Erich Wiedemann / 14.03.2020 / 11:00 / Foto: Pixabay / 63 / Seite ausdrucken

Corona: Von Taiwan lernen!

Die Chinesen haben ein Sprichwort, das heißt: Wer die Wahrheit einfangen will, braucht ein schnelles Pferd. In den letzten drei Monaten hatten die Taiwan-Chinesen offenbar einen ganzen Stall voll schneller Pferde. In der ersten Phase der Corona-Epidemie konnten sie auf eine Reihe von brauchbaren Wahrheiten zugreifen, die sie sich vor dem Ausbruch der Krise erarbeitet hatten. Sie versetzten die Taiwanesen in die Lage, mit dem Corona-Ausbruch besser fertig zu werden als alle anderen betroffenen Staaten der Erde.

Das taiwanesische Volk ist theoretisch ein idealer Nährboden für das Virus. Die sozialen Kontakte sind intensiver, weil die Menschen ziemlich gedrängt beieinander leben. Das Land ist kleiner als die Schweiz, hat aber dreimal so viele Einwohner. 665 Menschen auf einen Quadratkilometer, das ist, wenn man von autonomen Agglomerationen wie Singapur und Hongkong absieht, für einen unabhängigen Staat eine Pole Position.

Deshalb wurde es als Sensation empfunden, als das Gesundheitsministerium in der Hauptstadt Taipeh am 3. März den 42. Covid-19-Infizierten meldete. In Festland-China wurden zeitweilig rund tausend Neuinfizierte täglich registriert.

Festland China ist nebenan

Nach einer Modellrechnung von Anfang Januar hätten es in Taiwan eigentlich viel mehr sein müssen. Doch die Zahlen bleiben einstweilen auf niedrigem Niveau. Letzten Donnerstag waren es insgesamt 50 Infizierte. Und immer noch kein Toter.

Dabei hat Taiwan enge Kontakte zu Festland-China, das nur 160 Kilometer entfernt ist. Fast eine Million Taiwanesen lebt und die Hälfte davon arbeitet auch dort. Jedes Jahr besuchen drei Millionen Touristen aus dem großen China das kleine China. Warum blieb die Massenepidemie aus, die in der Volksrepublik China grassiert?

Weil der kleine Inselstaat im Westpazifik besser auf sie vorbereitet war als der Rest der Welt und weil er seine Seuchenstrategen eher in Bewegung gesetzt hatte. Den ersten Corona-Alarm gab es schon Ende Dezember, zu einem Zeitpunkt, als weltweit der Name noch unbekannt war.  

Das „CEO Magazine“, ein Fachblatt für Wirtschaftsbosse in der englischsprachigen Welt, hat Taiwan das beste Gesundheitssystem der Erde bescheinigt. Seit der katastrophalen Sars-Pandemie im Jahre 2003 befindet sich das Land in permanentem Alarmzustand. Damals hatte die Regierung ein ausgefeiltes Krisenmanagement entworfen, das jetzt zum Tragen kommt.

Total unter Kontrolle

Nach dem chinesischen Neujahrsfest am 25. Januar setzte die Regierung ein Frühwarnsystem in Kraft, indem sie die nationale Gesundheitsdatenbank mit den taiwanesischen Reisedatenbanken zusammenlegte. Die Bürger können jetzt alle ihre Reiseaktivitäten und gesundheitlichen Beschwerden dorthin übermitteln. Deshalb war die Mobilität auf der Insel von Anfang an total unter Kontrolle.

Die Daten werden benutzt, um die Bevölkerung in verschiedene Gefährdungsklassen einzuteilen. Einwohner mit hohem Risiko werden unter Quarantäne gestellt und über  Mobiltelefon überwacht. Per Smartphone-Tracking kann festgestellt werden, ob sich der Betroffenen an die Quarantäne-Regelungen hält. Wer es nicht tut, riskiert hohe Bußgelder.

Das hört sich alles stark nach Orwell an. Doch die Taiwanesen haben wenig Ängste vor dem Überwachungsstaat, weil sie gelernt haben, dass er, wenn es darauf ankommt, ihrer Gesundheit nützt. Es kommt selten vor, dass eine Obrigkeit soviel Autorität genießt. Weil die staatlichen Maßnahmen und die Sicherheit, die sie verbreiten, auf breite Zustimmung stoßen, kam es auch nicht zu Panik und zu Hamsterkäufen. 

