Dirk Maxeiner / 19.08.2018 / 06:05 / Foto: Picabay / 27 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Der Umfrage-Unfall

Im Jahre 1957 wollte Ford besonders klug sein. Ein Heer von Marketingfachleuten hatte dem amerikanischen Volk aufs Maul geschaut und eine klaffende Lücke entdeckt. Es fehle der Firma ein überzeugendes Fahrzeug im gehobenen Preissegment, der Traum der Mitte gewissermaßen. Deshalb wurde ein gewaltiger Marktforschungs-Aufwand getrieben, um alles richtig zu machen. Das illustriert allein schon die Suche nach dem Namen für das neue Auto, respektive die Marke, unter der es dem staunenden Volke präsentiert werden sollte.

Eine Werbeagentur sammelte 18.000 positiv besetzte Begriffe, von denen dann 6.000 in die engere Wahl kamen. Ford war sogar an die Dichterin Marianne Moore herangetreten und hatte sie gebeten, einen Namen zu dichten, der Eleganz, Schnelligkeit, moderne Ausstattung und Design symbolisieren sollte. Das Rennen machte schließlich, man höre und staune: Edsel. So hieß der Sohn von Henry Ford I. Zufälle gibt es.

Ich muss oft an diese Geschichte denken, wenn Umfragen zu Rate gezogen werden, um Volkes Stimmung aufzuzeigen. Nehmen wir mal an, infratest dimap würde im Auftrag der CDU positiv geprägte Worte für den beliebtesten deutschen Politiker zusammenstellen. Oder der Verband deutscher Schriftsteller würde dazu einen Namen dichten. Was käme da wohl raus? Angela. Ich schwör. 

Der Fernsehsender CBS veranstaltete zur Premiere des neuen Autos so eine Art Edsel-Show, in der Bing Crosby, Frank Sinatra und Louis Armstrong auftraten. Der Edsel fuhr in einem glänzenden Türkisgrün vor, so ähnlich wie Angela Merkel in Bayreuth. Trotzdem wurde der Edsel, das Auto, das es jedermann recht machen sollte, zum Mega-Flop. Er ging als größtes Marketing-Desaster in die Automobilgeschichte ein. Nach heutigem Tarif dürften etwa zwei Milliarden Dollar in den Sand gesetzt worden sein.

„Es liegt nicht an uns, es liegt am Auto.“

Dabei wurde beim Edsel alles genauso gemacht, wie es die Käufer angeblich wünschten. Und genau das war das Problem, denn leider passte das alles nicht zusammen. Kritiker fühlten sich beim Anblick des Kühlergrills an eine Toilettenbrille erinnert und selbst Richard Nixon konnte sich beißenden Spott nicht verkneifen. Als er bei einer Südamerikareise in seiner Edsel-Limousine mit faulen Eiern beworfen wurde, tröstete er den Chauffeur: „Es liegt nicht an uns, es liegt am Auto.“

Die Ford-Leute waren in eine selbst gestellte Falle getappt. Außerdem hätten sie sich für ihr Wunderauto ein anderes Land suchen sollen. Beispielsweise die Sowjetunion. In den USA bestand das Problem darin, dass es auch noch andere Autos zu kaufen gab.  Angela Merkel hat das Problem eindeutig besser gelöst als Ford. Selbst in der ehemaligen DDR gab es noch eine Auswahl zwischen Trabant und Wartburg. Das Modell Angela hingegen ist so alternativlos, wie einst Nicolae Ceausescus Dacia. „Gut genug für die Idioten“, hatte Ceausescu angesichts des Mobils befunden.  

Welches Politik-Modell auch immer man bestellt, Angela wird geliefert. Beim Reichstags-Lieferando gibts nur Angies Pizza, wahlweise mit Salami, Ananas oder SPD. Die Bandbreite der Regierungs-Konstellationen lässt sich mit einem schönen alten Trabi-Witz verdeutlichen. Frage: „Was ist der Unterschied zwischen einem Trabi und einem Trabi Sport?“ Antwort: „Der Fahrer hat Turnschuhe an.“ 

„One size fits all“ nennen das die Angelsachsen. Es gibt nur ein Angela, wahlweise mit oder ohne Turnschuhe, Variationen mit grünem Kopftuch und roten Socken sind ebenfalls denkbar. Wenn man der Süddeutschen Zeitung glauben darf, dann veranstaltet Merkel pro Jahr bis zu 150 Umfragen. Da dürfte selbst Ford vor Neid erblassen. Zumal Merkel nicht wissen will, was die Leute wollen, sondern lediglich eine Antwort darauf  sucht, wie man sie astrein demokratisch hinter die pommersche Kiefer führen kann. 

Nun können Umfragen von zwei Seiten manipuliert werden. Einerseits durch die Fragesteller. Wer geschickt formuliert, kriegt die Antwort, die er sich wünscht. Doch auch die Befragten sind ein Risikofaktor. Es ist beispielsweise unter Sexualforschern eine Binsenweisheit, dass bei der Frage nach Seitensprüngen Frauen und Männern in entgegengesetzte Richtungen schummeln. Männer neigen tendenziell zum Prahlen mit ihren erotischen Erfolgen, Frauen spielen vergangene Affären gern herunter, da ihnen immer noch ein schlechter Ruf droht, wenn es allzu viele waren. 

