Thomas Rietzschel / 20.03.2017 / 14:11 / 8 / Seite ausdrucken

Das Ende der Bussi-Bussi-Politik

Die Auguren mögen sich noch so sehr bemühen, die Peinlichkeit ins Gegenteil zum verkehren, die Bilder bringen die Niederlage an den Tag. Angie ist bei ihrem letzten Besuch im Weißen Haus, dem ersten Treffen mit Donald Trump, schlichtweg abgeblitzt. Die Aufforderung, der deutschen Bundeskanzlerin vor den Kameras die Hand zu reichen, dürfte der amerikanische Präsident nicht nur akustisch nicht verstanden haben.  

So weit sich Angela Merkel auch über die Stuhllehne zu ihm beugen mochte, der Mann zeigte ihr die kalte Schulter, blickte ungerührt vor sich hin, bisweilen auf die Gegenseite. Gewiss nicht eben ein Ausdruck guten Benehmens, und dennoch mehr als eine bloße Flegelei. Eher schon ein körpersprachliches Zeichen persönlicher Zurückweisung. Dass es mehr ausdrückte als die nachgereichten Beteuerungen eines „guten Gesprächs“ glauben machen wollen, bekamen die Finanzminister etwa zur gleichen Zeit beim G-20-Gipfel in Baden-Baden zu spüren. 

Als sie dem Abschlussdokument ihrer Tagung die übliche Floskel - das Bekenntnis zum Freihandel - anfügen wollten, versagte der amerikanische Kollege dem Ritual die Zustimmung. Die Delegierten gingen auseinander wie die begossenen Pudel. Gleich der Bundeskanzlerin reisten sie mit leeren Händen zurück. 

So verhielt es sich zwar schon bei allen Gipfeln zuvor. Jeder ging schließlich aus wie das Hornberger Schießen. Nur, was spielte das für eine Rolle, solange die glamouröse Inszenierung stimmte: Großer Aufritt der Führer dieser Welt. Bussi, Bussi, Küsschen links, Küsschen rechts bei der Begrüßung wie beim Abschied. Angela Merkel lächelnd in den Armen von Sarkozy und Hollande, lieber noch in denen von Obama, verträumt wie selten. Dazu das höfische Festmahl, über dessen Gänge die Medien ausführlich informierten. Nicht zu vergessen das Gruppenbild mit Dame zum Andenken.

Politik auf dem Boulevard, bewacht jeweils von Tausenden schwer bewaffneter Sicherheitskräfte. Was konnte da noch schief gehen? Was gab es noch zu fragen? Was hatten wir noch zu befürchten, da die Zukunft der G 7, der G 20 etc. pp. in den Händen von Politikern lag, die sich herzten, küssten und so gern zusammenkamen? Waren sie dank ihrer inszenierten „Freundschaft“ nicht geradezu unentbehrlich? Verlor sich die Frage nach den Ergebnissen ihrer Gipfel-Events nicht im Trubel des höfischen Geschehens, selbst wenn das den Steuerzahler, wie zuletzt in Elmau, 350 Millionen Euro kostete? Bekam er dafür nicht das Gefühl, in sicherer Obhut zu sein?

Und nun das: ein amerikanischer Präsident, der die deutsche Bundeskanzlerin unverrichteter Dinge abfahren lässt, keine Anstalten macht, auf ihre Avancen einzugehen. Man kann den ungehobelten Kerl nicht ernst genug nehmen. Gefahr ist im Verzug, das Ende der einlullenden Bussi-Bussi-Politik.  

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Leserpost

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Geert Aufderhaydn / 21.03.2017

Trump ist ein gewinnendes Lächeln von ganz anderen Frauen gewohnt. Er ist diesbezüglich nicht in Not.

Thomas Nuszkowski / 20.03.2017

Blender laufen bei Trump vor die Wand. Nur Leute mit Substanz werden ernst genommen. Merkel gehört nicht zu denen. Merkel gehört zu denen, die Trump gefressen hat. Und das lässt er sie spüren. Das finde ich gut. Von mir aus kann er Merkel nach allen Regeln der Kunst zusammenfalten. Hier bei uns tut es ja keiner. Dabei tut es Not.

Sepp Kneip / 20.03.2017

Wenn ich ganz ehrlich sein soll, Herr Rietzschel, ich habe diese Szene genossen. Sollte es endlich einen Mann geben, der nicht von Merkel weggebissen werden kann? Der sich nicht durch ihrer Hinterhältigkeit abservieren lässt? Aber halt, hatten wir nicht ähnliche Szenen in Bayern, als Seehofer Merkel regelrecht abbügelte und sie genau so blämmert drein sah wie in Washington? Und jetzt? Seehofer liegt ihr zu Füßen. Sie ist die Führerin des “freien” Deutschland geblieben. Aber die Führerin der freien Welt, wie manche Enthusiasten sie schon betitelten? Nein, die wird sie sicher nicht werden . Dafür hat diese Frau in Deutschland und Europa zuviel Porzellan zerschlagen. Die Belehrungen Trumps waren das Tüpfelchen auf dem i. Das hat Trump ihr unmissverständlich klar gemacht. Es weht ein anderer Wind.

Markus Starkenberg / 20.03.2017

Dieses Ende war lange herbei gesehnt. Endlich eingetroffen.

Florian Bode / 20.03.2017

Ja, und? Wurde eines der wirklichen Probleme in den vergangenen Jahren wegebusselt? Nein, natürlich nicht. Genausowenig, wie sich die Sinnkrise der EU in Junckers Weinglas aufgelöst hat. wahrscheinlich glaubten LaMörkel und die ihren wirklich, sie habe so etwas wie Charme und könnte Trump für sich und Deutschland gewinnen. Nun, dem ist offensichtlich nicht so. Je eher unsere gewählten Regierungsvertreter das erkennen und nach tauglichen Lösungswegen suchen, je besser.

Karla Kuhn / 20.03.2017

Ein wunderbarer Kommentar, ich habe herzlich gelacht. Es wurde aber auch Zeit, daß diese inszenierten Treffen mal einen Dämpfer bekommen haben.  Elmau hat ja dem Faß den Boden ausgeschlagen, eine Zumutung auf Kosten der Steuerzahler.  “Und nun das: ein amerikanischer Präsident, der die deutsche Bundeskanzlerin unverrichteter Dinge abfahren lässt,  keine Anstalten macht, auf ihre Avancen einzugehen. Man kann den ungehobelten Kerl nicht ernst genug nehmen. Gefahr ist im Verzug, das Ende der einlullenden Bussi-Bussi-Politik. ” Schön wäre es und nötig, wenn es so generell so kommen würde.

Johannes Schaefer / 20.03.2017

Ich verstehe die Antipathien, die viele der hier schreibenden Autoren gegen die Kanzlerin hegen. Was ich nicht verstehe ist das Übermaß an Bewunderung und Sympathie, das Donald Trump entgegen gebracht wird. Die heimliche Freude, wenn er wieder einmal etwas gesagt oder getan hat, dass die Nachkriegsordnung in Frage stellt, Arbeitsplätze in Deutschland gefährdet oder die häufig genannten “westlichen Werte” mit Füßen tritt, ist mir zutiefst suspekt. Etwas mehr kritischer Geist gegenüber einem solchen Mann scheint angebracht. Denn bei dem Staatsbesuch hat das deutsch-amerikanische Verhältnis gelitten - zum beiderseitigen Nachteil. Wer da Lust zum Jubeln hat, nur weil die Kanzlerin “en passant” eins abbekommen hat, sollte seine Prioritäten hinterfragen.

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