Thilo Schneider / 29.03.2023 / 14:00 / Foto: Timo Raab / 33 / Seite ausdrucken

Das Schweineherz in der Kirche

Die Innsbrucker Spitalskirche ist ein wunderschöner Sakralbau aus dem Jahr 1705. Die Gläubigen, die die Kirche besuchen, dürfen beim Beten derzeit andächtig auf ein Bild mit einem überdimensionalen Schweineherz starren, dessen Unterseite in ein Kondom gepresst ist.

Die Innsbrucker Spitalskirche ist ein wunderschöner Sakralbau aus den Zeiten, als Kirchen noch ein Ort der Verherrlichung Gottes waren. Erbaut wurde die katholische Kirche 1705 nach einem Erdbeben, das den Vorgängerbau vernichtet hatte; nach Bombenschäden im Jahr 1945 wurde die Kirche umfangreich restauriert. Sie beherbergt einen Hochaltar aus dem Jahr 1705 und ein opulentes Altarbild im „Nazarener Stil“ von 1848. Kurz: Die Spitalskirche ist ein architektonisches und künstlerisches Kleinod aus dem Beginn des 18. Jahrhunderts.

Die Gläubigen, die die Kirche besuchen, dürfen beim Beten derzeit andächtig auf ein Bild mit einem überdimensionalen Schweineherz starren, dessen Unterseite in ein Kondom gepresst ist. Der Innsbrucker Bischof Glettler hatte die lustige Idee, mit dem Bild den Altar verhüllen zu lassen und so seine Schäfchen massiv zu verärgern. Auf ihrer Website erklärt die Diözese, der aufgehängte Müll, der die komplette Fastenzeit dort hängenbleiben soll, soll „eine Einladung sein, über Bedrängnisse und Ängste der Gegenwart nachzudenken und das Leben neu zu wählen – in seiner Schönheit und Vergänglichkeit“. Leider gibt es außer Hostien nichts zu essen, die bei Vernissagen üblichen Kanapees und Rotweine entfallen ersatzlos.

Nun müssen katholische und evangelische Gläubige schon seit jeher „hart im Nehmen sein“, wenn auf Kirchentagen Vulven gemalt werden und dem ein oder anderen Priester gerne einmal die Hand bei Schutzbefohlenen ausrutscht – aber diese Art der „Kunstpräsentation“ des international zu Recht unbekannten Künstlers Peter Garmusch, dessen wundervolles Kunstwerk „eine private Leihgabe ist“, ist doch noch einmal eine neue Form der Provokation und der Verhohnepipelung der eigenen Gemeindemitglieder.

Zumal sich Peter Garmusch damit keinen Gefallen getan hat, wenn man sieht, welche Schönheiten die Kirche eigentlich schmücken: Der 1705 vom Bildhauer Cristoforo Benedetti geschaffene barocke Hochaltar enthält ein Altarbild von Caspar Jele aus dem Jahr 1844. Und diese dann mit dem lieblos hingeklatschten Schweineherz im Pariser von Peter Garmusch vergleicht. Mir als „Künstler“ wäre das ja peinlich, aber die heutigen Künstlerdoppelpunktinnen sind ja extrem schmerzfrei. „Nicht Du betrachtest mein Kunstwerk, mein Kunstwerk betrachtet Dich“. Ja, genau.

„Ein berührender Blickfang“

Natürlich hagelt es auch Kritik, die sich auf den Satz „Was soll der Blödsinn?“ zusammendampfen lässt, aber Bischof Glettler bleibt hart: Das Schweineherz ist „ein berührender Blickfang“ (da hat er recht, das sind schwere Autounfälle ja auch) und „es sammelt, strahlt Vertrautheit aus und irritiert zugleich“ (das kenne ich, ich bin mit dem Schatz verheiratet). Da sollen sich seine Schäfchen mal nicht wie die Schweinchen anstellen und vielmehr in sich gehen.

