Susanne Baumstark / 03.12.2019 / 06:00 / Foto: Raimond Spekking / 55 / Seite ausdrucken

Das Kreuz mit Söder

Bilder fürs Geschichtsarchiv: Ende November 2015 hat der damalige bayerische Staatsminister der Finanzen, Markus Söder, als berufenes Mitglied der evangelischen Landessynode so dort hospitiert. Zuvor hatte er öffentlich von den Kirchen gefordert, Flüchtlingsunterkünfte möglichst kostenlos zur Verfügung zu stellen. Begründung: steigende Kirchensteuereinnahmen und: „Barmherzigkeit brauche keine Miete“ Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm bestand auf staatliche Refinanzierung der Unterkünfte und schwang die Moralkeule: Söders Vorstoß sei Teil einer „guten protestantischen Diskurskultur“, es solle auch jeder seine Meinung sagen dürfen. „Eine rote Linie sei aber bei der Meinungsfreiheit überschritten, wenn gegen Schwächere gehetzt werde.“

Trotzdem, dazumal noch mit erkennbarem Rückgrat: „Söder verteidigte auch die Forderung nach einer Obergrenze bei der Zahl ankommender Flüchtlinge.“ Bei den Menschen sei Verunsicherung zu spüren. „Daher müssten die Grenzen geschützt werden. ‚Wir müssen wissen, wer im Land ist, wo sie sind und was sie wollen‘, sagte Söder nach Kritik aus der Synode. Doch natürlich dürften Flüchtlinge nicht generell unter Terrorverdacht gestellt werden.“

Wir springen vier Jahre weiter, zu Ende November 2019. Nun steht der inzwischen beförderte bayerische Ministerpräsident Markus Söder strahlend am Rednerpult der evangelischen Landessynode und schwärmt: Die Politik müsse vor Entscheidungen auch öfter auf die Kirche hören. „Als ein gemeinsames Anliegen von Politik und Kirche nannte er den Schutz von Minderheiten. Wer andere Menschen verunglimpfe, setze sich gegen den Respekt, der jedem einzelnen Menschen gelten müsse, und das christliche Menschenbild. Als Ministerpräsident werde er dies ‚keinesfalls zulassen‘.“ Zeitgleich berichtet übrigens die Wochenzeitung Die Zeit: „Beleidigungen und Verleumdungen sollen nach dem Willen Bayerns mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden können.“

Was, wenn Söder erst Bundeskanzler ist?

Der bayerische Justizminister Georg Eisenreich meint: „Unser Rechtsstaat muss sich gegen die zunehmende Verbreitung von Hass und Hetze mit aller Entschlossenheit zur Wehr setzen … Ich möchte das Beleidigungsstrafrecht nicht nur bei der Bekämpfung von Hatespeech anpassen. Auch was Cybermobbing und Hassreden gegen Personen, die im öffentlichen Leben stehen, angeht, muss das Strafrecht nachgeschärft werden.“ Politiker seien ebenfalls Ziel von Hass und Hetze. Das habe er auch schon Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) per Brief mitgeteilt. Bei menschenverachtenden Beleidigungen soll laut Gesetzesvorschlag der Staatsanwalt auch ohne Strafantrag die Möglichkeit zur Strafverfolgung haben, „solange nicht das Opfer widerspricht“.

Der bayerische Landesbischof hat wohl nichts dagegen. Im Eifer des Gefechts wird hier schon mal ein Kern der biblischen Botschaft verzerrt: „Menschen, die online Lügen verbreiten, können nach Ansicht von Bedford-Strohm nicht auf Barmherzigkeit hoffen. ‚Wer gezielt Falschbotschaften in die Welt setzt und durch digitale Kommunikation Gift verbreitet und damit systematisch das achte Gebot verletzt (‚Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten‘), dessen Handeln verdient keinen Langmut, sondern die klare Gegenwehr von Staat und Zivilgesellschaft.‘ Barmherzigkeit, Güte und Langmut hätten dort keinen Platz, wo sie sabotiert werden, sondern dort, wo sie sich ausbreiten können.“ 

Man vergleiche dazu Lukas 5, 30-32: „Und die Pharisäer und ihre Schriftgelehrten murrten und sprachen zu seinen Jüngern: Warum esst und trinkt ihr mit den Zöllnern und Sündern? Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken. Ich bin gekommen, die Sünder zur Buße zu rufen und nicht die Gerechten.“ Müsste der Bischof also nicht gerade auf jene zugehen, die er auf die Anklagebank setzt, anstatt vorzugsweise mit Gleichgesinnten zu netzwerken?

Wie dem auch sei: Markus Söder scheint sich innerhalb der letzten vier Jahre grundsätzlich umorientiert zu haben. Hoffentlich ist dies nur eine Taktik im Kontext seines Machtzuwachses, und wenn er dann Bundeskanzler ist, wird er wieder ganz der Alte. 

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Susanne Baumstarks Blog Luftwurzel.

