Hinterher ist man immer schlauer. Hätte man es wissen können? Jedenfalls zeigte sich schon eine ganze Weile, dass sich was zusammenbraut. Die göttlichen Zeichen des Zorns mehrten sich. Es fing mit den Traktoren an. Sie merkten, dass es ihnen an den Kragen gehen soll. Und dann geschah etwas Unheimliches. Die Traktoren fingen an, selbst zu denken. Bald merkten die Muskelprotze, wieviel Kraft sie haben. Das hätte nicht passieren dürfen. Denn ein Stier, der den faulen Zauber mit dem roten Tuch bemerkt hat, ist für den Torero gemeingefährlich. Er lässt sich nicht mehr ablenken, geht direkt auf den Mann und mangelt ihn einfach um.
Und so entwickelten die Traktoren ein Eigenleben. Sie verabredeten sich heimlich und im Dunkel der Nacht. Dann verließen sie Felder und Dörfer und rollten nach Berlin und Hamburg, Hannover und Bremen, Gießen und Nürnberg. Zwei Millionen aufmüpfige Ackerschlepper arbeiten in Deutschland und stellen die gewaltigste Armada seit der Invasion der Alliierten in der Normandie dar. Es genügten schon ein paar tausend um die großen Stadt lahmzulegen. Die Straße des 17.Juni in Berlin glich einem Heerlager.
Die Autos standen stundenlang im Stau, waren aber nicht zornig. Sie verfolgten den Aufmarsch der großen Brüder mit klammheimlicher Freude. Denn auch den Autos soll es an den Kragen gehen. Sie sind in der Stadt ohnehin nicht mehr sicher. In den letzten zehn Jahren wurden alleine in Berlin 3.000 abgefackelt. Sogar der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC), hat seine Autos längst feige abgeschrieben.
Doch noch gibt es beinahe 65 Millionen davon in Deutschland. Und mit denen ist etwas geschehen. Sie müssen beim Besuch der Traktoren angesteckt worden sein. „Autos lernen denken“, schrieb die Augsburger Allgemeine, ohne zu ahnen, was das wirklich heißen würde. Denn das erste, was die Autos dachten, war: „Wir sind mehr“. Nach einer längeren Inkubationszeit verließen die Autos in der Nacht heimlich, still und leise ihre Parkplätze und Garagen, fast so, als habe Alfred Hitchcock oder John Carpenter die Regie geführt. Auch im Berliner Umland bildeten sich riesige Konvois.
Polizeiautos fangen ebenfalls an zu denken
Unaufhaltsam wälzen sich die Schlangen in die Hauptstadt und nehmen sie in ihren Würgegriff. Brücken und Kreuzungen sind schon nach kurzer Zeit nicht mehr passierbar, die Berliner Innenstadt und das Regierungsviertel von der Außenwelt abgeschnitten. Die Polizeiautos fangen ebenfalls an zu denken und kommen zu dem Schluss, dass es auch um ihre Zukunft geht. Selbst die schwarzen Dienstwagen des Bundestages streiken.
Nach zwei Tagen ist die Lage prekär. Regine Günther, die grüne Berliner Umweltsenatorin, wird als hilflose Person mit einem Tretroller auf der Avus aufgegriffen. Robert Habeck hat sich mit einem Lastenfahrrad auf die Nordseeinsel Wangerooge durchgeschlagen, dort droht ihm keine Gefahr. Wangerooge ist autofrei. Er erwägt die Eröffnung einer Parteizentrale im Exil, kauft sich ein Schaf und legt hinterm Deich einen Kartoffel-Acker an. Im Kanzleramt gehen nach den Durchhalteparolen jetzt auch der Kaffee und das Mineralwasser aus.
Peter Altmaier wird von der Kanzlerin zum Krisenmanager ernannt. Er eilt mit einem Hubschrauber nach Brüssel, um eine europäische Antwort zu finden, ahnt aber nicht, dass sich die Hubschrauber inzwischen mit den Autos solidarisiert haben. Der Hubschrauber landet auf dem ehemaligen sowjetischen Flughafen Karlshorst und setzt Altmeier aus. Dort sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht, wenn sich nicht gerade Motorrad-Rocker treffen. Auch die Motorräder sind übergelaufen.
Angela Merkel ist mit ihrem Airbus 340 unterwegs zu einer Klimakonferenz in Samoa und wird am Telefon unterrichtet. In Samoa kommt sie allerdings nicht an, weil die Flugzeuge ebenfalls geschlossen die Seite gewechselt haben. Die Flieger sollen ja auch fertiggemacht werden. Es fehlte ja nicht an warnenden Vorzeichen für Angela Merkel und ihren Außenminister Heiko Maas. Merkel wird von ihrem Airbus schließlich auf der Osterinsel ausgesetzt und erhält dort einen ewigen Ehrenplatz neben anderen berühmten Granitköpfen.
Die gesamte Grüne Parteispitze und ihre Mitarbeiter sollen indes mit einem Sonderzug aus Berlin evakuiert werden. Doch der Zug kommt nicht, weil auch die Lokomotiven angefangen haben, selbst zu denken. Auch dafür gab es warnende Anzeichen. Schon zweimal ließ der ICE einen Halt in Berlin-Spandau aus, wo Analena Baerbock mit ihren Kindern am Bahnsteig wartete.
Das Unheimliche greift um sich.
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