Mit weiterer Kunst hat der Bischof noch drei weitere Kirchen beglückt, aber keines dieser seltsamen Kunstwerke kommt in seiner schlichten Hässlichkeit auch nur annährend an das „Vertrautheit ausstrahlende“ Schweineherz heran. Da können die Gläubigen noch dankbar sein, dass ihr Bischof auf den ironischen Gag verzichtet hat, sein Lieblingsherz in einer „Herz-Jesu“-Kirche aufgehängt zu haben.

Natürlich soll und muss eine Kirche auch mit der Zeit gehen können und dürfen, wenn die gottesdienstlichen Sammelbeutel nicht leerer zurückgegeben werden sollen, als sie ausgeteilt wurden. Und natürlich haben es die beiden Großkirchen heute bei einer Jugend schwer, die sich lieber auf die Straße als auf harte Kirchenbänke klebt. Die muss man ja irgendwie ansprechen, die Alten sterben weg und die Neu-Hinzugekommenen sind eher in der Moschee oder der Shisha-Bar als in einer Spät-Barockkirche zu finden. Obwohl Gebete die nahende Klimakatastrophe vielleicht doch aufhalten könnten, zumindest können sie dem Klima nicht schaden.

Aber jene Aktion wird die Jugend nicht in die Kirche locken und erst recht nicht die Alten in der Kirche halten. Die halten ihre Andacht dann eben nicht bei Schweineherzen, sondern beim Schweinsbraten. Da wissen sie wenigstens, was sie haben und haben sogar einen Grund, dem Herrn zu danken. Dem da oben oder dem, dem das Wirtshaus gehört. 

Zum Trost: Das wundervolle Kunstwerk wird zu Ostern wieder abgehängt und wandert zurück in den Privatbesitz der Hölle, aus dem es sich entleihen lassen durfte, denn nichts ist ewig außer der Ewigkeit. Amen.

(Weitere wundergläubige Artikel des Autors unter www.politticker.de)  

 

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

Foto: Timo Raab

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Vera Meißner / 29.03.2023

Vor dem (ehemaligen) Parkplatz zur Kirche (zugebaut, damit weniger Leute kommen) stehen zwei große Stücke rostiger Metallschrott. Klar könnte das Kunst sein, aber der Materialwert ist nicht unerheblich. Zeitgleich wurde teuer renoviert, damit weniger Leute Platz haben - es funktioniert. Konsequenterweise wurde vor ca. 20 Jahren die kirchliche Jugendarbeit eingestellt. Man hat es sich also mit der eigenen Abschaffung bequem gemacht. Früher brauchte man dafür noch Subunternehmer (die Hunnen, Bilderstürmer, den schwarzen Tod, etc.) heute aus Personalmangel in Eigenleistung.

Markus Viktor / 29.03.2023

Wach’ auf, du verrotteter Christ! Mach dich an dein sündiges Leben, zeig’ was für ein Schurke du bist, der Herr wird es dir dann schon geben. Verkauf deinen Bruder, du Schuft! Verschacher dein Eh’weib, du Wicht! Der Herrgott, für dich ist er Luft? Er zeigt dir’s beim Jüngsten Gericht. (Morgenchoral des Peachum)

Jan Blank / 29.03.2023

Ist doch eigentlich noch recht halbherzig… ein totes Schwein mit einer Mitra aufm Kopp und dann unsere Neubürger dazu einladen. Deutlicher kann eine Religion nicht sagen: Ich habe fertig! In Konsequenz sollte ein Staat diesen obsoleten Blödsinn nicht weiter finanzieren.

