Dirk Maxeiner / 03.09.2017 / 06:21 / Foto: Tim Maxeiner / 11 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Hilfe, mein Hund überholt rechts!

Mein Freund Richard kehrte gerade aus seinem Schweden-Urlaub zurück. Drei Wochen Regen. Ununterbrochen. Und wer war schuld? Natürlich der Hund. Hunde verändern die Urlaubsgewohnheiten. Hundebesitzer bevorzugen Ziele, die man mit dem Auto erreichen kann. Und Hundesbesitzer bevorzugen Ferienhäuser. Zum Beispiel solche in Schweden. Richards mittelgroßer Pudel ist der Sonnenschein seiner Kinder und nach Aussage seines Besitzers ein Universalgenie auf vier Beinen, das locker die Kriterien für die Oberstufe eines Berliner Gymnasiums erfüllen würde. Also fuhr man um dem Tier einen Gefallen zu tun nach Schweden, obwohl die Gegend nicht gerade von der Sonne verwöhnt ist.

Ich kenne das mit dem Hunde-Urlaub. Besonders lebhaft erinnere ich mich an die Reisen mit Fritz. Fritz hieß mein Riesenschnautzer. Er hatte noch kupierte Ohren und einen Stummelschwanz und sah daher aus wie eine Mischung aus Nosferatu und Mr. Spock. Man könnte auch sagen: Er sah aus, als ob er Gauland wählen würde. Mit so einem Hund kam eigentlich nur Frankreich als sicheres Zielland in Frage. Die Franzosen lieben große Hunde. Alle anderen neigen zu rassistischen Vorurteilen und haben Angst, zumindest in den südlichen Ländern.

Wegen meiner Frankreich-Vorliebe hatte ich Fritz überhaupt erst Fritz genannt. Die Franzosen gaben den Deutschen im Laufe der Geschichte verschiedene nette Schimpfnamen. Vor allem Ende des 19. Jahrhunderts war "Fritz" in Deutschland ein häufiger Vorname, als Kurzform von Friedrich, einem Vornamen, den die preußischen Hohenzollern besonders schätzten. “Les Fritz“ das war für die Franzosen das Synonym für den Deutschen an sich. Fritz wurde auch abgewandelt in Fridolin, Frisé oder Frisou.

Mein Schwiegervater hielt die Namensgebung für den Hund Zeit seines Lebens für einen familiären Komplott, schließlich hieß er ebenfalls Fritz. Bei Besuchen nannte ich Fritz deshalb neutral "Das Hund". Fridolin, Frisé oder Frisou wären möglicherweise falsch interpretiert worden. Mit "Das Hund" darf ich im übrigen als einer der Pioniere der gendergerechten Sprache gelten. Fritz wußte von alledem nichts und bestand weiterhin darauf Fritz zu sein, weshalb wir ihn bei einem Besuch einmal nur mir Mühe davon abhalten konnten, den Sonntagsbraten anzuschneiden.

Mein schwarzer Frisou war eine deutsche Landpomeranze und benahm sich während Ausflügen in die große weite Welt entsprechend daneben. Während einem Zwischenstopp in Paris fiel er auf, weil er die coole gelangweilte Art der großstädtischen Artgenossen nicht abkonnte.  Er wollte ständig Pariser Schäferhunde verprügeln. Der kulturell-ästhetische Gegensatz zwischen der urbanen Elite und dem Proll vom Land wurde mir damals erstmals klar.

Im Stechschritt über den Zebrastreifen

Die zugegebenermaßen nicht besonders subtile Ironie des Namens Fritz wurde von den Franzosen sofort verstanden und kreativ zu Ende gedacht. Als ich meinen vierbeinigen Raufbold wieder mal mit den Worten „Fritz, es reicht“ zur Ordnung rief, nahm ein Passant neben mir Haltung an, simulierte mit der Faust auf dem Kopf eine Pickelhaube, prustete mit den Backen einen preußischen Marsch und überquerte im Stechschritt den nächsten Zebrastreifen.

Wir sind dann weitergefahren an die Loire, wo ein Hausboot auf uns wartete. Wir waren damals mit einem extrem angejahrten amerikanischen Straßenkreuzer unterwegs, der eine durchgängige vordere Sitzbank besaß. Fritz saß dort immer aufrecht zwischen meiner Frau und mir. Von hinten durch die Heckscheibe betrachtet, sah das dann wegen seiner spitzen Ohren aus, als habe in der Mitte Batman Platz genommen. Nachfolgende Autofahrer veranstalteten immer wieder waghalsige Überholmanöver nur um herauszufinden, was da für Gestalten im Auto saßen.

Tiere, die kleiner als er waren, interessierten Fritz übrigens überhaupt nicht, es sei denn, es handelte sich um eine Katze. Sein Weltbild bestand im wesentlichen aus Katzen und Nicht-Katzen. Das hatte er mit Alf gemein. Tiere, die größer waren als er, spornten Fritz stets zu Meisterleistungen an. So trieb er während einer ländlichen Gassi-Pause eine Herde von Charolais-Rindern auf ihrer Weide vorschriftsmässig zusammen und hielt sie in Schach. Wo er das gelernt hatte ist mir schleierhaft, offenbar war er ein hüterisches Naturtalent. Gott sei Dank konnte ich ihn evakuieren, bevor der Bauer mit dem Schießgewehr auftauchte.

