Marc Friedrich, Gastautor / 12.10.2023 / 14:00 / Foto: Pixabay / 17 / Seite ausdrucken

Das deutsche Energie-Fiasko

Jeder kann es sehen, jeder kann es spüren – vor allem im Portemonnaie. Es wird immer offensichtlicher, dass die Energiewende ein Fiasko ist. Politiker anderer Länder, Experten und Unternehmen adressieren es immer häufiger. Doch in der deutschen Politik möchte sich das aktuell (noch) niemand eingestehen. 

Statt des versprochenen „Grünen Wirtschaftswunders” erleben wir unser wahres blaues Wunder. Dabei hatten die Grünen dies noch lautstark und selbstbewusst vor der Bundestagswahl groß angekündigt. Doch weder von einem Wirtschaftswunder, geschweige denn einem „Grünen Wirtschaftswunder” ist aktuell etwas zu sehen. Ganz im Gegenteil. Stattdessen ist Deutschland in eine Rezession gerutscht, eine Deindustrialisierung ist in vollem Gange, die Unternehmenspleiten steigen auf ein Siebenjahreshoch, und die Aussichten trüben sich immer weiter ein.

Ebenfalls ausgeblieben sind die sinkenden Strompreise, die eigentlich nach dem Atomausstieg laut der Wirtschafts-Koryphäe und anerkannten Energie-Expertin Katrin Göring-Eckardt hätten eintreten sollen. Doch wie bei so vielen Themen ist die reale Welt da draußen eine andere als die in der Berliner Politik-Blase. Stattdessen wird nun über subventionierten Industriestrom nachgedacht. Kann man sich nicht ausdenken. Man kreiert selbst ein Problem, um dann die Lösung dafür parat zu halten und sich als Macher darzustellen. 

Der Strom wird teurer

Die Zahlen zeigen mittlerweile eindeutig, dass der Strom immer teurer wird und das, obwohl die EEG-Umlage (also die Abgabenlast) weggefallen ist. Deutschland hat sich allein in diesem Jahr von einem der größten Stromexporteure zum Nettoimporteur entwickelt. Laut Statistischem Bundesamt mussten im zweiten Quartal 2023 7,1 Milliarden Kilowattstunden Strom nach Deutschland eingeführt werden. Der höchste Importüberschuss in einem Quartal seit Beginn der Statistik im Jahr 1991. Oder, um es mit den Worten des Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck auszudrücken: „Wir haben aktuell ein Gasproblem, kein Stromproblem.” Auch im August und September kam es zu signifikanten Nettostromimporten (Grafiken hier).

Im abgelaufenen Monat wurden netto 4,543 Millionen MWh Strom importiert. In den ersten neun Monaten 2023 stehen nun schon bereits 12,893 Millionen MWh Netto-Export auf der Uhr! Seit dem Ausstieg aus der Kernenergie ist keine einzige Woche ohne Nettostromimporte vergangen. Anders sieht das jedoch die Klimaaktivistin Luisa Neubauer, die in der Talkshow „Maischberger“ behauptet, Deutschland sei Netto-Stromexporteuer und man beziehe keinen Atomstrom aus Frankreich. Beides natürlich falsch. Viel bezeichnender ist allerdings, dass der hausinterne Faktencheck der Maischberger-Redaktion ganze vier Anläufe braucht, um Frau Neubauer zu bescheinigen, dass ihre Aussage nicht der Wahrheit entspricht. Man kann nur hoffen, dass es den Protagonisten allmählich dämmert, dass die Abschaltung der AKWs ein folgenschwerer Fehler war. 

Fakt ist: Während wir abgeschaltet haben, schalten alle anderen an. Polen wird ein Kernkraftwerk bauen, Italien will zurück zur Atomkraft, und in China sind momentan alleine 14 AKWs im Bau und weitere 56 sollen folgen. 

Vision vs. Realität: Der Ausbau der Windkraft stockt

Außerdem ist fraglich, wie man denn die selbstgesteckten Ziele beim Ausbau der Windkraft in Zukunft schaffen will. Um die Dramatik etwas zu veranschaulichen: Deutschland müsste aktuell, um die eigenen Ziele zu erreichen, monatlich 350 neue Windräder installieren. Doch der Ausbau ist massiv ins Stocken geraten. Im Jahr 2021 wurden nur 484 neue Windkraftanlagen installiert. 2022 kamen 555 neue Windräder (installierte Leistung Nettozubau 2.139 MW) dazu! In den ersten fünf Monaten 2023 waren es 224 neue Windräder, ein Nettozubau von nur 115 Windrädern mit einer Nettoleistung von 978,7 MW. 

