Von Jens Kegel.
Geisteswissenschaftler und Verantwortliche in sozialen Institutionen – die meisten hüllen sich in vornehmes Schweigen. Dabei wäre jetzt ihre Zeit gekommen.
Historiker
Sie füllten ganze Bibliotheken mit Abhandlungen über das Ende einer Demokratie und das Entstehen totalitärer Systeme. Jetzt könnten sie ihr Wissen der Öffentlichkeit präsentieren. Wie entstehen totalitäre Systeme? Wie funktionieren sie? Warum machen die meisten mit? Welche Bedeutung spielen Ideologien als Basis für totalitäre Systeme? Welche Rolle Unterdrückungs- und Repressionsmechanismen? Wie sind die Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Politik? Und wieso merken die meisten Menschen nicht mal nach einem solchen System, dass es bestand und sie Teil des Ganzen waren?
Sozialpsychologen
Auch hier gibt es eine überreiche Forschungsliteratur. Zu großen Menschengruppen und wie man diese lenken und beeinflussen kann. Zum Einfluss von wirklichen oder selbsternannten Autoritäten oder von Medien zu diesen gemachten. Psychologen wissen, dass Psychopathen nicht nur im Gefängnis sitzen, sondern sich auch an der Spitze eines Landes finden lassen. Wie diese mit Charme und überbordendem Selbstbewusstsein vernebeln. Sozialpsychologen kennen die Bedeutung von Rollen. Sie wissen genug zu Mitläufertum, zum Schweigen der Mehrheit, zum Rückzug in die private Nische, zu Resignation. Sozialpsychologen wissen, dass Individuen einer Auffassung beipflichten, wenn große Menschengruppen diese vertreten. Dass und wie man mit Statistiken und Zahlen beeinflussen kann. Dass Wiederholung des immer Gleichen, selbst wenn es eine faustdicke Lüge ist, in den Köpfen zur Wahrheit mutiert.
Linguisten
Sprachwissenschaftler kennen die kausalen Zusammenhänge zwischen Sprache, Denken und Handeln. Sie wissen, wie Framing funktioniert. Sie haben herausgefunden, dass Synonyme eben nicht deckungsgleich sind und man mit konnotierten Worten das Denken beeinflussen kann. Worin der Unterschied zwischen Beeinflussung und Manipulation besteht. Wie Priming- und Primacy-Effekte Assoziationsketten im Gehirn von Lesern auslösen. Dass sogenanntes „Gendern“ mehreren Prinzipien natürlicher Sprachentwicklung zuwiderläuft. Warum Begriffe wie „Impfgegner“ falsch verwendet werden. Was Kriegs-Metaphern im Kontext Pandemie auslösen können. Wie sogenannte Journalisten mittels Fragetechnik die Richtung des Interviews vorgeben. Dass sogar der Begriff Pandemie falsch verwendet wird …
Politikwissenschaftler
Wann, wenn nicht jetzt, können sie ihr gesammeltes Wissen ausbreiten? Über Demokratien. Über ein Parlament, das aufgebläht ist und darum zu den größten der Welt gehört. Über die Einsetzung einer demokratisch nicht legitimierten Hinterzimmer-Truppe, die weitreichende Entscheidungen trifft und das Parlament de facto zum zahnlosen Theatertiger degradiert, der vor laufenden Kameras Scheingefechte ohne jegliche Folgen veranstaltet – von abwesenden oder auf dem Handy spielenden sogenannten Volksvertretern ganz zu schweigen. Über eine demokratisch gewählte Oppositionspartei, der demokratische Rechte abgesprochen werden. Über die Fragilität der Demokratie und deren Nicht-Selbstverständlichkeit. Über Teilnahme der Bürger an der so viel beschworenen Willensbildung. Und die, wenn sie diese Rechte wahrnehmen möchten, von wildgewordenen Polizisten niedergeknüppelt werden. Über eine Wahl in Berlin, die eigentlich für null und nichtig erklärt werden müsste. Über die Mechanismen eines Politikbetriebs, der sich schon längst von den Bürgern verabschiedet hat und ein Eigenleben führt …
Pädagogen
Praktizierende und Forschende gleichermaßen sehen, was in KITAs und in Schulen geschieht. Wie das wertvollste Gut einer Gesellschaft, die Zukunft, in die Enge getrieben, gegeneinander aufgehetzt wird. Wie Kinder ihres Kindseins beraubt werden. Dass die wichtigsten und effektivsten Entwicklungsjahre unserer Kinder einer Ideologie geopfert wird, sie ihren Mitschülern, Freunden und Eltern entfremdet werden. Dass Eltern ihre Kinder, welche die Tragweite eines ach so harmlosen Pikses gar nicht einschätzen können, zum „Impfen“ drängen. Wo ist der kollektive Aufschrei der Erzieher, Lehrer, forschenden Pädagogen?