Foto: Raimond Spekking CC-BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Klaus Plöger / 03.12.2019

MÜNCHEN Staatskanzlei. Die Uhren mochten einst links herumgehen und Utopien das Volk verschleißen, hier aber regierte die Weltvernunft, als der Stammtisch noch sagte: mir san die letzdn Preißn.

Gert Köppe / 03.12.2019

Liebe “Mitleidenden”, hier sind wir live dabei, wie von den Pharisäern, zu denen ich auch den Söder zähle, eine lupenreine Diktatur installiert werden soll. Diese wird möglicherweise sogar noch schlimmer und perfider als die in der ehemaligen DDR. Das was in dem Artikel steht heißt, einfach formuliert, das hier ein “Gummiparagraph” geschaffen werden soll, mit dem man große Teile der Bevölkerung mundtot machen will. Unter dem Vorwand der angeblichen Verbreitung von Hass, Hetze und Beleidigungen sollen Kritiker, mit Gefängnis, bestraft werden. Das heißt höchstwahrscheinlich, nur Hetze gegen alles was Links und “Systemkonform” ist, wird bestraft. Für Hetze und Beleidigungen in Richtung AfD und gegen alle Andersdenkenden wird dann sicherlich sogar das Bundesverdienstkreuz verliehen. Es wird nicht mehr lange dauern und dann muss in den Gefängnissen Platz geschaffen werden, für die vielen neuen politischen Häftlinge. Dafür gibt es dann eine Amnestie für “Allah’s Vergewaltiger und Messerschwinger”. Ich habe schon eine Diktatur hinter mir. Ich ahne was auf uns zukommt und erkenne die Zeichen. Holen wir uns Popcorn und genießen die Show der deutschen “unendlichen Geschichte”, der Erschaffung der 3. Diktatur seit 1933. Schließlich sitzen wir in der 1. Reihe….........noch! Ich wünsche Allen eine “gute Unterhaltung”!

Karla Kuhn / 03.12.2019

„Unser Rechtsstaat muss sich gegen die zunehmende Verbreitung von Hass und Hetze mit aller Entschlossenheit zur Wehr setzen….”  Dann soll doch der gute Mann erst mal nachdenken, WARUM es seit 2015 immer mehr sogenannte “Haß und Hetze” gibt. Von “NISCHT kommt nämlich NISCHT !” (Ich weiß, es heißt nicht,  ehe jetzt Kritik kommt)  Söder wird KEIN BK, er ist nicht beliebt ! Vielleicht noch in Bayern aber außerhalb ?? Wer seine Meinung dem allgemeinen Mainstream anpaßt, hat keine Chancen. So was regiert nämlich seit 2005, Merkels Meinung von früher kann jeder im Netzt lesen ! ” “....wird er wieder ganz der Alte. ”  Vielen Dank für den Witz.

Gerhard Rachor / 03.12.2019

Ich kenne Herrn Söder noch aus seiner Zeit als Gesundheitsminister. Dort habe ich ihn als zupackenden Minister erlebt. Seine Veränderungen hin zu den Grünen erschrecken mich sehr. Ich erkenne diesen Mann nicht mehr.

Franck Royale / 03.12.2019

Es ist immer wieder amüsant, wenn über den Dingen schwebende Kirchenvertreter den bürgerlichen Staat und die Zivilgesellschaft anrufen, um dem Absetzen von „Falschbotschaften in die Welt“ Einhalt zu gebieten. Wie war das mit der Himmelfahrt, und wie groß ist eigentlich deren CO2-Abdruck?

Wilfried Cremer / 03.12.2019

Wer am Ende seiner Möglichkeiten ankommt, schreibt dem Gegner Hass zu. Wenn man sagte, hassend, wie denn sonst, täte man dasselbe. Also lasset Milde walten, gerade im Advent!

Rainer Hanisch / 03.12.2019

Um Gottes Willen, keinen Bayern als Bundeskanzler!!!!  Der Söder ist kein Mann mit festen Prinzipien. Na gut, die anderen “Alt-Parteiler” auch nicht. Und die Uckermärkische Kanzlerette bringt auch nur Sch… zustande. Aber da der noch-deutschen Mehrheit so etwas gefällt, wird wohl doch ein Habeck der nächste Volksverweser; so gesehen räume ich allerdings auch dem Söderla eine Chance ein. Was soll’s, ich habe sowieso nicht mehr viele Lebensjahre zu ertragen. Nach mir die Sintflut, sollen’s die Klimahüpfer ausbaden. Die haben sich die Suppe eingebrockt. Ja und die, die die AfD immer als “Nazi-Partei”, “braune Suppe” und ähnlich bezeichnen. Guten Appetit! Eine Gesinnungsdiktatur haben wir ja im Buntland schon, der Rest ergibt sich dann fast von allein. Das hat nicht mal die vielgeschmähte DDR so schnell hinbekommen, von Adolf Nazi ganz zu schweigen. Die wären stolz auf diese “Demokratie” gewesen.

Armin Reichert / 03.12.2019

Der Prototyp eines aalglatten, verlogenen, windigen Populisten ohne Rückgrat. Ein nahezu perfekter Politiker im Sinne der Negativauslese.

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