Ein Witz, denn das offizielle Postulat bis 2030 lautet 115 GW installierte Leistung aus Windenergie. Aktuell ist man erst bei 58,5 GW angelangt. Und man darf nicht vergessen: Die Rede ist hier von nicht grundlastfähiger Windkraft. Denn Speicher sind aktuell noch nicht vorhanden, um den gewonnenen Strom bei Bedarf auch abrufen zu können. Auch in der EU will man bis 2030 jährlich 20 GW an Offshore Windkraftanlagen bauen, die Industrie sagt aber, möglich sind maximal 7 GW. 

Doch das sind bei weitem nicht die einzigen Probleme, die sich bei der Windkraft auftun. Man fragt sich, wie man den Ausbau schaffen will bei einem anhaltendem Fachkräftemangel und den nach wie vor strapazierten Lieferketten. Dazu kommt der enorme Materialbedarf der Erneuerbaren Energieträger. Allein für das Fundament eines Windrads werden mindestens 2.500 Tonnen Beton benötigt. Nach Ende der Laufzeit landen die tonnenschweren Rotorblätter dann auf dem Sondermüll. Darüber hinaus sind Windkraftanlagen, insbesondere Offshore-Windparks, in der Regel auf seltene Erden angewiesen, wie beispielsweise Neodym, das hauptsächlich in China abgebaut und verarbeitet wird. Somit sind neue Abhängigkeiten bereits heute programmiert. Als ob man nichts aus den letzten Jahren gelernt hätte. 

Aber ganz abgesehen davon muss man einfach konstatieren, dass Deutschland in weiten Teilen durch Wind- und Sonnenarmut geprägt ist. Selbst wenn ordentlich Strom in den windstarken Regionen Norddeutschlands produziert wird, fehlen nach wie vor die Leitungen, die den Strom in den Süden transportieren. Es ist und bleibt nichts weiter als ein Märchen, und so entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass nun ausgerechnet im Reinhardswald, dem Märchenwald der Brüder Grimm, Hessens größter Windpark entsteht. Sinnbildlich für diese missglückte Energiewende steht Siemens Energy. Das Unternehmen meldete erst kürzlich einen Quartalsverlust von sage und schreibe drei Milliarden Euro. Allein die Reparaturkosten der Onshore- und Offshore-Windparks belaufen sich auf eine Milliarde Euro. 

Das Problem des Geisterstroms

Die fehlende Speicherkapazität führt uns direkt zum nächsten Problem, von dem man in der Politik gerne nichts wissen möchte. Die Rede ist vom sogenannten „Geisterstrom“. Denn selbst wenn dann mal der Wind kräftig bläst, kann es passieren, dass die Windräder zu viel Strom produzieren, sodass diese aufgrund mangelnder Speicherkapazitäten und Transportmöglichkeiten abgeschaltet werden müssen.

Und auch hier sprechen die Zahlen und Fakten eine eindeutige Sprache. Wie der Bundesverband der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft schätzt, wurden allein 2022 rund drei Milliarden Kilowattstunden Windkraft, die von Anlagen an Land hätten produziert werden können, abgeregelt. Das verursacht natürlich enorme Kosten. So gibt die Bundesnetzagentur an, dass diese im Jahr 2021 bei mehr als 800 Millionen Euro gelegen haben. 

Geht es wirklich um Klimaschutz? 

Man kann sich aktuell die Frage stellen, ob es der Bundesregierung wirklich um Klimaschutz geht. Denn falls es das täte, so hätte man die AKWs am Netz gelassen. Sogar die Wissenschaftssendung Quarks des WDR hat das im Jahr 2021 bestätigt. Hätte man alle sechs der damals aktiven AKWs weiter betrieben, so hätte man 69 Millionen Tonnen CO2 (rund zehn Prozent der jährlichen Emissionen Deutschlands) einsparen können. 

Doch man hat sich gegen diesen Weg entschieden, und den Preis dafür zahlen nun die Endverbraucher und die Firmen. Immer mehr Unternehmen kehren dem Land den Rücken zu. Die Zahlen sind erschreckend. Laut einer Umfrage des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft denkt mittlerweile jedes vierte mittelständische Unternehmen (26 Prozent) daran, das eigene Geschäft aufzugeben. Jeder vierte (22 Prozent) denkt sogar über eine Verlagerung ins Ausland nach. So kann man auch seine Klimaschutzziele erreichen. Denn wo nicht mehr produziert wird, da fallen auch keine CO2-Emissionen an. Das Fatale ist jedoch, dass im Ausland – wie zum Beispiel in China – unter schlechteren Umweltstandards produziert wird. 

