Thilo Schneider / 06.10.2019 / 14:00 / Foto: Timo Raab / 11 / Seite ausdrucken

Der CO2-Verbrauch des Staubsaugers

Wir haben mittlerweile 2019 und alle patriarchalischen Strukturen bröckeln ja, was sehr bedauerlich für uns Männer ist, die wir noch in konservativen, aber sauberen Haushalten aufgewachsen sind. Deswegen machen der Schatz und ich normalerweise die Hausarbeit zusammen, weil ich dann kontrollieren kann, wohin der Schatz meine sehr wichtigen Sachen verschleppt und ich sie dann wieder dahin räumen kann, wo sie immer liegen und wo ich sie finde.

Das war am Donnerstag aber anders geplant: Weil ich am Donnerstag früher heimkäme als der Schatz, sollte ich wegen des Geburtstagskaffees am nächsten Tag die Wohnung aufräumen, saugen und den Abwasch in der Küche wenigstens anfangen. Das Problem dabei war, dass ich am Donnerstagnachmittag leider so gar keine Lust dazu hatte und lieber auf Amazon „Vikings“ geguckt habe. Das hat dem Schatz, als er wider Erwarten doch früher von der Arbeit kam, nicht so gut gefallen. „Das gefällt mir jetzt nicht so gut“, hat der Schatz gesagt, „wir hatten vereinbart, dass Du aufräumst und jetzt liegst Du da gemütlich mit Salzstängelchen und Cola auf der Couch, und es ist hier kein Handschlag erledigt. Offen gesagt, finde ich das sogar ziemlich schei ...“ Und dabei hat der Schatz dieses beleidigte Gesicht aufgesetzt, so dass ich schon gar keine Freude mehr daran hatte, „Vikings“ weiter zu gucken. Der Schatz zog jetzt auch noch die Augenbrauen nach unten. „Warum hast Du nichts gemacht und liegst hier auf der Couch?“, wollte sie wissen.

Eine Erklärung musste her und zwar fix. Eine Erklärung, die sowohl plausibel klang, als auch mich in eine moralisch bessere Position rückte, die es vielleicht sogar schaffte, mich weiterhin „Vikings“ gucken zu lassen. Also hub ich an: „Wie kannst Du es wagen? Deine Probleme hätten andere gerne!“ Der Schatz war irritiert: „Ja, denn morgen kommt Deine Verwandtschaft und hier sieht es aus wie Berlin ´45. Wann gedachtest Du denn, etwas zu machen?“ Traurig und vorwurfsvoll sah ich sie an: „Die Welt versinkt im Klimachaos und Du machst Dir Gedanken um eine unaufgeräumte Wohnung. Im Mittelmeer ertrinken Menschen und Dein Problem sind die Schuhe im Hausflur. Die AfD kriegt im Osten 20 Prozent und Du beschwerst Dich über Gläser, die nicht in der Spülmaschine sind.

Greta wird von allen angefeindet, ein 16-jähriges Mädchen, das niemandem etwas getan hat und Du regst Dich über zerknuddelte Kissen auf der Couch auf. Der Feinstaub hier in der Stadt tötet auf lange Sicht alle Einwohner, aber für Dich ist der Staub auf den Möbeln eine Katastrophe. Die Gletscher schmelzen und die Eisbären sterben aus, aber Dir ist es wichtig, dass der Abwasch erledigt wird. Findest Du das alles angemessen?“ Und dann, noch einmal, zur Verstärkung: „Wie kannst Du es wagen?“ Ich hatte fertig und verschränkte die Arme vor der Brust. Im sicheren Bewusstsein, eine Salve von schweren moralischen Wirkungstreffern gelandet zu haben.

„Schnapp Dir einen CO2-neutralen Besen!“

Der Schatz bekam eine gesunde rote Gesichtsfarbe und öffnete und schloss den Mund, ohne etwas zu sagen. Ein Phänomen, das ich am Schatz noch nie beobachtet hatte. Es war ihr anzusehen, dass sie nach Worten suchte. Dann brach es aus ihr heraus: „Willst! Du! Mich! Verarschen? HastDueinenSchlaganfallaufderverdammtenCoucherlitten? Das ist Deine Ausrede? Das Weltklima? Die Eisbären? Die Gletscher? Du konntest die Küche nicht aufräumen, weil auf Greta Thundings geschimpft wird?“ Sie wechselte von dem hübschen Rot zu einem etwas ungesünderen Lila. Oha. Wie ich es hasse, einfachste Zusammenhänge erklären zu müssen!