Soziologen
Gerade sie müssten permanent schreiend durch die Welt laufen angesichts der massiven Spaltung unserer Gesellschaft in allen Schichten, in allen sozialen Gefügen. Gerade sie müssten derzeit in Euphorie verfallen angesichts des fast einzigartigen Sozialexperiments, das wir in Echtzeit erleben, an dem wir alle beteiligt sind. Gerade sie müssten doch ein überaus fein austariertes Instrumentarium besitzen, mit dem die – gelinde gesagt – Verwerfungen in der Gesellschaft erkannt werden können. Gerade sie müssten mahnend aus allen Rohren schießen. Tun sie aber nicht. Sie putzen ihre Waffen, die sie für eine verque(e)re Minderheitenanalyse benötigen. Um die Mehrheit sollen sich, bitteschön, andere kümmern.
Juristen
Sie kennen wie keine andere Berufsgruppe die Bedeutung von Grundrechten. Sie wissen um die Unterschiede zwischen den verschiedenen Gerichtstypen. Ihnen ist klar, dass die Unabhängigkeit von Richtern in Gefahr ist. Viele sehen schweigend zu, wenn das oberste Gericht mit politisch opportun agierenden Menschen besetzt wird. Einige gehen sogar gegen Demonstranten und Journalisten vor. Und gegen Vertreter ihrer eigenen Zunft.
Medienwissenschaftler
In Zeiten einer wie gleichgeschaltet klingenden Medien-Maschinerie hören wir von ihnen nichts. In Zeiten des Ausschlusses Andersdenkender bei der Auswahl von Talk-Gästen – nichts. In Zeiten des Ausschlusses nicht-konformer Journalisten – nichts. In Zeiten der notgedrungenen Verlagerung hin zu anderen Formaten und Kanälen – nichts. In Zeiten der Dauergehirnwäsche – nichts.
Gleichstellungsbeauftragte
Sie, die ihre Aufgabe in ihrer Berufsbezeichnung tragen, begehren nicht auf, wenn ein Viertel der Arbeitnehmer nicht nur ungleich behandelt, sondern diskriminiert, stigmatisiert und ausgegrenzt wird. Sie stellen sich nicht schützend vor Ungeimpfte, wenn diesen Entlassung droht. Sie kämpfen nicht für das Recht auf Selbstbestimmung, nicht für Gleichstellung und Gleichbehandlung der Ungleichen. Sie achten lediglich darauf, dass die Geschlechter gleichgestellt sind. Bei der Gleichstellung von Gesunden, die zwar brav ihre Steuern zahlen dürfen, aber von dem mit diesen Steuern finanzierten gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden und lediglich ihre Grundrechte in Anspruch nehmen wollen, endet offenbar die Zuständigkeit der Gleichstellungsbeauftragten.
Gewerkschafter
Wenn es gegen Unternehmer geht, die Arbeitsplätze erst schaffen und damit die Basis für den gesamtgesellschaftlichen Wohlstand legen, sind sie sofort zur Stelle. Dann mobilisieren sie ihre Mitglieder. Sie, die sich den Schutz der Arbeitnehmer auf ihre übergroßen Fahnen geschrieben haben und in hochmodernen Bürokomplexen residieren, haben sich jedoch gemein gemacht mit der Macht. Jetzt müssten sie aufbegehren zum Schutz der Angestellten. Jetzt müssten sie sich an die Spitze von Demonstrationszügen stellen. Jetzt ist ihre Zeit gekommen, sich aus den Bürogebäuden hinaus wieder auf die Straße zum gemeinen Arbeiter und Angestellten zu gesellen. Jetzt aber verkriechen sie sich und verfallen in Schockstarre.
Viele, nicht alle Vertreter der genannten Professionen und Institutionen machen mit und schweigen. Denn sie haben eine Heidenangst, ihre Pfründen zu verlieren. Sie hätten gerade jetzt eine große Chance, zu zeigen, dass die „Laberfächer“ eine Menge beizutragen haben, um aufzuklären. Dass Gewerkschaften und Gleichstellungsbeauftragte wirklich wissen, warum sie Gehalt beziehen. Dass sie nicht nur vom Wohlstand partizipieren, wenn die Sonne scheint. Sie hätten eine große Chance, zu zeigen, dass ihr Fach, ihre Profession, ihr Amt eben doch eine wichtige Bedeutung besitzt. Gerade wenn auch die Basis ihres eigenen guten Lebens in großer Gefahr ist. Sie aber zementieren die Vorurteile und treten damit hinlänglich den Beweis an: Laberfach, überflüssige Institution, kann weg. Sie machen nicht nur sich selbst, sondern auch das von ihnen vertretene Fach, ihre Profession, unglaubwürdig. Und durch ihr Schweigen machen sie sich mitschuldig. Viele, Gott sei Dank nicht alle.
Dr. Jens Kegel ist in der zweiten deutschen Diktatur aufgewachsen. Seit 20 Jahren ist er selbstständig und trainiert und coacht Führungskräfte. Zugleich arbeitet er als Autor, Texter und Ghostwriter.