mit der Secondhand-Nutzung grünen Gedankenguts über Wasser. Betriebswirtschaftlich ist sogar eine ganz große Lösung empfehlenswert: SPD, FDP und Linke könnten sich anschließen und zum linksgrünen Parteienblock fusionieren. Sie formen ja ohnehin schon so eine Art völkerverbindende La-ola-Welle, kommen aber erheblich teurer. Durch eine Fusion könnten viele tausend Stellen eingespart werden, beispielsweise könnte man sämtliche Pressesprecher durch einen Zentralpressesprecher ersetzen. Spiegelbildlich schlage ich vor, die ebenfalls darbenden deutschen Qualitätsmedien unter dem Dach von ARD und ZDF zu fusionieren und zu einer verstaatlichten Zentralredaktion zusammenzuschließen, siehe oben BLMC-Modellfriedhof. So eine Konstruktion vereinfacht die Informationsflüsse erheblich, weil die Zentralredaktion nur noch die Direktiven des zentralen Pressesprechers entgegennehmen müsste. Auch das leidige Problem der Fake-News wäre endlich gelöst.
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