„Aber ja“, erklärte ich und schaltete im Ton auf „liebevoller Ehemann“ um, „schau: Es gibt um uns herum doch so viel Wichtigeres als eine aufgeräumte Wohnung. Es macht einfach keinen Sinn, sich angesichts der uns umgebenden Probleme über Kleinigkeiten aufzuregen. Schuhe ordentlich im Schuhschrank zu haben, rettet kein einziges Tier aus der Massentierhaltung, im Gegenteil verbraucht der Staubsauger Unmengen CO2!“ Der Schatz schnaubte verächtlich. „Wie viel denn?“, fragte sie provozierend spitz. „Das weiß ich nicht, aber viel“, erklärte ich, „ich müsste da mal den Verbrauch berechnen und das dann umrechnen, aber umweltfreundlich ist so ein Staubsauger jedenfalls nicht!“

Aber der Schatz wollte sich noch nicht geschlagen geben! „Doch, für unsere Wohnung ist er umweltfreundl…“, und dann kam ihr ein entsetzlicher Gedanke: „Du hast sie doch nicht mehr alle! Ich diskutiere doch nicht ernsthaft über einen derart bizarren Gedankengang. Du Spinner! Außerdem rettest Du die Welt nicht, indem Du Dich auf der Couch herumlümmelst und fernsiehst! Schnapp Dir einen CO2-neutralen Besen oder wische feucht durch! Das ist so ziemlich die blödeste Ausrede, die ich je gehört habe. Nicht einmal die Kids bringen einen derartigen Schwachsinn als Entschuldigung für Faulheit. Und die sind ja schon gut in absurden Erklärungen!“ „Mein CO2-Verbrauch auf der Couch ist jedenfalls niedriger als jede Tätigkeit, die ich ausüben könnte. Man muss da Prioritäten setzen“, gab ich trotzig zurück. „Du guckst „Vikings“, stellte sie, sachlich richtig, fest. „Jein, ich schaue einen Film über die Klimaveränderung in England, den skandinavischen Ländern und Island seit dem Frühmittelalter“, erklärte ich dem Schatz ruhig, „Bildung ist wichtig!“

Sie drehte sich um und stapfte aus dem Wohnzimmer. Nach etwa zehn Minuten kam sie zurück. „Was hast Du gemacht?“, wollte ich wissen. „Allen Gästen für morgen abgesagt“, sagte sie patzig und kurz. „Ich führe niemanden in diesen Saustall“, hängte sie hintendran. „Das ist aber jetzt schade“, erwiderte ich, „jetzt bekomme ich gar keine Geschenke.“ „Hast Du auch nicht verdient“, antwortete sie knapp, „und jetzt rutsch rüber. Ich helfe Dir beim CO2 einsparen.“ Und so kam es, dass wir eine nahezu klimaneutrale Geburtstagsfeier hatten und unsere Wohnung in einem nachhaltig unberührten Zustand blieb. Ich fürchte aber, demnächst müssen wir doch einmal ran. Auf dem Geschirr hat sich mittlerweile eine bemerkenswerte Flora und Fauna gebildet. Die Natur erobert sich eben ihren Lebensraum zurück. Immer.

(Mehr Unaufgeräumtes des Autors findet sich auf www.politticker.de)

Foto: Timo Raab

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Leserpost

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Hans-Peter Dollhopf / 06.10.2019

Herr Wedell, “im deutschen[sic] Strommix erzeugt die Kilowattstunde ca. 500 g CO2”!? Na ja. Hängt die PV-Paneele erst mal am Dach und produziert sporadisch - also in der Nacht nie, mittags im Sommer aber zu viel und dadurch entsprechend Kosten an ganz anderen Stellen - dann mag das einer berechnet haben. Die “sauberen” Module wurden allermeist in der chinesischen Volkswirtschaft in mit Kohlestrom befeuerten Fabrikanlagen produziert. Wer will das denn im fernab gelegenen Schland so genau einbeziehen, wie schlecht der Wirkungsgrad dieser chinesischen “Dreckschleudern” bei der Kohleverstromung dabei gewesen ist. Wo inzwischen doch sogar unsere “Arten” zugunsten der wirbeligen Windstromgeneratoren schon mal gelockert von grünen Hockern fallen dürfen? Der Herr Professor Qua(t)schning kaum.

