Vera Lengsfeld / 28.10.2021 / 12:00 / Foto: Imago / 29 / Seite ausdrucken

Das Humboldt Forum und die Kulturverleugnung

Die Debatte um den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses trug von Anfang an die Züge eines Kulturkampfes. Das durch Bomben teilweise zerstörte Gebäude wurde auf Beschluss des SED-Politbüros gesprengt, um die DDR-Geschichte vom Preußentum abzukoppeln. Damals formierte sich eine Bürgerinitiative gegen diese Kulturbarbarei. Ein weltbekannter Gegner der Sprengung war Bertolt Brecht. Der Wunsch, einen Aufmarschplatz für staatlich organisierte Großdemonstrationen und Kundgebungen zu sichern, war so groß, dass für rationale, heute würden wir sagen kultursensible, Überlegungen kein Platz blieb.

Jahrzehnte später wurde auf einem Teil der hässlichen, zugigen Brache mitten in der Stadt der „Palast der Republik“ gebaut, ein Protzbau, mit dem sich die SED-Elite ein Denkmal setzen wollte. Die Idee, das Schloss, wenigstens seine Fassade, wieder aufzubauen, kam aus der Bürgerschaft unseres Landes. Es gab ein jahrelanges Ringen darum, denn die SED, die in den 90er Jahren PDS hieß, entfaltete eine ungeheure Propaganda, um den Abriss des Palastes der Republik und den Wiederaufbau des Schlosses zu verhindern.

Dass die Schlossfassade heute wieder steht, ist ein Sieg der Bürger über die Ideologen. Aber letztere haben noch lange nicht aufgegeben. Das Schloss heißt heute Humboldt Forum, aber vom Geist der Brüder Humboldt ist in seinen Räumen nichts zu spüren. Hier hat ein radikaler politisch-korrekter Kulturrevisionismus Quartier genommen. Wie der sich in den Ausstellungen zeigt, muss noch besprochen werden. Die muss man aber nicht besuchen. Sichtbarer wird der Kulturkampf an der Schlossfassade. Bevor das goldene Kuppelkreuz seinen angestammten Platz wieder einnehmen konnte, gab es bereits eine Diskussion, ob nicht auf dieses Detail verzichtet werden müsste. Anhänger anderer oder keiner Religion könnten sich ausgegrenzt oder verletzt fühlen. Diese Debatte haben die Kreuzgegner verloren, aber nicht aufgegeben.

Den Gesinnungswächtern ein Dorn im Auge

Was sich augenblicklich abspielt, mutet an wie Satire, ist aber bittere Wahrheit. Demnächst soll auf der Dachterrasse des Berliner Schlosses eine Tafel aufgestellt werden, auf der steht, dass alle Institutionen im Humboldt Forum „sich ausdrücklich von dem Alleingültigkeits- und Herrschaftsanspruch des Christentums, den die Inschrift zum Ausdruck bringt“, distanzieren.

Der Stein des Anstoßes ist eine Inschrift, die der preußische König Friedrich Wilhelm IV. 1844 ausgesucht hat: „Es ist in keinem andern Heil, (…) denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.“ (Apostelgeschichte IV, 12 und Philipper II, 10). Vom Dachterrassencafé des Schlosses ist diese Botschaft besonders gut zu lesen.

Dabei hat die Politik, die immer wieder in den Bau des Schlosses hineingeredet hat, unter anderem, indem sie sich ausdrücklich dieses Café wünschte, dafür gesorgt, dass die Besucher den Bibelworten so nahe kamen. Nun haben die politisch-korrekten Gesinnungswächter ein Problem. Auf keinen Fall dürfen nun Bürger mit dieser kontaminierenden Botschaft allein gelassen werden. Sie müssen unmissverständlich gesagt bekommen, was sie davon zu halten haben. Dass niemand im Humboldt Forum es gewagt zu haben scheint, dieser absurden Aktion zu widersprechen, sagt viel über die Feigheit gegenüber den Vernichtern unserer Kultur aus.

Es half nicht, dass der katholische Erzbischof Heiner Koch darauf aufmerksam machte, dass beide Bibelworte betonen, „dass die Menschen sich nur vor Gott verbeugen und keiner irdischen Macht diese Ehre erweisen sollen“. Daraus spreche eine große Freiheit. Gerade dies ist den Gesinnungswächtern ein Dorn im Auge. Der Mensch soll auf den Staat hören, nicht selbst denken. Eine Sprecherin des Forums distanzierte sich von der gesamten Fassade, die von vielen Symbolen des Herrschaftsanspruchs übersät sei. Der Bau des Schlosses war vielleicht der letzte Sieg der Bürger über die Politisch-Korrekten. Deshalb ist heute die Fassade da, aber der Humboldtsche Geist soll im Schloss nicht einziehen.

