Das CDU-Orchester spielt weiter

Die Frage in Sachen CDU ist nur, wie lange das Sinken dauern wird. Je länger es sich hinzieht, desto schwerer wird es sein, die bürgerliche Restvernunft unseres Landes in Stellung zu bringen.

Wer noch Illusionen hatte, dass die CDU aus ihrer Wahlniederlage etwas lernen würde, der sollte sie nach dem Bundestreffen der Jungen Union begraben. Scheiden tut weh, ist aber manchmal unabdingbar. Nein, dieses Scheiden macht nicht, dass mir das Herze lacht, war die Union doch das Erfolgsgeheimnis hinter der alten Bundesrepublik und der Vereinigung. Die ist Geschichte. Wir leben bereits in einem anderen Land, allzu viele haben es nur noch nicht gemerkt.

Kurz nach der verdienten Wahlniederlage fielen bei den Jungen markige Worte: CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak kündigte „eine brutal offene Fehleranalyse“ an. Wenn er das ernst gemeint hätte, wäre er ohne Wenn und Aber zurückgetreten, denn er war maßgeblich mitverantwortlich für die realitätsferne Wahlkampagne. Tilman Kuban, der Chef der Jungen Union, wollte „keinen Stein auf dem anderen lassen“.

Damit meinte er anscheinend nur das Personaltableau. Dass die Union an ihrer Inhaltsleere, am Verlust ihres Markenkerns gescheitert ist, haben die Verantwortlichen nicht erkannt. Es soll weitergehen wie bisher, nur mit „frischen, unverbrauchten Köpfen“. „Jünger und weiblicher“ solle die CDU werden, diese Melodie kennt man seit den Tagen des schon vergessenen Generalsekretärs Peter Tauber. Von notwendiger Kompetenz ist nicht die Rede.

Ich kenne die Weise, ich kenne den Text,
Ich kenn’ auch die Herren Verfasser;
Ich weiß, sie tranken heimlich Wein
Und predigten öffentlich Wasser,

sagt der kluge Heinrich Heine in „Deutschland. Ein Wintermärchen". Auf die CDU übertragen heißt das, sie verkünden öffentlich eine Fehleranalyse und sind heimlich dabei, ihre Posten zu sichern.

Neuanfang mit „frischen, unverbrauchten Gesichtern“?

Die Gastredner auf dem JU-Treffen, die sich dafür in Stellung brachten, sind die alten Barden. Friedrich Merz erklärte die CDU zu einem „insolvenzgefährdeten, schweren Sanierungsfall“, zollte aber dem Sondierungspapier der „Fortschrittskoalition“ seinen „Respekt“, statt es, wie es notwendig gewesen wäre, auseinanderzunehmen und dem grünen Größenwahn den Realitätsspiegel vorzuhalten. Von diesem Erneuerer ist keine inhaltliche Neuausrichtung zu erwarten.

Noch-Gesundheitsminister Jens Spahn, der für alle Fehlentscheidungen und Skandale der fatalen Corona-Politik mitverantwortlich ist, hat „Lust“, sich an der Erneuerung zu beteiligen. Allerdings fehlt jede selbstkritische Analyse. Ohne die Aufarbeitung der Corona-Politik kein Neuanfang. Norbert Röttgen, der auch da war, steht für die bruchlose Fortsetzung der Merkel-Politik. Und Armin Laschet? Der hat seiner Partei den letzten Bärendienst erwiesen. Mit großer Geste hat er alle Schuld auf sich geladen: „Wir haben ein bitteres Ergebnis erzielt. Nichts lässt sich schönreden. Die Verantwortung trage ich als Vorsitzender und Kanzlerkandidat. Den Wahlkampf, die Kampagne habe ich zu verantworten und sonst niemand.“ Damit hat er den entscheidenden Grund geliefert, dass keine wirkliche Fehleranalyse mehr stattfinden muss. Er hat sich persönlich aus der Schusslinie gebracht und wurde dafür von Kuban prompt als „starker Charakter“ gelobt.