Emmanuel Precht / 06.10.2019

Sagen Sie mal, können Sie nicht ab und zu einen Satz einbauen der es zulässt, das Lachen zurückzufahren, um wieder Luft zu bekommen? Lese-Apnoe kann tödlich enden! Wohlan…

Max Wedell / 06.10.2019

Im deutschen Strommix erzeugt die Kilowattstunde ca. 500 g CO2. Demnächst wird die Tonne CO2 mit 10 Euro belastet. Hat der Staubsauger 2000 W und man saugt eine halbe Stunde, erzeugt man also ca. 500 g CO2. Macht einen halben Cent CO2-Steuer! Stattdessen “Vikings” kucken spart also reines Geld, da der TV nur einen Bruchteil davon verbraucht. 500g ist übrigens die Menge CO2, die der Mensch während 12 Stunden durch Atmen erzeugt. Man könnte also das CO2, das durch die halbe Stunde Staubsaugerei entsteht, ganz persönlich kompensieren, indem man sich 12 Stunden das Atmen verkneift. Bzw. was wohl praktikabler ist, 24 Stunden lang halb so schnell atmet. Im übrigen erzeugen die Menschen noch mehr CO2, wenn sie sich streiten, weil dann die Atmung heftiger geht, insbesondere wenn die beteiligten Köpfe sich dabei dunkelrot bis lila verfärben. Weniger Streit ist also auch schon gelebter Klimaschutz. Ansonsten finde ich den Ansatz gut, das Nützliche im Irrsinn zu suchen und zu finden.

H. Schmidt / 06.10.2019

Herr Schneider! Sie tun mir Leid! Wenn dies nun die Konversation mit Ihrer Frau sein soll im Zusammenhang mit Ihrere Faulheit die Bude sauber zu machen und dem CO2 als Ausrede, dann haben sie eigentlich schon verloren, nur noch nicht gemerkt. Ihre Frau oder Schatz hat eigentlich die genau richtigen Fragen gestellt und Sie haben im Glauben schlau zu sein die falschen Antworten gegeben.

Wolfgang Kaufmann / 06.10.2019

Es handelt sich um Wesen, die sich dem heldenhaften Kampf gegen Gardineneumel und Wäschegilb verschrieben haben, rückhaltlos gegen Glypohosat, Glutamat, Gluten und Glykose kämpfen und die Welt von teuflischen Mächten wie PS, IQ oder XY befreien wollen. – Für diesen selbstlosen Einsatz an der Wohlfühl-Front wollen sie geliebt werden; und sei es von trojanischen Pferden oder rosa Elefanten. Als Alter Weißer Mann bleibt Ihnen nur eine Rettung: Sedieren Sie sie mit Kaffee, Kuchen und Katzenvideos, bevor es zu spät ist.

Jens Rickmeyer / 06.10.2019

Klasse! Könnten Sie mir die Marke Ihres CO2 VERBRAUCHENDEN (!) Staubsaugers verraten? Wird der mit Photosynthese durch Blattgrün (Chlorophyll) betrieben? Meiner PRODUZIERT das Klima-killende Giftgas CO2, wenn auch nur indirekt über die E-Werke … :-(

Bernhard Maxara / 06.10.2019

Lieber Herr Schneider, Sie können sicher sein, daß Ihre satirisch vorgeschützte Ansicht über den Stellenwert von Hygiene für Körper und Wohnumfeld von einem überwältigen Prozentsatz aller unter Fünfzigjährigen durchaus für bare Münze gilt und geteilt wird. Denn es gibt keine Satire mehr, die in Deutschland nicht längst von der Realität ad absurdum geführt ist!

Thomas Taterka / 06.10.2019

Als Selbstständiger lernt man , das Glück beim Schopf zu packen, wann immer es sich anbietet und Unerledigtes zu übersehen - mit Ausnahme von beruflichen Zwängen, die immer sofort bewältigt werden MÜSSEN.  Zum Glück gibt’s Lieblings- und Stammrestaurants, wo man feiern kann. Abgesehen davon, haben wir ( Buchhändlerpaar ) es nie fertiggebracht, ein schönes Wochenende draußen verstreichen zu lassen , wegen Unordnung zu Hause. Auf Perioden in Sodom und Gomorrha folgt immer ein Wochenende der Zerknirschung und des Ordnungmachens. Das ist normal bei noch funktionstüchtigen Selbstständigen, aber privat MUSS der Spaß vorgehen. Das ist die Ehre der Selbstständigen! Viel Arbeit ,aber auch viel Ehre. P.S.: “Vikings ” kenne ich noch nicht, aber ” Die Wikinger ” von Richard Fleischer. Die Titelmelodie ist ein gutes Signal zum Sammeln, bevor endgültig aufgeräumt werden M-U -S -S. Liebe Grüße und ” es sind nur Dinge ” , die geräumt werden müssen, also take it easy !  

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