Es geht auch ohne

Dabei ist Taiwan durchaus kein autoritärer Staat. Aber die Regierung kann wichtige Entscheidungen auch ohne die Zustimmung übergeordneter Instanzen umsetzen. Deshalb ist die Administration schneller und effizienter – auch bei der Bekämpfung des Virus. Die Bürokratie, die Deutschland lähmt, ist in Taiwan auf das Wesentliche beschränkt. 

Die Zentralregierung müsste auch niemand fragen, wenn sie beschließen würde, Schulen und Universitäten zu schließen. Ohne föderalistisches Palaver wie in Staaten, die Gewaltenteilung praktizieren. Nur weil die Kurve der Neuinfizierten-Zahlen immer noch ziemlich flach verläuft, hat sie das aber noch nicht getan.

Andere Staaten könnten von Taiwan lernen. Die Insel wird aber von der Volksrepublik China wegen der doktrinären Ein-China-Politik international boykottiert. Auch Deutschland kuscht vor Peking. Berlin unterhält keine diplomatischen Beziehungen zu Taipeh. 

Taiwan kann seine Erfahrungen nicht einmal in die Weltgesundheitsbehörde (WHO) einbringen, weil es von ihr ausgeschlossen wurde. Früher durften die Taiwanesen an den WHO-Konferenzen wenigstens als Beobachter teilnehmen. Aber seit ein paar Jahren müssen sie draußen bleiben. 

Allerdings, ganz unbeschädigt wird auch die „Republik China“ alias Taiwan nicht davonkommen. Aber sie hält das Virus in Schach. Sie hat gezeigt, dass selbst eine Force Majeure kolossalen Ausmaßes beherrschbar ist. Und zwar ohne den Einsatz autokratischer Schraubzwingen, mit denen Festland-China die Seuche in den Griff zu bekommen sucht.

Gesundheit ist nicht für alle da

Doch die Weltgemeinschaft will davon nichts wissen. Durch den Boykott geht allerhand medizinisches Know-how verloren, das für den Kampf gegen Corona dringend benötigt würde. Das Motto der WHO, „Gesundheit für alle“, gilt für 193 Staaten, nur nicht für Taiwan.

Taiwans Außenminister Jaushiweh Joseph Wu hat aus gegebenem Anlass die gute Zusammenarbeit seines Landes mit Japan, Kanada, den USA und der Europäischen Union gepriesen. Das hat an der Isolation seines Landes nichts geändert. Die Volksrepublik will ihren Boykott gegen die abtrünnige Insel nicht mal vorübergehend einstellen. 

Man hat nicht vernommen, dass irgendeine Macht der Erde sich für die Interessen der „Republik China“ eingesetzt hätte. Weil sie in der UNO keinen Sitz hat, darf sie dort auch nicht reden.  

Den deutschen Gesundheitsminister Jens Spahn sollte das nicht daran hindern, ein Explorationsteam zu Studienzwecken nach Taipeh zu schicken. Die Regierung dort würde sicher gern mit gutem Rat zu Diensten sein. Aber schon der Vorschlag, Infizierte per Handy zu überwachsen, stößt in Deutschland bereits auf Ablehnung. 

Der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Ulrich Kelber, sieht darin einen nicht statthaften Eingriff in die Privatsphäre. Er sagt: “Das wäre hier rechtlich gesehen mehr als problematisch.” Welcher Art dies Problem ist und warum der Kampf dagegen so wichtig ist, hat er nicht gesagt. Die Datenschutzhysteriker sind eben stärker als die Pragmatiker. Wie sprach Albert Camus? „Die einzige Art, gegen die Pest zu kämpfen, sind Vernunft und Ehrlichkeit.“ 

Und daran hapert es offenbar in Deutschland.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Sam Lowry / 14.03.2020

Was unsere Regierung macht ist:  StGB § 227. Körperverletzung mit Todesfolge. (1) Verursacht der Täter durch die Körperverletzung (§§ 223 bis 226a) den Tod der verletzten Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. (2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.                          Leider fehlen die Leute, die das Gesetz anwenden. Warum, weiß ich nicht. Die Beweislage ist eindeutig.

Klaus Kalweit / 14.03.2020

Gerade hat Merkel einen “riesigen Rettungsschild” angekündigt für Unternehmen und Jobs. Gesundheit und Leben, insbesondere von Älteren, wurden dabei nicht erwähnt. Ich frage mich nun, wird das Virus mißbraucht für die Stabilisierung des Euro? Gibt es gar eine klammheimliche Politik, Ältere einer hohen tödlichen Gefahr auszusetzen, um den Wohnungsmarkt und die Rentenkassen zu entspannen? Über mehr Platz für Migranten gar will ich nicht mehr spekulieren, es ist schon so ungeheuerlich genug. Dumm nur, Merkel hat bei mir den intensiven Eindruck hinterlassen, zu allem fähig zu sein.