Wer geglaubt hat, Laschet als Kanzler hätte eine Politik der Vernunft eingeschlagen, dem wurde sein Irrtum unmissverständlich vor Augen geführt. Das rot-grün-gelbe Sondierungspapier sei „in Ordnung“, man müsse die künftige Regierung an ihren Taten messen. Im Abgang versucht Laschet noch, die Union auf die Merkel-Linie einzuschwören und dafür zu sorgen, dass möglichst alle Punkte des rot-grün-gelben Abbauprogramms Deutschland durchgesetzt werden.

Aufruf zur „Geschlossenheit“, also zum Ende der Debatte

Die Opposition der Union müsse „staatstragend“ sein, „Extreme bekämpfen“, sich nicht zum „Populismus“ verleiten lassen. Sie soll sich also mit der Stützung der Regierung und der Bekämpfung der anderen Oppositionsparteien im Bundestag beschäftigen. Das ist es, was Laschet unter „Politik mit Charakter“ versteht und von der er glaubt, dass damit die nächsten Wahlen wieder zu gewinnen seien. Sofort nach seiner Rede wurde von verschiedenen Unionspolitikern zur „Geschlossenheit“, also zum Ende der Debatte aufgerufen.

Die einzige Stimme, die man als „frisch“ bezeichnen könnte, kam von Carsten Linnemann, der auch über eine notwendige inhaltliche Neuausrichtung der CDU sprach. Aber auch Linnemann hütet sich vor allzu klaren Worten. Er bringt stattdessen die Abstimmung der Basis über den neuen Parteivorsitz ins Spiel. Die wird vom Establishment mit allen Tricks verhindert werden. Schließlich sei der Parteitag mit über tausend Delegierten, fast ausschließlich Parteifunktionäre, auch so etwas wie die Basis.

Selbst wenn der Basisentscheid überraschend stattfinden sollte, käme mit großer Wahrscheinlichkeit Friedrich Merz als neuer Vorsitzender heraus. Mit Merz wird es keine inhaltliche Neuorientierung geben. Der Untergang der CDU wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit fortsetzen. Die Frage ist nur, wie lange das Sinken dauern wird. Je länger es sich hinzieht, desto schwerer wird es sein, die bürgerliche Restvernunft unseres Landes in Stellung zu bringen.

Foto: Boston Traveller/ Harry Trask/AP via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Fred Burig / 19.10.2021

@Fritz kolb:”..... Stattdessen Querelen in der Partei, ein Herr Meuthen, der die eigene Wählerschaft nicht kennt und ein Co-Vorsitzender der Frau Weidel, der didaktisch irgendwann vor vielen Jahren in seiner Entwicklung stehen geblieben ist…..” Mag so sein, aber auch das bildet doch scheinbar ein Spektrum ab, dem sich einige Teile der Bevölkerung zugehörig fühlen und deshalb diese Leute gewählt haben. Neben den von ihnen genannten Herrn Brandner oder Baumann sollte man zwingend auch die Herren Curio und Höcke in einem Satz erwähnen! Da Meuthen vermutlich nur machtpolitisch in eigener Sache unterwegs ist, hat er ja auch die “Quittung” bekommen. In Sachen qualifizierten Führungspersonales habe ich bei der AfD gar keine “Bedenken”. Ich würde mir allerdings Leute mit so einer brillanten und ausdrucksstarken Art - wie die des Dr. Curio - eher weiter vorn - quasi ganz an der Spitze der Partei - wünschen. MfG

E. Uhl / 19.10.2021

@E. Ekat: Die Union hat sich schon zum Ende der Amtszeit von H. Kohl mit ihrer Sozialpolitik immer mehr in Richtung links bewegt. Damals wie heute wurde das als Mitte verklärt. Für mich allerdings war deshalb die Union schon seit Ende der 80er Jahre nicht mehr wählbar, da nicht bürgerlich-konservativ. Zwischenzeitlich habe ich es dann 2005 dann mal mit der FDP probiert, weil damals nach der Demontierung von Dr. Kirchhoff durch Merkel (obwohl sie im zuvor stattfindenden Leipziger Parteitag ein flammendes Bekenntnis zu bürgerlich-konservativen Werten geleistet hat) ich diese bereits als Chamäleon erkannt hatte und dafür nicht mehr wählbar war. Wer sich heute noch daran erinnert, ging es im Wahlkampf 2005 um die Eigenverantwortung mit den Themen Steuervereinfachung und Subventionsabbau. Nach der 180 Grad Wende von Merkel, schien mir damals die FDP die Partei zu sein, die diese Werte und diese Themen vertritt. Was machte die FDP? Keine vier Wochen in der Regierung wurde das Steuerprivileg/-subvention für die Hoteliers auf Betreiben der FDP eingeführt. Auf Deutsch, ich fühlte mich verarscht. Seitdem auch keine Stimme mehr für die FDP.