Lösungsvorschläge

Doch es gibt Lösungen. Wie in einem meiner letzten Beiträge dargelegt, sollte die Politik ihre jetzige Energiepolitik überdenken. Folgende Maßnahmen sollten sofort umgesetzt werden:

• 180-Grad-Wende bei der Energiepolitik. Dazu zählt insbesondere die Rückkehr zur Kernenergie. Acht AKWs könnten reaktiviert werden. 

• Kohleausstieg überdenken. Übergangsweise die Kohle- und Gasförderung reaktivieren.

• Massive Investitionen in Forschung, insbesondere in die Speichertechnologie. 

Am Ende hätte man sogar eine Win-Win-Situation, denn es würde dank der gesunkenen Energiekosten nicht zu einer Abwanderung von Industrien kommen, der Staat hätte höhere Einnahmen und könnte mehr in die Erforschung neuer Speichertechnologien investieren, die dann am Ende tatsächlich Marktreife erlangen. Vor allem würde man so verhindern, dass die Industrie dorthin abwandert, wo die Energiekosten am geringsten sind (z.B. China) und wo unter deutlich höherem CO2-Ausstoß produziert wird. 

Die dümmste Energiepolitik der Welt

‍Deutschland betreibt bereits seit Jahren die dümmste Energiepolitik der Welt. So titelte das Wall Street Journal bereits im Jahr 2019. Dieser Tage wird uns jedoch wieder schmerzhaft vor Augen geführt, dass die Autoren damit zu 100 Prozent richtig lagen. Auch ich warne bereits seit längerem vor den Folgen einer von Ideologie geblendeten Energiepolitik, deren Folgen nun immer mehr zutage treten. Die Gefahr einer anhaltenden Deindustrialisierung ist akut, doch bis die Politik die Warnzeichen wahrnimmt, ist es wahrscheinlich bereits zu spät. 

                                            

Marc Friedrich ist Bestsellerautor und Finanzexperte. Sein neuer Bestseller Die größte Chance aller Zeiten wurde von Buchreport als das erfolgreichste Wirtschaftsbuch 2021 gekürt. Twitter und Instagram: @marcfriedrich7

Foto: Pixabay

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Leserpost

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a.ziegler / 12.10.2023

Man kann es nicht oft genug sagen. Die Energiewende ist erfolgreich vollendet. Sie hatte in Wahrheit nur zwei Ziele. Erstens Vernichtung der Kernenergie. Zweitens unendliche Subventionen für Wind und Solar. Um die, durch die sog. alternativen Stromquellen nicht mögliche, Versorgungssicherheit herzustellen setzte man voll auf Erdgas. Das hat zwar vorübergehend nicht geklappt, wird aber jetzt durch Kohle und Flüssiggas wieder möglich. Es wird weiterhin an der enorm teuren zweigleisigen Stromversorgung durch fossile Brennstoffe und parallel dazu Wind und Solar weiter gebaut. Nur das ist der Zweck der Energiewende. „Kohle“ für die Grünen. Mit Dekarbonisierung haben die nichts am Hut (und damit liegen sie sogar richtig, denn Dekarbonisierung ist Quatsch). Das ist nur für die dummen Wähler. Hören wir also damit auf zu behaupten, die Energiewende sei gescheitert. Die Energiewende lebt! Wir sehen die Ergebnisse! Es funktioniert. Wir werden noch jahrelang die höchsten Strompreise haben. Nur das zählt.

Torsten Hopp / 12.10.2023

Einzige Lösung ist Abwahl der Nichtsnutze und vor Gericht zur Verantwortung ziehen. Aber die wissen natürlich, dass da keine Gefahr droht. Und so gehen wir unter.

Dr. Joachim Lucas / 12.10.2023

Wir haben in D ca. 1800 Sonnenstunden bei insgesamt 8800 Stunden. Jahresdurchnittstemperatur in D 8-9 Grad, Wind unregelmäßig und ungleichmäßig über das Land verteilt. Das war schon im alten Germanien so. Kaum Speichermöglichkeiten aus geologischer Sicht. Aus diesen Gegebenheiten sind zwingend Doppelstrukturen bei der Enegieversorgung notwendig. Abhängigkeiten, Entsorgung, Verschandelung der Natur kommen dazu. Es gibt nicht soviele alte WK II-Bunkeranlagen am Westwall und an der Atlantikküste wie gigantische Betonfundamente von Windanlagen in den Wäldern. Kriegt niemand mehr weg die Dinger. Ananas züchten in Alaska ist vielversprechender. Das alles ist ein ideologisches Idiotenprojekt von Anfang an gewesen. Jetzt heizen wir in der zukünftigen Industriebrache D im Winter bald wieder mit Braunkohle und Holz wie in den 50iger-Jahren. Diese Grünen müssen weg bevor alles ruiniert ist.