Christoph Rosanka / 14.03.2020

Danke Herr Gauer, ganz meiner Meinung. Einmal Tür und Tor geöffnet gäbe es kein halten mehr. Genau das wollen doch die Politiker, ein dummes Volk, dass nach mehr Überwachung ruft. Besser kann man es doch gar nicht haben.

Norbert Brausse / 14.03.2020

Taiwan beweist, dass man auch in einer Demokratie ein effizientes Krisenmanagement betreiben kann, aber auch China scheint mit dem Einsatz des zur Überwachung der Bevölkerung eingerichteten Blockwartüberwachungssystems erfolgreich im Kampf gegen den Virus zu sein. Warten wir ab, wie erfolgreich unsere Halbwertsdemokratie diese Krise wird überwinden können.

Daniel Oehler / 14.03.2020

China unterstütz das bedrängte Italien mit einer Flugzeugladung voll mit Ärzten und medizinischer Ausrüstung. So verhält sich ein zivilisiertes Land. Mit ernsthafter Hilfe aus Merkelandia sollte Italien besser nicht rechnen. Sobald eine Merkelregierung etwas zu retten versucht, muss man das Schlimmste befürchten! Siehe Euro, Griechenland, Banken, Automobilindustrie, Energiepolitik ...

A. Ostrovsky / 14.03.2020

Es kommt nicht darauf an, möglichst viel Information mit möglichst fragwürdigen Methode zu sammeln, sondern es kommt darauf an, aus diesen Informationen rechtzeitig erfolgreiche Strategien für die Gesellschaft UND für den Einzelnen zu entwickeln. Systeme gehen unter, obwohl sie lückenlos jede Information sammeln, wenn sie unfähig sind, aus diesen Informationen die richtigen Erkenntnisse zu finden und sie zum Wohle aller anzuwenden. Klarer: Systeme gehen unter, wenn ihre Führungen beratungsresistent, hochmütig oder boshaft sind, also wenn sie entweder keine Erkenntnisse gewinnen, oder sie nicht anwenden wollen oder nicht können oder wenn sie sie zwar anwenden, aber nicht zum Wohle sondern zum Schaden der Mehrheit UND des Einzelnen. Das ist ein rückgekoppeltes Geschehen, bei dem Herr Schellnhuber Duden Kippunkt berechnen würde. Wenn erstmal des Vertrauen zerstört ist, leidet die Legitimität der Führung und dort wo die Unters Rad gekommen ist, muss die Überwachung und die Verwendung der Erkenntnisse GEGEN die Mehrheit immer stärker zunehmen. Der Kippunkt ist dann, wenn es kracht.

Steffen Kallinowsky / 14.03.2020

Ein perfektes oder das weltbeste Gesundheitssystem ist eine Sache. Ein Obrigkeitsstaat eine Andere. “Ohne föderalistisches Palaver wie in Staaten, die Gewaltenteilung praktizieren.” Als Leser und Förderer von Achgut kann ich vorallem feststellen, dass auch die Qualität der Beiträge auf dieser Seite expotentiell mit dem Anstieg der Coronainfizierungen nachlässt. Es wäre am besten man würde die Autoren mit ihren Befindlichkeiten in “journalistische Quarantäne” schicken. Das kann man im Obrigkeitsstaat - “ohne föderalistisches Palaver” - schnell durchführen. Den einzig wirklich fundierten Beitrag zum Thema hat Jesko Matthes vor ein paar Tagen geschrieben, der weiß wo von der spricht. Unter den übrigen Beiträgen würden es einige ohne Hürden in die Reihe “Bedeutende Denkerinnen und Denker des 21. Jahrhunderts” schaffen.

Markus Viktor / 14.03.2020

China hat ca. 1,4 Milliarden Bewohner. Seit Wochen wird von Experten eine Infektionsrate von 70% einer Bevölkerung erwartet. In China wären 70% ca. 1 Milliarde. Derzeit sollen sich in China noch nicht einmal 100.000 Menschen infiziert haben (0,0001 Milliarden) und doch sollen dort die Ansteckungszahlen zurückgehen und der Höhepunkt der jetzigen Corona-Welle überschritten sein. Wie passt das zusammen? Gibt es dazu irgendwo schon kompetente Antworten?

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