Foto: Imago

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Günter Dr. Crecelius / 28.10.2021

Die Zukunft des ‘Humboldt Forums’ dürfte sich ohnehin umgehend erledigen. Unsere antitassistischen Gutmenschen*innen wollen ja den Großteil der Exponate an die Herkunftsländer zurückgeben, selbst, wenn die das garnicht wollen, weil sie die Ausstellung von Erzeugnissen ihrer Vorfahren in renommierten Museen als Ehre empfinden. Gemäß der englischen Erfahrungen am Ende der Kolonialzeit mit solchen Rückgabeaktionen werden viele der Exponate dann anschließend im internationalen Kunsthandel auftauchen. Ich bin sehr gespannt auf die Spendenbereitschaft der Rückgeber zwecks Rückkauf der Exponate.

Andreas Müller / 28.10.2021

Schön, daß diese Botschaft so deutlich sichtbar ist. Bei der Kirche des Erzbischofs hat man allerdings eher den Eindruck, sie lästert Gott und sitzt im Hinterteil der Staatsmacht. Salbadern ist das eine, es konkret leben das andere.

R.Kühn / 28.10.2021

Der Bau des Schlosses war nicht der Sieg über die Politisch Korrekten. Für mich ist die AfD die politisch korrekteste Partei. Der Bau das Schlosses war der letzte Sieg über die Grünen Khmer, Roten Socken, Bunten, Altparteien, CDULinkeSPDGrüneFDP, oder zusammengefasst, über die Bolschewisten.

Georg Andreas Crivitz / 28.10.2021

Der »Bürger« im ursprünglichen Sinn ist heute nicht mehr erwünscht. Mein Urgroßvater musste den Bürgerbrief (Staatsangehörigkeit) noch erwerben, musste ein gewisses Vermögen nachweisen, Bürgen benennen und darüber hinaus noch umfangreiche Sprachkenntnisse vorweisen. Wenn man sich dagegen anschaut, wie heute die Staatsbürgerschaft regelrecht verschleudert wird, ist es klar, dass der Status »Bürger« keinen Wert mehr hat. Wie sollten da die Bürger noch irgendetwas gegen die den Staat beherrschenden Kräfte durchsetzen können.

Franck Royale / 28.10.2021

Die Zerstörung und der Abriss des Schlosses geht auf das Konto von Sozialisten, die Verleugnung dessen kulturgeschichtlicher Bedeutung eben wieder. Es sollte für jeden Bürger eine Warnung sein, vielleicht die letzte.

S.Buch / 28.10.2021

Haben sich die 68er nicht über die miefige Spießigkeit ihrer Eltern entrüstet und wollten diese abschütteln? Was anderes als miefige Spießigkeit ist aber das, was die jetzt mit ihrer totalitären “Intersektionalität” und “Identitätspolitik”, die sie fälschlich Toleranz nennen, praktizieren? Und das Schlimme ist, diese Hirnverbrannten sind zusätzlich zu ihrer Spießigkeit wirklich zutiefst dumm, was auf ihre Eltern jedenfalls wesentlich weniger zugetroffen hat.

Dr. Günter Crecelius / 28.10.2021

Das Schloß ‘Humboldt-Forum’ zu nennen ist ja vielleicht nur lächerlich, daß aber der komische Laden unter den Linden, weltweit im Universitäts-Ranking unter ferner liefen angesiedelt, sich ‘Humboldt-Universität’ nennt ist meiner Meinung nach eine Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, die sich nicht mehr wehren können. Eine Universität oder Forschungsinstitution nach bedeuten Forschern zu benennen - es gibt noch mehr davon in diesem unserem Lande -, ist stets ein problematisches Unterfangen, denn man baut damit einen Anspruch auf, dem meistens nicht entsprochen werden kann, und das endet dann wie: siehe oben. Daß unsere ganze grün-linke ‘Elite’ für derartige Überlegungen kein Gespür hat ist Ausdruck ihres intellektuellen Niveaus, das sich ja in weiteren Leistungen ausdrückt.

Sebastian Weber / 28.10.2021

Die “politisch-korrekten Gesinnungswächter” sollen sich doch mal bitte den Muezzin-Ruf übersetzen lassen. Und dann die Klappe aufmachen. Upps- ach sooo - sorry, ich vergaß, alles, was mit Muslimen und ihrer “Religion” zu tun hat, ist ja bei uns sakrosankt. Armes Deutschland ...

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