Peter Krämer / 12.10.2023

Es ist eine altbekannte Tatsache, das sich kluge Gesellschaften auch kluge Regierungen wählen. Gilt natürlich auch umgekehrt, wir erleben es gegenwärtig in Deutschland.

Peter Krämer / 12.10.2023

Früher hätten wir für solche Fälle noch eine Opposition im Parlament gehabt. Diejenigen, die es heute am ehesten noch sein möchten, dürfen nicht mitspielen.

Wolggang Schönfeldt / 12.10.2023

Dass die Energie aus Wind und Sonne vorne und hinten nicht reicht, unseren _derzeitigen_ Bedarf zu decken, ist hinlänglich bekannt und jedem klar, der die Grundrechenarten beherrscht (bei unserer Obrigkeit habe ich da aber meine Zweifel). Darum geht es aber auch nicht. Die Grünen als (derzeit) bestimmende Kraft sind ja vor ca. 50 Jahren damit angetreten, die Gesellschaft “ökologisch umzubauen”, was nur ein Euphemismus ist für Dritte Welt. Wenn das erreicht ist werden wir mit der dann noch vorhandenen Energie prima auskommen. Es wird halt der Bedarf angepasst, Angebotsorientierung nennt man das. Ihr werdet nichts besitzten, sollt aber glücklich werden!

Klaus Biskaborn / 12.10.2023

Die Lösungsvorschläge sind sicher richtig, nur sind wir ehrlich und nicht naiv, nicht einer dieser Vorschläge wird umgesetzt. Die Energiewirtschaft und ihre Verbandsvertreter sowie ihnen nahestehende Experten gehen doch den Weg der sogenannten Erneuerbaren vollinhaltlich mit. Setzen sich bei Verbandstagungen wie zuletzt in Dresden mit Frau Lang zur Diskussion aufs Podium, um hinterher Frau Lang für diese offene Diskussion zu danken. Gleichzeitig wird betont wie intensiv man forscht , z.B. Richtung Wasserstoff, um den von Grün vorgegeben Weg selbstverständlich mitzutragen. Nur die von den Grünen vorgegeben Geschwindigkeit wird kleinlaut als illusorisch bezeichnet. Nein , hier wird es keine Wende, kein Zurück geben, zumindest nicht mit den aktuellen Politikdarstellern von Schwarz, Grün, Gelb und Rot und FW!

Dr. Thomas Dörfler / 12.10.2023

Sehr geehrter Herr Friedrich, Sie sind an vielen Stellen noch sehr diplomatich. Wenn bspw. die Industrie sagt, sie könne maximal 7GW bauen, dann stehen dahinter viele wenns; Wenn der Preis stimmt, wenn die Genehmigungen schnell erteilt werden, wenn…... Auch bezweifle ich, dass man 8 KKW reaktiviern könnte (fragen Sie mal bei Hr. Haferburg nach). Klar, alles eine Frage des Geldes. Doch wer soll die KKW betreiben? Welches Privatunternehmen investiert noch in die Deutsche Infrastruktur, wenn morgen schon wieder Enteignugn droht? Welche Personen sollen die Kraftwerke fahren? Wer soll die Dinger wieder instand setzen? Die Deutschen Töchter von Framatome und Westinghouse leiden eh schon an der Überlast. Sie müssen KKW in Polen, Frankreich, UK mitbauen.  Ja, für jedes gute Geschäft findet sich ein Anbieter - zumindest in einer funktionierenden Markwirtschaft - aber das wird richtig teuer; Und haben wir überhaupt noch eine Markwirtschaft? In der Stromproduktion herrscht ja seit Jahren nur noch Planwirtschaft. Nein, stellen wir uns darauf ein, Strom wird immer teurer und wird immer öfter ausfallen. Denn selbst wenn die Bundesregierung neben der bereits stattfindenden Subventionierung der EEG-Umlage auch noch einen Industriestrompreis festlegt, und den für Privathaushalte “deckelt” (Strompreisbremse), dann bezahlen wir den hohen Strompreis über Steuern. 

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