A. Iehsenhain / 29.03.2023

Ich habe mir das Fastentuch (online) angeschaut - und etwas gesehen, das eher an einen Rektumprolaps erinnert. In einen Sakralbau wie die Innsbrucker Spitalkirche würde ein Fastentuch wie das “Heilige Grab” in Dietenheim an der Iller passen oder noch weitaus berühmtere, zu viele an der Zahl, um sie an dieser Stelle alle nennen zu können. Innsbruck als eine Perle des Barock und seine ebenfalls prächtige Sakralbau-Landschaft im direkten Umkreis hat genügend Künstler von höchstem Rang hervorgebracht und beherbergt - z. B. den Maler Johann Michael Strickner, die Stukkateure Gigl (ursprünglich aus Wessobrunn, aber dann in Innsbruck eingebürgert), den Maler Martin Knoller aus dem benachbarten Steinach am Brenner oder Franz Anton Zeiller, der einer berühmten Malerfamilie aus Reutte in Tirol entstammte. Da kann ich Herrn Schneider nur zustimmen: Peter Garmusch? Nie gehört und nicht der Rede wert, vor allem nach Ansicht seiner bizarren Fotografie aus irgendeinem endoskopischen Gruselkorridor. Die katholische Kirche sollte allerdings langsam aufpassen - in ihrer Geschichte gab es sogar manchen “Aufklärer”-Pfarrer, der prächtige Wallfahrtskirchen planieren ließ; und die teilweise liturgische Purifzierung beim Kirchen-Interieur nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil brachte sogar den Begriff des “katholischen Bildersturms” hervor.

Sabine Heinrich / 29.03.2023

Ich lach’ mich schlapp! Erstaunlich, was die Kirchenbeamten alles unternehmen, um die restlichen verbliebenen Mit - und ohne Glieder zu vergraulen! Nun - dem Künstler gebührt höchste Anerkennung! Er hat es - wie schon andere Unkulturschaffende vor ihm - ich denke da besonders auch an Jonathan Meese (der sogar ungestraft den Hitlergruß präsentieren durfte, weil er und sogenannte Kunstsachverständige diesen kurzerhand als Teil seiner Kunst gedeutet hatten) geschafft, mit wenig Können, aber großartiger Effekthascherei ein Vermögen zu verdienen - Ob sich die Klima- und Klebeterroristen an das kirchliche Schweineherz herantrauen? Wohl eher nicht - die verachten und hassen ja nur alles, was - schlicht ausgedrückt - nur halbwegs normal, seriös und solide daherkommt. Die werden das Schweineherz eher noch mit einer Regenbogenflagge “veredeln”. - Na denn - wer jetzt immer noch nicht aus diesem Verein der bestens verdienenden Kirchenbeamten ausgetreten ist - dem ist wahrlich nicht mehr zu helfen.

Sabine Heinrich / 29.03.2023

@Wilfried Cremer: Köstlich! Übrigens: Der Herr Bischof wurde laut Wiki in Übelbach geboren - vielleicht wurde er mit verseuchtem Wasser getauft?! Das würde einiges erklären!

Andrea Nöth / 29.03.2023

Das passiert halt bei den ‘Herzensgebildeten’. Davon brauchen wir mehr in der Regierung. Ironie off.

Ilona Grimm / 29.03.2023

Da den Kirchenfürsten die Bibel völlig fremd und Jesus für sie der erste Sozialist der Menschheitsgeschichte ist, der sich selbstveständlich hätte „impfen“ lassen und vermutlich sogar selbst „geimpft“ hätte, muss nun ein abartiges „Kunstwerk“ her, um Aufmerksamkeit auf die Kirche zu lenken. In Bayern sagt man zu solchen Werken „Kunnst mer a Geld leihen?“ - - - Jesus empfiehlt seiner Gemeinde der Gläubigen (Offb. 18, 4-5) : „Geht hinaus aus ihr, mein Volk, dass ihr nicht teilhabt an ihren Sünden und nichts empfangt von ihren Plagen. Denn ihre Sünden reichen bis an den Himmel und Gott denkt an den Frevel.“ - - Vielen Dank, Herr Schneider, dass Sie darauf aufmerksam gemacht haben.

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