„Eine Meinung ist genug für die Idioten“

Viele möchten lieber vor sich und den anderen gut dastehen, und gehen deshalb mit der Wahrheit nicht besonders pingelig um. So kann man zwar in Fernseh-Betroffenheitsshows erfahren, ob Vibratorspiele mit Schwiegermutter und Schäferhund erlaubt sind. Verboten ist es in jedem Falle, dabei auch noch AfD zu wählen. Das echte Intimleben beginnt eben erst in der Wahlkabine.

Die Politik folgt daher oft dem, was die Leute glauben, dass sie denken sollten und nicht dem, was sie tatsächlich denken. Derzeit dürfte zwischen beidem ein Tal von der Tiefe des Grand Canyon liegen. In Abwandlung eines bekannten Bonmots könnte man auch sagen: Ein Kamel ist ein Rennpferd, das aufgrund von Meinungsumfragen geschaffen wurde. Und da fast alle Parteien den gleichen Umfragen vertrauen, reiten sie auch das gleiche Kamel, das entlang einer Fata Morgana durch die Wüste streift. „One size fits all“ gilt inzwischen auch für die Meinungsbildung, Ceausescu hätte gesagt: "Eine Meinung ist genug für die Idioten".

Zur gleichen Zeit, als der Ford-Edsel durchfiel, erlebte in den USA übrigens ein anderes Automobil einen kometenhaften Aufstieg, das kein Meinungsforscher auf dem Radar gehabt hatte. Im Gegenteil: Es war sogar in sämtlichen Käuferbefragungen durchgefallen. Ganz Amerika adoptierte den Volkswagen-Käfer, und die Werbung fragte: „Warum erlaubt Ihnen Ihre Frau nicht, dieses Auto zu kaufen?“.

Ähnliches hat sich dann noch einmal in den achtziger Jahren in Europa abgespielt. Der Fiat-Panda wurde als „tolle Kiste“ mit Intelligenz, Witz und Humor zum Publikumsliebling. „Dieses italienische Auto enthält mehr Konservierungsstoffe als eine deutsche Currywurst“ lautete eine Anzeigenüberschrift. Die Kampagne war zuvor von 75 Prozent der Befragten abgelehnt worden. Aber die restlichen 25 Prozent waren total begeistert. Der Werbeleiter beschied daraufhin: „Mir sind 25 Prozent totale Zustimmung wichtiger als 75 Prozent lau oder dagegen.“ So etwas nennt man dann wohl Populismus. Nur eben mit Intelligenz, Witz und Humor. Wo gibt’s das in der deutschen Politik? Würd’ ich kaufen.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Jens Kaup / 19.08.2018

Ich dachte, es lag alles nur daran, daß der Edsel eine riesige Vagina am Kühlergrill hatte!

klaus Blankenhagel / 19.08.2018

Danke fuer die richtige Schreibweise des rumaenischen Diktators..

Fridolin Kiesewetter / 19.08.2018

Wie gut, daß Ludwig Erhard sich auf keine Umfragen gestützt hat. Die Mehrheit dachte 1949 immer noch sozialistisch. Es hätte garantiert keine Aufhebung der Preisbindung gegeben, keine Marktwirtschaft, kein Wirtschaftswunder, sondern damals schon so einen Dreiviertel-Sozialismus, wie wir ihn heute haben.

Volker Kleinophorst / 19.08.2018

Meine Oma: “Wer viel fragt, kriegt auch viel Antwort.” Zu Angela Dacia Ceausescu. Dieser “Alternativlose” wurde ja auch ganz plötzlich vom Markt genommen.

Karla Kuhn / 19.08.2018

Dann hoffe ich doch, daß die Autoindustrie jetzt schon anfängt wieder “Edsel” zu produzieren Herr Lucas, die Nachfrage wird riesig sein.

Jens Commentz / 19.08.2018

Vielen Dank für den sehr gelungenen Artikel; schön das Sie die WELT verlassen haben, Sie waren da mit ein paar Anderen die paar Rosen auf der journalistischen Brache. Zu Angela: wir sind in der Tat in einem besorgniserregendem Zustand der Demokratie. AM kann vom Souverän nicht mehr abgewählt werden, weil sich eine Einheitsfront gebildet hat, die Merkel zum eigenen Machterhalt (man denke nur an die “Balkonbilder”) notfalls auch in einer 4 Koalition zum Kanzler wählen würden, um Deutschland “vor den Rechten zu schützen”. MPSH Günther hat den ersten Versuchsballon Richtung Mauermörderpartei bereits losgelassen.  So ein System nennt man Oligarchie. Dieses kann nur durch zeitliche Begrenzung der Mandatsdauer aufgebrochen werden. Denn so kann ein Sturz nur innerhalb der Nomenklatura erfolgen oder durch Gewalt aus dem Volke (s. Ceausescu) oder die AfD gewinnt die absolute Mehrheit. Da alle drei Varianten im Moment nicht wahrscheinlich erscheinen, besteht die reale Gefahr, daß uns Merkel noch zwei Legislaturperioden “erhalten” bleibt. Außer: Söder putscht! Die absolute Mehrheit hat die CSU in Bayern auf Dauer verloren, einer bundesweiten Ausdehnung steht keine logische Begründung mehr im Wege, eine konservative CDU könnte sich von der Merkel nahen CDU absetzen und ein konservative Mehrheit bilden. Merkel hat die CDU zu einer Democrazia Christiana gemacht, die Lega Norte ist jetzt in Italien die führende Kraft, die DC ist verschwunden.