Steffen Huebner / 19.10.2021

“...als sie den Weg endgültig aus den Augen verloren hatten, verdoppelten sie ihre Anstrengungen” (Mark Twain).

Hans Benzell / 19.10.2021

Allenfalls Merz könnte in der gebotenen Schonungslosigkeit mit der Merkel-Ära abrechnen. Genau aus diesem Grund werden die CDU-Granden versuchen, ihn mit allen Mitteln zu verhindern.

Marc Greiner / 19.10.2021

Die SPD war dem Untergang geweiht und nun steht sie als “Siegerin” da. Der CDU wird genau das gleiche widerfahren. Sie wird sinken und sinken, dann in 4 Jahren, wenn die Leute genug haben von Rot-Rot-Grün-Gelb, werden sie - anstatt endlich mal eine Alternative zu wählen - genau, wieder die CDU wählen. Das wird so lange hin und her gehen bis es in D nichts mehr zu wählen gibt. Ich würde dieser CDU schon aus Prinzip nicht mehr meine Stimme geben. Die Mitglieder haben 16 Jahre lang still gehalten und nichts riskiert damit sie ihren Lohn bekommen. Korrupt und prinzipienlos nennt man das.

A. Ostrovsky / 19.10.2021

@Daniel Grenzer : “an Verhältnisse wie im „reichen Land“ Venezuela gewöhnen”.  Das muss ein Irrtum sein. Deutschland hat fast keine Bodenschätze (mehr). Solche Verhältnisse wie in Venezuela wären golden, im Vergleich zum Brodeln des Irrsinns in Berlin und Umgebung. Sind Sie etwa gar nicht geimpft? Doch, na dann kann Ihnen doch gar nichts passieren.

Volker Kleinophorst / 19.10.2021

@ F. Burig “Nun, ist der “Osten” so stark, ist der “Westen” zu schwach!” Und welche Genossen im Westen auf der Payroll von HVA, Stasi und Anverwandten stand, wusste der Osten ganz genau.

T. Schneegaß / 19.10.2021

@K. Berkmann: “Die Wähler mancher östlicher Bundesländer haben das längst kapiert.” Richtig! Und deshalb schlägt jetzt das Imperium zurück. Beispiel: Sachsen war bis zur BT-Wahl einsames und abgeschlagenes Schlusslicht bei den PLANdemie-Inzidenzen, kurzfristig wurde sogar die Maskenpflicht beim Einkaufen abgeschafft.  Das war natürlich der klugen Politik des sächsischen Statthalters geschuldet, der auf Anerkennung dieser Leistung durch sein Volk hoffte. Nun trat diese Anerkennung nicht ein, es geschah das Gegenteil, bis auf 3 gewann die AfD alle Wahlkreise. Der Rachefeldzug begann. Innerhalb kürzester Zeit (3 Wochen) verzehnfachte!!! sich die Zahl der Todgeweihten und Sachsen steht heute neben Thüringen (ebenfalls AfD stärkste Partei) in der 1. Startreihe. Derweil bereitet die Bande um Kretschmer den nächsten Bluff vor. Die Guten stellen dem Volk erzgebirgische Weihnachtsmärkte und Bergparaden in Aussicht, ohne “3G und Kontakterfassung”. VORBEHALTLICH der weiteren “Entwicklung” auf dem Inzidenzen-(und Impf-) Markt. Also merke: in den letzten 3 Wochen Verzehnfachung, die Weihnachtsmärkte beginnen in ca. 5 Wochen! Gibt es jemand, der an der “Entwicklung” zweifelt? Und die Michel in Sachsen, die es auch gibt, werden sagen: siehste, versucht hamse alles, es sollte nich sein!

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