Ein Hausboot als Urlaubsort erschien mir damals übrigens der beste Kompromiss zwischen Ferienhaus und Abwechslung. Und zwar zu recht: Bei der Ankunft beförderte Fritz den Königspudel des Vermieters ins Hafenbecken, weil er der irrtümlichen Meinung war, der Pudel wolle uns auf der weiteren Reise begleiten. Um den Überblick zu bewahren, richtete sich Fritz dann auf dem Dach des Hausbootes ein, was aber nicht lange gut ging. An einer niedrigen Brücke war nach oben zu wenig Luft und Fritz landete im Kanal Nivernais. Die Szene erinnerte mich an Spielfilme, in denen der Held und der Bösewicht auf dem Dach eines fahrenden Zuges miteinander kämpfen, während im Hintergrund bereits der Tunnel auftaucht.

So ein Schiff hat keine Bremse

Der Kanal-Nivernais ist 174 Kilometer lang und wird von 110 Schleusen unterbrochen. Besonders die so genannte „Schleusentreppe“ von Sardy besticht durch hohe therapeutische Wirkung: Auf einer Strecke von gerade mal fünf Kilometern müssen 27 Schleusen passiert werden. Spätestens am ersten Schleusentor machen Bootsneulinge, kaum von der Lichthupe entwöhnt, eine interessante Erfahrung: So ein Schiff hat keine Bremse aber viele Tonnen dynamische Masse.

Ungläubig und starr vor Schreck suchen die flotten Neukapitäne nach dem Bremspedal. Doch da ist nichts. Ein Hausboot in seinem Lauf, hält weder Ochs noch Esel auf. Die Charterfirmen beantworten die Frage nach der Intelligenz ihrer Kundschaft ziemlich eindeutig: Um jedes Hausboot zieht sich ein stabiler Gummipuffer vom Format eines Lastwagenreifens. Statt der erträumten eleganten Motorjacht erwartet den Reisenden so eine Art nautischer Autoscooter.

Mit einem furchtbaren Krachen endet die Fahrt am Schleusentor oder aber im Heck des Vordermanns. Der peinliche Vorfall wird dann durch ratloses Heben der Arme (Franzosen) oder heftiges Anschnauzen der übrigen Familienmitglieder (Deutsche) kompensiert. Selbstverständlich ist Papi immer am Steuer – und genauso selbstverständlich unschuldig an dem Malheur. Meine Hochachtung vor den an Deck befindlichen weiblichen Begleitpersonen wuchs von Schleuse zu Schleuse: Die deutsche Ehefrau ist ein Wesen von unendlicher Güte, Leidensbereitschaft und Loyalität. Als Lebens- und Schleusenabschnitts-Begleiterin ist sie einfach unschlagbar. Zu meiner Ehrenrettung muss ich sagen: Ich habe nicht meine Frau angeschnauzt, sondern Fritz. Der konnte das ab und hatte es immer verdient.

Wenn ich heute irgendwo einen Riesenschnautzer entdecke, was recht selten der Fall ist, freue ich mich jedes mal. Inzwischen haben sie Schlappohren und einen langen Ringelschwanz, sind aber ansonsten die gleichen Rabauken. Bedauerlicherweise muss ich bei der allgemeinen Einstellung zu den Hunderassen einen gewissen Wertewandel feststellen. In Hundebüchern tauchen für Riesenschnautzer aber auch für Schäferhunde  als Charakterisierung traditionell Worte wie „robust“ und „belastbar“ auf, kein einziges Mal jedoch „sensibel“. Damit fehlt ihnen eine wichtige Eigenschaft, die heute zum guten Ton gehört.

Welcher Hund passt also in unsere Zeit? And the winner is: Der Golden Retriever, eine Rasse die ursprünglich zum Apportieren toter Enten gezüchtet wurde, aber schon lange als typischer Familienhund firmiert. Er habe ein „sanftes Wesen“, dem  jegliche Form von „Aggressivität und Kampftrieb“ fehle. Ein Verein, der zum Wohle dieser Rasse gegründet wurde, empfiehlt bei der Erziehung der Welpen nicht zu verbissen vorzugehen. Welpenkurse seien deshalb nicht „mit einem Prüfungszwang verbunden“. So hat moderne Pädagogik auch in Hundeschulen ihren Platz gefunden. Das deutsche Ideal wird vom Golden Retriever vollendet repräsentiert, denn die Experten bescheinigen ihm „niemals aggressiv“ zu sein, auch sei „sein Schutztrieb im Vergleich zu anderen Hunderassen – wenn überhaupt – nur rudimentär entwickelt.“ Welcher Hund könnte besser in die Zeit passen? Zu seinen Wesensmerkmalen, so das Rasseportrait im Internet, gehöre das „gefallen wollen“. Fritz, I miss you.

Foto: Tim Maxeiner

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Anders Dairie / 03.09.2017

Danke, Dirk Maxeiner, selten sonntags so gelacht !  Eine Bilderflut.  Wann folgt Friedr. I der Friedr. II. ?  Danke auch für die Warnung vor dem Kanal-Nivernais. Ich will Angeln und nicht Schleusen,  und schon garnicht immerzu.  Dann empfehle ich Meck-Pomm.  Mit Hund Fried. II, einem echten Sanc Souci, ohne Schleuse. Wer nutzlose Hunde kauft, wird zurecht bestraft.  Auch Golden Retriever schauen heute nicht das “Kanzler-Duell”, was mich einigermaßen mit ihnen versöhnt.

Elmar Schürscheid / 03.09.2017

Köstlich!

Thomas Eßer / 03.09.2017

Guten Morgen, Ich möchte nicht als ” Klugscheisser” gelten, jedoch heißt es ” kupierte Ohren ” ( kopieren gibt es im Büro) Ansonsten weiter so mit ihrem Blog!

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