Jens Commentz / 19.08.2018

@K.H. Münter: aber der Käfer hatte so praktische Halteschlaufen an den Mittelholmen!

S. Salochin / 19.08.2018

Danke, für ihren mal wieder unterhaltsam weisen Artikel, Herr Marxeiner! Vielleicht erinnern Sie sich ja auch an die Toyota-Werbung mit dem Wüsten-Scheich, der mit dem Fuß gegen ein Auto ausholt: “Blöde Kiste, nix gut, nix kaufen - zu wenig Sprit verbrauchen!” Ich würde zwar trotzdem keinen Toyota kaufen - schon weil sie kleinlaut in den 80zigern die Werbung zurückgezogen haben. Aber die Anzeige (über 2 Seiten mit mehreren spritsparenden Modellen, die dem “Wüstenprinz” mit Sonnenbrille nicht gefielen) war eigentlich ein Meilenstein der Werbefreiheit ... kurzzeitig. Und wurde dann eben ein Präzedenzfall für “Newspeak”. Denn die Begründung für den Werberat, die Anzeige zu rügen, war nach meiner Erinnerung “Diskreminierung von Minderheiten” (Scheichs). Aha. Heute weiß man noch besser, was wirklich gemeint war.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Dirk Maxeiner / 12.05.2024 / 06:15 / 43

Der Sonntagsfahrer: Denkmalschützer, rettet die Atomkraft!

Windrad-Betreiber können den „Rückbau" ihres Elektroschrotts vermeiden, wenn sie schlau sind und den Propeller zum Denkmal erklären lassen. Eine echte Steilvorlage für die AKW-Branche! Windmüller ist…/ mehr

Dirk Maxeiner / 05.05.2024 / 06:15 / 128

Der Sonntagsfahrer: Schiffbruch im Oderbruch

Katrin Göring-Eckardt wurde mit ihrem Dienstwagen von der Landbevölkerung stillgelegt. Das findet sie prinzipiell gut, nur nicht bei sich selbst. Im Deutschen gibt es so…/ mehr

Dirk Maxeiner / 02.05.2024 / 14:00 / 26

Schotten dicht für E-Autoflut aus China?

Sind geplante EU-Zölle zu niedrig, um den Dumping-Import chinesischer E-Autos zu stoppen? Oder sollen protektionistische Umwelt- und Sicherheitsvorschriften sie draußen halten? Vielleicht erledigt es aber auch der Kaufunwille der Kunden.…/ mehr

Dirk Maxeiner / 28.04.2024 / 06:15 / 84

Der Sonntagsfahrer: Ich sage nur China, China, China

Der chinesische Geheimdienst weiß in jedem Fall besser Bescheid über deutsche Regierungsvorlagen als der von der Berliner Falun-Gaga-Sekte informierte Wirtschaftsminister.  In Deutschland leben etwa 150.000 chinesische…/ mehr

Dirk Maxeiner / 21.04.2024 / 06:15 / 121

Der Sonntagsfahrer: Fahrverbote und Gesetze, die niemand einhalten kann

EU und Bundesregierung verabschieden immer weltfremdere Gesetze und schreiben Lösungen vor, die es schlicht nicht gibt.  Der sogenannte Klimaschutz wird dabei immer menschenfeindlicher, der Bürger willkürlich…/ mehr

Dirk Maxeiner / 14.04.2024 / 06:15 / 62

Der Sonntagsfahrer: Der Augsburger Gasballon

Augsburg ist eine Stadt von Friedensfreunden. Die schritten vergangene Woche aber zur Generalmobilmachung. Grund: Das Gasnetz soll früher oder später weg. Wenn es um Friede,…/ mehr

Dirk Maxeiner / 07.04.2024 / 06:00 / 119

Der Sonntagsfahrer: Betteln um die Pleite

Trotz der gescheiterten E-Auto-Wende betteln einflussreiche Autohersteller darum, das Verbrennerverbot nicht infrage zu stellen. Die Wünsche der Kunden sind längst egal. Wer hält länger durch? Die…/ mehr

Dirk Maxeiner / 31.03.2024 / 06:15 / 58

Der Sonntagsfahrer: Ich will nachhause telefonieren

Der erhobene Zeigefinger liegt schon länger voll im Trend. Nationalspieler Antonio Rüdiger machte den ET und auch allerhand weitere Berühmtheiten gestikulieren, bis der Arzt kommt.…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com